Review

Nachdem "Die Spur des Falken" 1941 quasi den Grundstein für den Film Noir gelegt hatte, dauerte es nicht lange, bis Nachzügler die Gunst der Stunde zu nutzen wussten. Hollywood verwandelte sich daraufhin, zumindest zeitweilig, in ein düsteres Alptraumland, in welchem sich schöne Frauen in hinterhältige Furien und knallharte Ermittler in Schatten ihrer Selbst verwandelten. 1944 sollte schließlich auch der in die USA emigrierte Österreicher Otto Preminger seinen Beitrag zu dieser vielmehr Weltanschauung als Filmgattung repräsentierenden Welle der "Schwarzen Serie" (wie der Film Noir hierzulande betitelt wurde) leisten. Im gleichen Jahr, in dem Billy Wilder mit "Frau ohne Gewissen" ebenfalls ein repräsentatives Werk ablieferte, drehte Preminger "Laura", bei dem sich der Regisseur auch Krimielemente ala Agatha Christie zu Eigen macht.

Die Handlung beginnt mit dem grauenhaften Mord an der schönen Geschäftsfrau Laura (Gene Tierney), welchen der unnahbare Polizist Mark McPherson (Dana Andrews) aufzuklären versucht. Keine einfache Sache, erweisen sich Lauras Bekannte doch als wenig nützliche Informanten. Der arrogante Journalist Lydecker (Clifton Webb) enthüllt zwar Details über seine freundschaftliche Beziehung zu dem ebenso schönen wie geheimnisvollen Mordopfer, scheint aber vielmehr Interesse daran zu haben, ihren Verlobten Shelby (Vincent Price mal als umschwärmter Frauenheld) hinter Gittern zu sehen, da er ihn für den Mörder hält. Nach und nach verdichten sich die Hinweise darauf, dass noch etwas ganz anderes hinter der Geschichte steckt, als zuerst angenommen. Dass sich Mark zudem aufgrund von Geschichten und Porträts offenbar in Laura verliebt hat, macht seine Ermittlungen nicht gerade einfacher...

Wie Robert Siodmark in seinem zwei Jahre später entstandenen "Rächer der Unterwelt", bedient sich auch Otto Preminger der Rückblende. Allerdings setzt er dieses Stilmittel wesentlich wirkungsvoller ein, als Siodmark, bei dem es nur dazu diente, einen, im Grunde genommen recht simplen Plot, in "Citizen Kane"-Manier mit vorgetäuschtem Tiefgang zu füllen. Nun, in "Laura" gibt es nur wenige Flashbacks, die in erster Linie dazu dienen, die Titelfigur dem Zuschauer nahe zu bringen. Unterschwellig werden dabei auch falsche Fährten gelegt, was so manchem wohl erst beim wiederholten Ansehen des Films bewusst werden dürfte. Tatsächlich gibt sich "Laura" nämlich doppelbödiger, als viele andere Streifen dieser Art, was schon allein seine Struktur zeigt, die mehr wie einem "Who dun it", denn einem düsteren Großstadtdrama ähnelt. Der Film ist reich an Wendungen, was über die ein oder andere allzu dialoglastige Szene und die allgemeine Begrenzung auf "Indoor"-Sequenzen (ein Großteil der Handlung findet in Lauras Wohnung statt) mehr als hinwegtröstet.

Hinzu kommen die großartigen Darsteller, die bis in kleinste Nebenrollen hinein überzeugen. Dana Andrews ist absolut brilliant als Schnüffler, dem nach und nach bewusst wird, dass er dabei ist, einer Toten zu verfallen. Gene Tierney wiederum trifft genau den richtigen Ton zwischen lieblichem Unschuldsengel und zwielichtiger Schönheit (Stärken, die sie nur ein Jahr später in John M. Stahls "Todsünde" in einer deutlich finsteren Rolle wieder ausspielen konnte). Dagegen wetteifern Clifton Webb und Vincent Price geradezu auf der "Verdächtigen"-Skala, da beide ihre Rollen, trotz Hang zum Unsympathen, wenig furchteinflößend gestaltet haben, was das Misstrauen des Zuschauers ihnen gegenüber aber nur noch verstärkt.

Leider ist "Laura" einer dieser Filme, die vom Unwissen ihres Publikums lebten. Gerade dadurch wirken die gut dosierten Wendungen letztlich umso stärker. Wie schon bei so vielen Klassikern (von mir auch schon in meinem Review zu Bergmans "Die Jungfrauenquelle" angeprangert), wird auch hier gern zuviel verraten (das betrifft vor allem die wohl größte Wendung, die sich im Mittelteil ereignet), weshalb Zuschauer, die den Film noch nicht kennen, diverse Inhaltsangaben einfach überspringen sollten. Also: hören Sie nun auf zu lesen und sehen Sie sich stattdessen lieber "Laura" an! Denn hin und wieder kann weniger Wissen auch mal mehr sein.

Fazit: "Laura" gilt nicht umsonst als Film Noir-Highlight, auch wenn es zum Prädikat "Meisterwerk" dann doch nicht ganz reicht. Eine erstklassige Besetzung, die durchweg vorhandene Spannung, subtile Romantik und ein packendes Finale, das in Sachen Suspense durchaus einem Hitchcock gleichkommt, sind die großen Trümpfe dieses faszinierenden Juwels. Auch nach mehr als 60 Jahren noch eine sichere Bank für Cineasten!
8/10 Punkten

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