Review

Was für ein ungeheures Potential Hitchcocks „Fenster zum Hof“ aufweist, zeigt die Filmwelt mit zahlreichen Plagiaten und Huldigungen noch nach über 50 Jahren.
D.J. Caruso beweist mit seinem „Disturbia“ (Wortspiel, das so etwas wie „gestörte Vorstadt“ ergibt), dass aus der Prämisse – Voyeur beobachtet vermeintlichen Mörder in der Nachbarschaft - eine Menge Suspense herauszuholen ist. Dabei geht er noch einen Schritt weiter, indem er zu Beginn auf Teenager-Komödie setzt, was nicht minder unterhaltsam ausfällt.

Was macht man, wenn man über drei Monate nicht sein Haus verlassen darf?
Man wird zum Voyeur und studiert die Nachbarschaft ringsum.
Macht Schüler Kale (Shia LaBeouf) zumindest, weil er seinem Spanischlehrer einen Faustschlag versetzte, das Gericht Gnade walten ließ und ihm zu Hausarrest verdonnerte.
Jedoch nicht ohne Haken, denn eine elektronische Fußfessel schlägt sofort Alarm, wenn er sich über 30 Meter vom Haus entfernt.
So lernt Kale die hübsche, frisch ins Nachbarhaus eingezogene Ashley (Sarah Roemer) kennen, aber auch den Nachbarn Turner (David Morse), der verdächtige Gemeinsamkeiten mit einem gesuchten Serienkiller aufweist.

Hier stimmt von Beginn an wirklich alles, obgleich ich typischen Teenager-Liebesfilmen/Komödien tendenziell eher abneigend gegenüber stehe.
Aber Caruso stellt seine Charaktere so sympathisch vor, dass man augenblicklich in der Geschichte drin ist. Angefangen von einer Angelszene mit Kale und Vater in ländlicher Idylle, dann der vom Umstand her unglaublich fiese Autounfall mit tödlichen Folgen für den Vater, bis zu dem Zeitpunkt in der Klasse, wo Kale sich vom Lehrer, ein Jahr nach dem Tod seines Vaters, provoziert fühlt und ihm eine donnert.
Bis dato sind noch nicht einmal zehn Minuten Laufzeit vergangen und man sieht Kale schon als vertrauten Kumpel…von Nebenan.

Nebenan zieht dann auch rasch die neue Familie mit bildhübscher Tochter ein, die Kale, leicht rünstend, auch mal beim Schwimmen oder Lesen auf dem Dach beobachtet. Natürlich nicht nur mit Fernglas, sondern zusätzlich mit Camcorder, da sich technische Spielereien im Verlauf noch als spannungsfördernd erweisen werden.
Dass sich die beiden Teens irgendwann näher kommen und mit Kumpel Ronnie (Aaron Yoo) ein ermittelndes Dreigespann bilden, leuchtet ebenso ein, wie die Tatsache, dass man mit der eingeschränkten Bewegungsfreiheit Kales ein paar nette Lacher hervorrufen kann.

Gelungen, weil fließend und nicht schlagartig, stellt man schließlich nach Hälfte der Laufzeit auf Thriller um. Der verdächtige Nachbar Turner wird beobachtet, verfolgt, man sucht nach Beweisen in der Garage, während man Informationen per Camcorder und Handy übermittelt, was sich überaus spannend gestaltet.
Nebenher baut Caruso noch locker Filmzitate, beispielsweise Kings „Shinig“ ein und gönnt dem Betrachter dabei kaum eine Atempause.
Auch das Finale, innerhalb morbider Kulissen und schauriger Requisiten, gestaltet sich enorm temporeich, nur leider schleichen sich dabei auch gehörige Logiklöcher in Sachen Geschwindigkeit des Verdächtigen ein. Da sind einige Verhaltensweisen nicht ganz nachvollziehbar und man hat letztlich den Eindruck, als wolle man Vorangegangenes mit der geballten Ladung Dramatik um jeden Preis toppen, was im Gesamtbild leichte negative Spuren hinterlässt.

Für einen durchweg positiven Eindruck sorgen hingegen die Darsteller. Shia LaBeouf ist als Kale genau die richtige Wahl, er spielt facettenreich und vor allem glaubhaft. Eine wie Sarah Roemer hätte man gewiss gern in der Nachbarschaft, sie macht nicht nur eine attraktive Figur, sondern fördert zudem ein nicht unerhebliches Knistern zwischen ihr und dem Helden.
David Morse gibt den dubiosen Turner mit einer routinierten Coolness, die in jeder Einstellung Freude bereitet, nur Carrie-Ann Moss erscheint mir als Kales Mutter deplatziert, was jedoch eher daran liegt, weil sie mir zuletzt als Latexmaus in „Matrix“ auffiel. Ihre Szenen spielt sie aber ebenfalls überzeugend.

Am Ende weiß ich auch nicht so genau, warum mir der Streifen so sympathisch ist. Vielleicht weil es die Figuren auch sind, die interessante Mischung aus Teenager-Film und Thriller überzeugt, oder innerhalb der 104 Minuten ständig Bewegung im Spiel ist und einfach nur kurzweilige Unterhaltung geboten wird.
Ich bin auch nicht sicher, ob Hitchcock diese überaus moderne Variante seines Klassikers gefallen hätte, meine Empfehlung hat sie jedenfalls.
8,75 von 10

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