Medizinisch-ethische Fragen waren in den 50ern angesagt, gerade vor dem Hintergrund von Menschenversuchen in den KZs, einer Thematik, die in "Arzt ohne Gewissen" ebenfalls aufgegriffen wird. Ewald Balser ist als verblendeter Chirurg zu sehen, der sich anmaßt, über Leben und Tod zu entscheiden, sekundiert von der überflüssigen Figur eines KZ-Schergen-Arztes (Wolfgang Kieling in einer seiner schwächeren Rollen), die den zeitlosen ethischen Konflikt unnötig an die Nazizeit rückbindet und so von der fortdauernden Gültigkeit der behandelten Fragen ablenkt. Wolfgang Preiss als guter Gegenarzt, der dem bösen Treiben fassungslos gegenübersteht - auch er mit Begleitfigur, hier darf Barbara Rütting als hübsches Beiwerk herhalten. Die wunderbare Karin Baal ist als kesses leichtes Mädchen zu bewundern, deren lebensfrohem Agieren man die wiederholten Selbstmordversuche, von denen im Film die Rede ist, kaum abnehmen mag. Cornell Borchers komplettiert das Szenario als herzkranke Sängerin, der als "VIP" ("very important person", allein dieser Ausdruck beweist schon, dass die Einteilung in wichtige und unwichtige Menschen keineswegs mit dem Untergang der einen oder anderen europäischen Diktatur zu Ende gegangen ist ...) in den Augen von Dr. Lund der Vorrang vor dem Leben einer Dirne gebührt.
Klar, dass von den guten Ärzten, die dank schachbrettartiger Schwarzweißmalerei sofort zu erkennen sind - nicht zuletzt, da durch die Eröffnungsszene der Schluss des Films vorweggenommen wird - mit großer Empörung dagegengehalten wird; am Ende gibt es dank poetischer Justiz noch Vergeltung wie von göttlicher Hand. Das mag zwar dem Gewissen des Zuschauers eine oberflächliche Befriedigung verschaffen, aber entweder ist der Film tatsächlich so subtil, sich zu hinterfragen, oder er stellt sich in seiner eigenen Heuchelei selber bloß: Auch die moralisch sauberen Ärzte wollen die Arbeit von Dr. Skrupellos natürlich weiterführen, nur einen "anderen" Weg gehen. Aber, diese Frage schließt sich an und wird natürlich nicht beantwortet: Werden die medizinischen Erkenntnisse, die sich aus menschenverachtenden Versuchen ergeben, von den Saubermännern unter den Medizinern eigentlich weggeworfen oder stillschweigend genutzt, da sie ja nun einmal da sind und es ja sonst Verschwendung wäre? Zu welchem Anteil beruht überhaupt das, was die Medizin heute zu tun vermag, auf genau solchen menschenverachtenden Entscheidungen, wie sie hier im Film vorgeführt werden? Statt solcher wirklich entscheidenden Fragen bekommt man hier einen plakativ hinkenden Nazi-Arzt vorgeführt, ein Abziehbild des Bösen aus der Vergangenheit, das einer neuen Generation zu der Illusion verhelfen soll, dank neuer gesellschaftlicher Spielregeln gegen menschenverachtendes Verhalten gewappnet zu sein.
Trotz handwerklich gelungener, wenn auch nicht sonderlich wagemutiger Inszenierung (der man z. B. einen Sizilianer mit einem ziemlich deutsch ausgesprochenen Italienisch ankreiden kann) und hochklassiger Besetzung (auch wenn einige Nebenfiguren so gut wie keine Funktion haben) dank eines flach und klischeehaft moralisierenden Drehbuchs samt heuchlerischem Ende letztlich einer der schwächeren deutschen Arztfilme der 50er.