Liebe hat die merkwürdige Eigenschaft an sich, gleichermaßen kompliziert wie einfach zu sein, das weiß jeder, der sie mal erfahren hat. Das Studio MGM hat nach 80 Millionen Dollar Produktionskosten und nur der Hälfte des Einspiels in den USA feststellen müssen, dass es ebenso kompliziert sein kann, einen einfachen Film über das eigenwillige Wesen der Liebe zu machen, der das Publikum berührt und / oder begeistert. Nun ist das Publikum aus künstlerischer Sicht sicherlich nicht immer der Weisheit letzter Schluss, aber in diesem Fall kann man doch verstehen, dass die groß als Bruce Willis-Film angekündigte Gaunerkomödie nach Veröffentlichung enttäuschte. Barry Levinson, ein Mann der wechselhaften Qualität, scheiterte mit “Banditen!” eindeutig an seinen zu hoch gesetzten Zielen.
Was ist “Banditen!” eigentlich? Handelt es sich um eine Komödie? Ist es ein Liebesfilm? Haben wir hier ein Road Movie, oder doch eher ein Chasermovie, einen Actionfilm oder ein Beziehungsdrama? Ist es aufgrund der Tatsache, dass das Skript in Grundzügen auf einem Elmore Leonard-Roman basiert, nicht vielleicht doch eine Charakterstudie? Man wusste es vorher nicht so genau, und nach zwei Stunden ist man immer noch nicht viel schlauer. Es ist von allem etwas da, aber nichts davon in Reinform. Was sagte Ed Norton in “Fight Club” über Schlaflosigkeit? “Man ist immer wach - aber nie so richtig.” Hier verhält es sich ganz ähnlich. Man erwartet, dass der Film endlich mal eine Richtung konsequent einschlägt, doch darauf wartet man im Endeffekt vergebens.
Man muss sich als erstes schon fragen, welche Teufel die Macher geritten haben, eine so schwache Plotstruktur zu verwenden. Der Film öffnet mit flimmernden, unscharfen Aufnahmen aus einer TV-Show, in der die “Sleepover-Banditen” (die Idee des Gauner-Plots: die Häftlinge Joe [Willis] und Terry [Thornton] brechen aus dem Gefängnis aus, um dann Banken auszurauben, indem sie nachts an der Haustür der Bankdirektoren klingeln, mit ihnen in deren Heim die Nacht verbringen, um am nächsten Morgen in aller Ruhe zur Bank zu fahren und abzukassieren) ihre Motivationen und Vorgehensweisen verraten. Das Interview ist offenbar ein retrospektives, denn zwischendurch wird erwähnt, dass sie beide inzwischen tot sind. Mit diesem Wissensstand wird der Zuschauer dann in ausführliche Rückblenden entlassen, womit dem Ganzen wohl eine melancholische Grundstimmung verliehen werden soll. Es soll auch, das merkt man schon der Atmosphäre zu Beginn an, schließlich alles auf einen Plottwist hinauslaufen, der gerade durch die von Troy Garity (“Barbershop”) gespielte Figur so offensichtlich ist, dass ich mich frage, ob man die Zuschauer damit wirklich überraschen wollte oder schon annahm, dass man durchschaut werden würde. Jedenfalls passt ist der Twist ebenso wie die komplette Struktur des Plots unter der Prämisse, dass die Unvollkommenheit der Liebe im Mittelpunkt steht (darauf läuft mit zunehmender Dauer jedenfalls alles hinaus), einfach nicht in den Film hinein.
Womit wir zugleich schon bei einem Problem in der Figurenkonstellation wären. Eigentlich erzählt “Banditen” die theoretisch hochinteressante Geschichte von einer Frau, die den perfekten Mann sucht und ihn verteilt auf zwei Männer findet. Die Dreierbeziehung, die sich daraus ergibt, hätte Kevin Smith vermutlich hervorragend zu einer tiefemotionalen Geschichte verarbeitet, wie er es mit “Chasing Amy” bereits verstand. Bei Barry Levinson erreicht die Sache leider nicht die gewünschte Emotionalität. Wie bei vielen Dingen im Filmen ist zwar die Idee und der Anspruch zu erkennen, funktionieren tut es aber nicht.
Die Frage ist zum einen, was eine Figur wie Troy Garitys Fluchtwagenfahrer hier verloren hat. Er bedient lediglich die misskonzipierte Filmstruktur rund um Plottwist und Flashbacks und stört dabei innerhalb der Handlung nur als fünftes Rad am Wagen. Dass er selbst die Liebe in einer fremden Schönheit auf dem Highway findet, hat keinerlei Sinn für den Plot, außer unvorteilhaft von diesem abzulenken.
