„Normal Adolescent Behavior“ – ein sehr direktes, in Gestalt einer „Coming of Age“-Geschichte der nicht gerade gängigen Art daherkommendes Teen-Drama – markiert das Regiedebüt von Beth Schacter, mit welchem sie ihr eigenes semi-autobiographisches Drehbuch umsetzte. Seine Premiere feierte das Werk auf dem 2007er Tribeca Film Festival, wo es die unterschiedlichsten Zuschauer- und Kritiker-Reaktionen auslöste. Diese Gegebenheit trug gewiss ihren Teil zu dem Entschluss der Verantwortlichen im Hause „New Line Cinema“ bei, den Titel im Zuge der DVD-Veröffentlichung um den Zusatz „Havoc 2“ zu erweitern, um auf diese Weise eine breitere Zuschauerschicht anzusprechen sowie vom namentlichen Wiedererkennungswert zu profitieren. Dass beide Produktionen, also diese hier und das 2005er Großstadt-Drama mit Anne Hathaway, über das grobe Alter der Hauptprotagonisten sowie der jeweils eher unkommerziellen Beschaffenheit hinaus nicht sonderlich viel gemeinsam haben, war dabei natürlich zweitrangig. In diesem Sinne sollte jeder bereits im Vorfeld seine Erwartungshaltung entsprechend adjustieren und sich auf einen eigenständigen Film einstellen, der sich inhaltlich mit den speziellen Problemen einer im Grunde behüteten Gruppe Vorstadt-Jugendlicher beschäftigt, die (bislang) in einem nach ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen geschaffenen „persönlichen Mikrokosmos“ aufgewachsen sind…
Wendy (Amber Tamblyn) ist Teil einer ganz besonderen, schon seit der Elementary School existierenden Clique, der noch Billie (Kelli Garner), Ann (Julia Garro), Jonah (Edward Tournier), Robert (Stephen Colletti) und Price (Ricky Ullman) angehören: Vereint bilden die High School Schüler eine abgeschottete Einheit, welche sie (u.a.) vor den Befangenheiten, Problemen und Belastungen ihrer Umwelt schützt. Sie akzeptieren einander wie sie sind, unterstützen sich wo nur möglich, sind die besten Freunde sowie sich gegenseitig in allen Belangen treu – auch in sexueller Hinsicht. Sie teilen sich einfach alles: Ängste, Gedanken und Körper. Ihre Zusammengehörigkeit ist von bestimmten „Ritualen“ geprägt, wie etwa dass sie persönliche Andenken in einer Schachtel aufbewahren und sich an jedem Samstagabend treffen, um den Partner (aus den eigenen Reihen heraus) zu tauschen und ungezwungenen, gefühlvollen Sex im gegenseitigen Beisein zu haben. Was die anderen Menschen um sie herum denken oder tun, das ist ihnen egal – sie sind glücklich, außerdem intelligent und attraktiv. Die Frage ist nur, wie lange das auf diese Weise noch gut gehen kann bzw wird. In Kürze steht unabwendbar der nächste Schritt im Leben an – nämlich der auf ein College führende. Obgleich Billie davon ausgeht, dass sie später alle Haus an Haus in einer netten Gegend wohnen und ihren intimen Bund unbeeinträchtigt fortsetzen, stehen bei einigen durchaus sorgenvolle Zweifel diesbezüglich im Raum…
Eines Tages begegnet Wendy ihrem neuen Mitschüler Sean (Ashton Holmes), der gerade nebenan eingezogen ist: Eine Freundschaft erkeimt, aus der sich nach und nach mehr entwickelt, was allerdings im Widerspruch mit ihren bisherigen „Leitsätzen“ steht – schließlich fühlt sie sich der Gruppe verpflichtet und möchte jenen intakten innigen Zusammenschluss nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Unweigerlich beginnt sie sich dennoch zu fragen, wie ein „normales Dasein“ wohl wäre, also das Führen einer traditionellen Beziehung mit einem festen Freund und einem wohlmöglich glücklichen Ausgang – etwas, das sie bislang immerzu als eine reine Märchen-Phantasie abgetan hat. Unaufdringlich und beseelt animiert Sean sie dazu, es doch mal (mit ihm) zu „probieren“ – eine schwere Entscheidung, da sie es kaum abzuschätzen vermag, ob er es wirklich wert ist, dass sie das bisher Geschaffene für ihn aufgibt. Letzten Endes riskiert sie es jedoch und vollzieht diesen gravierenden Schritt – nur will Billie das nicht zulassen, welche sich plötzlich mit einer erschreckenden Furcht vor der Zukunft konfrontiert sieht. Die ohnehin zerbrechliche junge Liebe wird infolge dessen auf mehrere unangenehme Proben gestellt. Zwar ist das Paar dazu bereit, füreinander zu kämpfen – nur wann wird die Belastungsgrenze wohl überschritten sein? Jener Punkt scheint erreicht, als Billie Sean Wendy´s Schachtel mit Andenken und Fotos zukommen lässt. Die gebotenen Impressionen zeichnen in seinen Vorstellungen unabwendbar ein mit seinen eher traditionell ausgerichteten Ansichten keinesfalls harmonierendes Bild seiner Freundin auf, weshalb er ihr gegenüber ein Ultimatum ausspricht: Wenn sie ihn „behalten“ möchte, soll sie die Gegenstände verbrennen und nicht mehr „zurückschauen“ – nur sind diese Dinge ein Teil von ihr, zeugen von einer Vergangenheit, für die sie sich nicht schämt bzw schämen will. Plötzlich konfrontiert mit dem Umstand, dass ausgerechnet die zwei Personen, für die sie so viel empfindet, jeweils nicht unerheblichen Druck auf sie ausüben, muss sie ihre nächsten Schritte genau abwägen…
Die Chancen dafür, dass es „Normal Adolescent Behavior“ gelingen könnte, die Aufmerksamkeit eines breiten Publikums zu erlangen, standen von Anfang an denkbar schlecht – ein Problem, mit dem unzählige intelligente und/oder unabhängig produzierte Werke zu kämpfen haben, und das sich weder mit einer Namenskorrektur noch deutlich sichtbar auf dem Cover platzierten „Unrated“-Einstufung lösen lässt. Als achtsamer Freund des Independent-Kinos war mir dieser überaus interessant klingende Film hingegen schon früh in den Blickpunkt geraten, weshalb ich mich auch sehr darauf gefreut habe, die DVD endlich in den heimischen Player einlegen zu können.
Während mich der einleitende (erste) Akt zwar zu unterhalten, allerdings noch nicht zu packen vermochte, wuchs meine Beachtung und Anerkennung im fortschreitenden Verlauf zunehmend an: Die sich entfaltende Geschichte sagte mir immer stärker zu, so dass sich auf inhaltlicher Ebene eine subtile Sogwirkung entwickelte, welche mich dem Ausgang der ganzen Angelegenheit erwartungsvoll entgegenfiebern ließ. Die zentrale Beziehung, inklusive all ihrer Facetten, ging mir zu Herzen, die ernsthafte und gänzlich unbewertende Herangehensweise an die brisante Thematik gefiel mir äußerst gut. Es ist faszinierend sowie im Ansatz ebenso erschreckend, wenn man sich mal konkret vor Augen führt, wie sich die Dinge in jener Altersschicht in den letzten Jahren verändert haben – zum Beispiel die Rahmenbedingungen des Aufwachsens, jetzt nicht nur in sexueller Hinsicht. Alles scheint sich früher zu vollziehen: Sex, freizügige Partys und Drogenkonsum unmittelbar nach Eintritt ins „Teen“-Alter oder Auslegungen á la „technisch gesehen ist man ja trotz Anal-Verkehr noch eine Jungfrau“ sind in jener Entwicklungsphase heute beileibe keine Seltenheit mehr – zu „meinen Zeiten“ (ich bin Jahrgang 1977) kamen solche Dinge erst deutlich später ins Spiel. Eine ganze Menge passiert im Verborgenen hinter verschlossen Türen – aber die Gesellschaft hat sich gewandelt, das ist nur allzu offensichtlich. Selbstverständlich variieren die Ausprägungen je nach Erziehung und Umfeld – und so entstehen dann Konflikte wie im vorliegend aufgezeigten Fall. Entsprechend der Betrachtungsweise unterscheiden sich ebenso die Anschauungen und Argumentationen: Was ist überhaupt „normal“, was „abnorm“...?
