Review

Wohl kaum ein anderer Filmtitel jagte dem minderjährigen william_lee mehr Schauer über den Rücken als "Nekromantik": Die altbekannte Mischung aus Faszination und der bangen Frage, ob man je wieder ein Auge zutun könne, wenn der Film sich erst einmal in die Hirnrinde gebrannt hat. "Sado" war auch so ein Film, doch dieser Mythos zerbrach und hinterließ lediglich einen ziemlich mittelmäßigen Horror-Streifen, aber keinerlei bleibende Schäden. Einerseits erfreulich (wegen der Schäden), andererseits etwas traurig (wegen des Mythos). Zum Glück gibt es jedoch noch Mythen mit wahrem Kern, und wenn auch viele tausend Splatter-Fans enttäuscht ihre Kopie von Buttgereits erstem großem Wurf gleich wieder im Internet verscherbelt haben, bin ich doch äußerst zufrieden mit dem, was der gute Onkel Jörg da angerichtet hat.
Die Atmosphäre des Films ist von der ersten bis zur letzten Minute krank und bizarr, und dabei häufig erschreckend real. Dazu trägt nicht zuletzt die durch "Blair Witch" und ähnliche Spukgeschichten immer mehr etablierte Handkamera bei. Dabei verrät die Kameraführung häufig den etwas kruden Humor des Regisseurs, ebenso wie die raschen Wechsel zwischen realistischer und absurd-überzogener Darstellung, so z.B. bei der (andernorts gerügten) Selbstmordsequenz. Dort wie auch an einer Vielzahl anderer Stellen des Filmes weiß man tatsächlich nicht so recht, ob man lachen oder kotzen soll; etwa wenn Rob davon träumt, mit seiner Holden über eine Frühlingswiese zu laufen (natürlich in Zeitlupe) und sich die beiden dabei einen abgeschnittenen Kopf zuwerfen, begleitet von schmalzigsten Synthie-Klängen.
Die Story selbst entwickelt sich (man mag's kaum glauben!) recht subtil, der unbedarfte Zuschauer hat Anfangs gar keine Ahnung, welche Abgründe sich da vor ihm auftun werden. Und Buttgereit schafft es immer wieder, noch einen drauf zu setzen; da ist man schon etwas geschockt von Rob's makabrer und dabei sehr akribisch geordneter Sammlung von Leichenteilen und denkt sich "Der zieht gleich mit der Kettensäge los", aber nein: Seine Freundin tritt dazu, berät ihn sogar, wo er seine Neuerwerbungen aufstellen kann und scheint seine Neigungen durchaus zu teilen. Das sitzt.
Krönung des Ganzen ist natürlich die Bettszene zu dritt; wäre da nicht der etwas stille junge Mann mit der ungesunden Gesichtsfarbe und dem, naja, Augenproblem dabei, wär's Kitsch und Romantik pur, so aber ist man echt irritiert von den Bildern.
Die Splatterszenen sind ziemlich gut gemacht, aber laut Aussage von Buttgereit wurde ja z.B. in die Leiche auch enorm viel Arbeit gesteckt (sic!). Selbstzweckhaft wirken sie in keiner Weise; der Film ist insgesamt sehr hart, aber nicht als Vergnügungsausflug für Party-Splatter-Heads konzipiert. Es mag da ja jeder seine eigene Meinung vertreten, aber ich kann durchaus nachvollziehen, warum dem Film das Etikett "Kunst" verliehen wurde.
Einziger Wermutstropfen: Ich hab den Film als VHS-Tape gesehen, das passt zwar einerseits zum schmuddeligen 80er-Jahre-Charme des Films, andererseits ist das Bild manchmal doch arg dunkel. Da kann zwar der Buttgereit nichts dafür, doch das Filmvergnügen hat's getrübt. Sobald ich die DVD hab, gibt's einen Punkt mehr!

Wertung insgesamt: Hervorragend!

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