Auch das Drehbuch ist etwas merkwürdig ausgefallen und zu großen Teilen dafür verantwortlich, dass der Film genremäßig so schwer zu definieren ist. Alles beginnt mit einem seltsam einfach verlaufenden Gefängnisausbruch, der für eine Produktion auf diesem Niveau erschreckend einfallslos geworden ist. Von Liebe und Leid soweit noch nichts zu spüren, denn der erste Auftritt Cate Blanchetts lässt noch etwas auf sich warten. Erst müssen Willis und Thornton noch mit einem Textmarker eine Bank überfallen, bei einem (äußerst nervigen) Teenager-Liebespärchen (Was soll das? Liebe für alle Altersgruppen?) Unterschlupf finden, den alten Kumpel (Garity) besuchen und so weiter. In dieser Zeit bemüht sich Levinson um Charakterzeichnung seiner Protagonisten. In schriftlicher Form hört sich das auch wieder ganz nett an, denn Thornton spielt einen Hypochonder, der hinter jedem Makel den Tod befürchtet, und Willis spielt einen versauerten Träumer. Sieht man das Resultat auf der Leinwand, so ist hinter diesem seltsamen Buddygespann allerdings mehr Potenzial als tatsächlich davon gezeigt wird. Die Chemie zwischen beiden stellt nicht hundertprozentig zufrieden und der Wortwitz bewegt sich auf gemäßigtem Niveau. Selbst für hervorragende Situationskomik prädestinierte Momente wie das Abendessen mit der als Geisel genommenen Bankiersfamilie und einer heulenden Ehefrau wirken seltsam hölzern. Man versteht, woraus hier die Comedy gezogen werden soll, aber irgendwie funktioniert es nicht richtig. Das betrifft gleichermaßen die Tatsache, dass mit Gangsterklischees gespielt wird und Joe und Terry eben nicht die brutalen Rüpel sind, wie es ihre Herkunft vermuten ließe, sondern vielmehr ein Team aus einem lässigem Charmeur und einem nervösen Mitläufer, der sich offenbar gezwungen sieht, den verdutzten Zivilisten die anormalen Verhaltensweisen seines Kollegen erklären zu müssen. Das ist allenfalls nett, aber lange nicht, was es unter einem anderen Regisseur hätte sein können.
Obwohl mit dieser ausführlichen Charakterexposition die Zusammenkunft mit dem dritten Drittel der Einheit, Cate Blanchett, vorbereitet wird und damit ihre Notwendigkeit beweist, führt sie doch eindeutig auf die falsche Spur. Man erwartet aufgrund der Länge der Dauer von Ausbruch und Raubüberfällen, dass “Banditen!” nichts weiter sein will als eine Gaunerkomödie. Hiernach betrachtet enttäuscht der Film zu diesem Zeitpunkt bereits durch ein schlampiges Skript und höchst unoriginelle Passagen - wenn sich der Plot dann in der Mitte allerdings zu einer Liebesstudie dreht, kann man dem Film auch noch Inkonsequenz unterstellen. Dass Blanchett erst so spät eingeführt wird, anstatt bereits zu Beginn in ihrem trostlosen Leben gezeigt zu werden, ist meines Erachtens ein Fehler, da so überhaupt erst auf die falsche Fährte gelockt werden kann.
Dann endlich glaubt “Banditen!” sich auf eine Richtung geeinigt zu haben, denn in der zweiten Hälfte konzentriert sich alles auf die Dreiecksbeziehung zwischen Blanchett, Willis und Thornton, und je mehr Zeit vergeht, desto intensiver wird die Konzentration auf den Aspekt der Liebe. Mir persönlich überhaupt nicht gefallen hat dabei der weichgespülte Soundtrack, der zwar auf eine kitschige Art das Gefühlsleben der Protagonisten immer ganz gut trifft, ansonsten aber mit Songs wie “Total Eclipse of the Heart” unheimlich seicht wirkt. Das zerrt in meinen Augen etwas an der Glaubwürdigkeit der Story, die mir insgesamt etwas zu poetisch aufgezogen wird und mit etwas mehr Orientierung gen Realismus vielleicht besser funktioniert hätte.
Wie schon die Chaser-Movie-Comedy in der ersten Filmhälfte schlägt die Problematik “der perfekte Mann seid ihr beide zusammen” nicht völlig fehl, zehrt aber doch vorwiegend von ihrer Grundidee und erweist sich damit erneut als verschenktes Potenzial. Bei Willis fehlt es vielleicht auch ein wenig an Spielfreude oder ein anderer Darsteller hätte hergemusst, weil zumindest der sein stoischer Humor nicht so recht zum Film passen mag (wobei der ursprünglich angedachte Cast mit Willis und Val Kilmer noch schwerer vorzustellen ist). Wenigstens Cate Blanchett zeigt sich aber von einer guten Seite und stellt ihren Zwiespalt in den meisten Fällen ansprechend dar. Auch Thornton weiß mit seinen Hypochondermacken weitgehend zu überzeugen.
Fazit: Mit “Banditen!” schuf Levinson ein nur bedingt sehenswertes Plädoyer für Polygamie und Liberalismus, weil es an seinem eigenen Anspruch erstickt. Beginnend bei dem vertrackten Aufbau ist sein Film ein hoffnungslos überkonzipiertes Konstrukt irgendwo zwischen Chasermovie, Komödie, Liebesdrama und Road-Trip, dem zu keinem Zeitpunkt hundertprozentige Effizienz in irgendeinem Bereich gelingt. Dadurch, dass man die Absichten der Macher zumindest erahnen und selbst rekonstruieren kann, bleibt das Geschehen wenigstens leidlich interessant - die verschenkten Möglichkeiten sind aber grenzenlos.