Die Clique verweigert sich der allgegenwärtigen Oberflächlichkeit um sich herum – es geht um echte Intimität, nicht um flüchtige sexuelle Erfahrungen mit wechselnden Partnern, sowie Schutz vor Einsamkeit und Isolation. Der Gedanke ist nicht ohne Reiz, denn eine solche Einheit bringt in bestimmten Abschnitten des Heranwachsens unzweifelhaft klare Vorteile mit sich – nur ist dieser Zustand halt nicht von Dauer, und die Gestaltung des betreffenden Übergangs der entscheidende Faktor. Den wechselwirkenden Umgang dieser sechs Personen zu sehen, ihre Erfahrungen und Leben untrennbar miteinander verwoben, erweckt einen zarten Eindruck, den selbst der Gruppensex-Aspekt in keiner Weise zu korrumpieren vermag. Vielleicht liegt es daran, dass eine Frau dieses fern von seichte Drama inszenierte, welches tatsächlich mal eine mehrschichtige, zum Nachdenken anregende Story mit Aussagekraft transportiert, statt sich nur auf Stereotypen, Klischees oder Angstszenarien der „Teen-Culture“ zu verlassen. Beth Schacter bewertet das Verhalten ihrer Protagonisten nicht, sondern zeigt es neutral auf. Souverän vermeidet sie es, den moralischen Zeigefinger zu erheben – stattdessen präsentiert sie spezielle Lebens-Gefühle und -Ansichten, die, sofern sie aufeinander treffen, aus nachvollziehbaren Gründen keine harmonische Koexistenz führen können.
Die portraitierten (Haupt-)Charaktere, welche im Zuge ihrer Konzeption hier zum Glück nicht in irgendwelche „schematische Schubladen“ gepresst wurden, hinterlassen allesamt einen umfassend authentischen Eindruck – sowohl von ihrem Auftreten (die Schauspieler sehen dem angedachten Alter entsprechend aus) als auch der Bandbreite der Emotionen und Verhaltensweisen her. Sie sind einem zu keiner Zeit egal. Ihre Reaktionen lassen sich nachvollziehen, selbst wenn diese recht sprunghaft daherkommen – in jenem Alter ist das nunmal so. Inhaltliches Kernstück der Handlung auf dieser Ebene bildet die einer extremen Belastungsprobe ausgesetzten Freundschaft zwischen Wendy und Billie. Erstere, großartig gespielt von der absolut natürlich auftretenden Amber Tamblyn (TV´s „Joan of Arcadia“/„the Grudge 2“), stellt sich zum ersten Mal die Frage, ob eine „klassische Beziehung“ nicht vielleicht doch eine erstrebenswerte Option für sie markiert – eine gewichtige Entscheidung, die sie dazu veranlasst, die bisherige Situation genau abzuwägen und zu prüfen. Billie (toll: Kelly Garner aus „Thumbsucker“ oder „Dreamland“) klammert sich geradezu verzweifelt an ihre persönliche Zukunftsvorstellung, welche untrennbar mit ihren bisherigen Weggefährten in Zusammenhang steht – ihre nach außen gekehrte bissige, manipulierende Natur entpuppt sich schnell als Schutzmechanismus, mit dem sie die eigene Angst und Unsicherheit zu übertünchen versucht. Ohne der Beständigkeit und verliehenen Kraft der Gruppe ist sie den Anfeindungen der Mitschüler, welche sie selbst stets ignoriert oder von oben herab behandelt halt, im Grunde hilflos ausgesetzt. Als Wendy sie „im Stich lässt“, greift sie im Prinzip aus Verzweiflung und Wut heraus zu unschönen Mitteln – nur ist es da bereits zu spät, der Punkt ohne Wiederkehr längst überschritten. Ashton Holmes („A History of Violence“/„Wind Chill“) liefert (als der eher konservative Sean) ebenfalls eine wirklich gute Leistung ab: Er ist ein typisches Vorstadtkind, das mit der ausschweifenden Vergangenheit seiner gefundenen Liebe einfach nicht zurecht kommt – daraus resultiert ein tendenziell kontrollierendes, mit ausgeübtem Druck verbundenes Verhalten, in dessen Rahmen er letzten Endes gar verlangt, dass sie sich von dem Getanen distanziert sowie eine entsprechende Form von Reue zeigt.
