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"Talk to me" erzählt die Geschichte des Ralph Waldo "Petey" Greene, der während der Zeit der "Black Power"-Bewegung in den 60er Jahren als Radiomoderator berühmt wurde. Erkennbar ist das Bemühen der afro-amerikanischen Regisseurin Kasi Lemmons, einen typischen biografischen Stil zu vermeiden, so dass es dem Greene-Unkundigen zu Beginn kaum auffällt, dass hier eine wahre Geschichte nacherzählt wird.

Die Story beginnt in einem Washingtoner Gefängnis, als Dewey Hughes (Chiwetel Ejiofor) seinen Bruder besucht, während eine Stimme aus dem Lautsprecher ertönt. Erkennbar amüsieren sich die Gefängnisinsassen über den respektlosen Plauderer - nur der im gepflegten Anzug auftretende Dewey kann dem nichts abgewinnen.

Von Beginn an stellt Lemmons zwei Hauptpersonen in den Mittelpunkt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Don Cheadle spielt den witzig, frechen "Petey" Greene, der sein kriminelles Image pflegt und die Finger nicht von Drogen und Alkohol lassen kann, während es der disziplinierte Dewey in der Welt des "weißen Mannes" geschafft hat und als einziger Schwarzer zum Vorstand eines Radiosenders gehört. Als sie in dem Gefängnis zum ersten Mal aufeinander treffen, provoziert "Petey" den Radiomann, indem er einen Job von ihm fordert. Dieser glaubt den Angeber noch Jahre hinter Gittern und antwortet salopp auf dessen Ansinnen, aber nur kurze Zeit darauf steht "Petey" plötzlich in dem Radiosender und will dort arbeiten. Zwar werden hin und wieder kurze dokumentarische Szenen eingestreut, aber lange Zeit wirkt der Film wie eine burleske Komödie, in der "Petey" einen Haufen Tricks anwendet, um seinen Traumjob zu erreichen.

Ganz bewusst vermeidet „Talk to me“ eine deutliche Rassen-Problematik, indem die mit Leichtigkeit erzählte Story offensichtlich rassistische Szenen vermeidet. Dem Film gelingt es dadurch, die Rassentrennung in ihrer Selbstverständlichkeit erkennbar werden zu lassen. Echte Begegnungen zwischen Schwarz und Weiß finden einfach nicht statt. Selbst der scheinbar angepasste Dewey hat zu seinen freundlichen Kollegen und seinem fairen Chef (Martin Sheen) keinen wirklichen Kontakt und man begreift, warum er sich für "Petey" einsetzt. Beide stammen aus der gleichen Washingtoner Gegend und "Petey’s" krimineller Werdegang ist sicherlich die üblichere Biografie für die hier Aufgewachsenen als Dewey’s Ausbruch aus seinen früheren Verhältnissen. Es sind letztlich marktwirtschaftliche Überlegungen, die zu "Peteys" Verpflichtung führen, denn seine Sprache und Gedanken treffen den Geist der Zeit und vor allem den der schwarzen Bevölkerung, die dem Radiosender hohe Einschaltquoten beschert.

Differenziert beobachtet ist in den so unterschiedlichen Typen Dewey und Petey deren ständiger Kampf um eine Selbstdefinition, der den latenten Rassismus erst deutlich macht. Für Dewey ist „Petey“ anfangs nur der verrückte „Nigger“, der den Clown macht und damit das „weiße“ Vorurteil erfüllt, während er für „Petey“ wiederum ein angepasster Schwarzer ist, der seine Herkunft verleugnet. Allein an diesen gegenseitigen Vorwürfen erkennt man ihre gesellschaftliche Position unabhängig von ihrer beruflichen Stellung, da sie ständig den schmalen Grad zwischen Selbstachtung und Anpassung ausloten müssen. Doch zwischen „Petey“ und Dewey kommt es zu einer Entwicklung weg von den üblichen Bewertungskriterien, die spätestens am Tag der Ermordung Martin Luther Kings beginnt, als es „Petey“ mit seiner authentischen Stimme im Radio gelingt, die aufgebrachten Massen zu beruhigen und kann damit möglicherweise einen Aufstand vermeiden.

Zu diesem Zeitpunkt wird „Talk to me“ zu einem Stück amerikanischer Geschichte, entfernt sich von seinen zwei Protagonisten und nimmt eine übergeordnete Position ein. Diese Entwicklung wirkt homogen, da der Film von der genauen Schilderung des ganz alltäglichen Rassismus zu den gesellschaftlichen Problemen und seinen Auswirkungen für die afro-amerikanische Minderheit überleitet.

Doch Kasi Lemmons kehrt wieder zu ihren Hauptfiguren zurück und der Film verliert dadurch an Kraft. Die Ereignisse um „Petey’s“ Komikerauftritte, die Entwicklung der Freundschaft zwischen Dewey und „Petey“ und Dewey’s eigene Moderatoren-Karriere können noch gut unterhalten, ziehen sich dank der linearen Erzählweise aber immer mehr in die Länge. Wirkliche Überraschungen fehlen, die politische Komponente entfällt fast vollständig und damit auch die gesellschaftskritische Relevanz. Kasi Lemmons verfällt zum Schluss doch den üblichen Mechanismen einer biografischen Erzählung, die fast zwanghaft zu ihrem historisch korrekten Ende geführt werden muss.

Sicherlich ist darin auch der Respekt vor der in den USA berühmten Figur Ralph Waldo „Petey“ Greene zu erkennen, aber dem Film, der lange Zeit nicht nur gut unterhält und über zwei überzeugende Darsteller verfügt, sondern auch sehr gut sein kritisches Potential entfaltet - daskeineswegs seine Aktualität verloren hat - geht zum Schluss etwas die Puste aus (7,5/10).

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