Die drei Leads teilen eine spürbare Chemie miteinander – die restlichen Darsteller agieren ebenso überzeugend, sind allerdings an weniger reichhaltige Parts gebunden, denen man durchaus mehr Aufmerksamkeit hätte widmen können bzw sollen. Die Produktion an sich wurde technisch hochwertig umgesetzt – von der jeweils unaufdringlichen Kamera- und Editing-Arbeit bis hin zur Zusammenstellung des Soundtracks wirkt alles absolut stimmig. Inhaltlich konzentrierte man sich in erster Linie auf die Kernpunkte der Handlung – Randbereiche vernachlässigte man hingegen bisweilen leicht. Ein Nebenhandlungsstrang zum Beispiel, der aufzeigt, wie sich Wendy´s verunsicherter jüngerer Bruder Nathan („Spy Kids“-Star Daryl Sabara) in Sean´s Mutter verknallt (die noch immer sehr attraktive Kelly Lynch, bekannt aus „Road House“ oder „Drugstore Cowboy“), injiziert eine Priese Humor ins Geschehen, mutet aber ein wenig konstruiert an und hätte nicht unbedingt sein müssen. Es wäre interessant gewesen, anderen Details mehr Aufmerksamkeit zu widmen: Die „sekundären“ Mitglieder der Freundesverbindung erhalten nur eingeschränkten Raum im Geschehen zugesprochen, einige ihrer individuellen Konflikte werden eher beiläufig abgehandelt – etwa scheint einer von ihnen in Wahrheit homosexuell zu sein, nimmt aber trotzdem an den „Ritualen“ teil, um nicht ausgegrenzt zu werden. Hinzu kommt die allgemeine Rolle und Verantwortung der (ihrerseits leider fast ausgeklammerten) Eltern. Kleine Schönheitsfehler im Gesamtbild, zugegeben, die man vom Gewicht her allerdings nicht überbewerten sollte.
Mit „Normal Adolescent Behavior“ ist Regiedebütantin Beth Schacter ein sensibles, intelligentes „Coming of Age“-Drama gelungen, das ausgewählte Probleme der wohl schwierigsten Phase des Heranwachsens vor dem Hintergrund der von Promiskuität geprägten heutigen Zeit auf feinfühlige Weise beleuchtet. Unter anderem geht es um Freundschaft, Liebe und Sex – inklusive aller damit verbundenen Erwartungen, Ansichten, Unsicherheiten, Entscheidungen und Verantwortungen. Es gelingt der talentierten Besetzung spielerisch, sowohl die rohen, sprunghaften Emotionen als auch die absolut natürlich anmutenden Dialoge glaubhaft zu präsentieren – unzweifelhaft markieren die seitens des Skripts clever gezeichneten (Haupt-)Charaktere die größte Stärke des Films. Trotz der schwierigen Materie lässt der Unterhaltungswert in keinem Moment zu wünschen übrig – im Gegenteil: Fortwährend vermag sich der mit Humor, Tiefsinn und einprägsamen Einzelsequenzen angereicherte Verlauf zu steigern (allein die „Spank me!“-Szene ist Gold wert). Selbst das an eine eindringliche verbale Konfrontation anschließende Ende ist in seiner Art genau richtig ausgefallen – das wahre Leben steht diesen Kids nämlich erst noch bevor … „7 von 10“