„So enden wir alle mal: Jeden Tag brauchen wir eine stärkere Dosis. Bis unser Gehirn aussetzt und wir selbst am helllichten Tag furchtbare Alpträume haben. Und dann kommt der Augenblick, wo wir irgendwo winselnd in der Gosse verrecken!“ (Barton bringt das Leid Franco-Süchtiger auf den Punkt)
Im Jahre 1971 drehte der spanische Viel- und Billigfilmer mit der spanisch-deutschen Koproduktion „Der Todesrächer von Soho“ eine Neuverfilmung des (mir unbekannten) Romans „Der Tod packt seine Koffer“, den Krimiautor Bryan Edgar Wallace zehn Jahre veröffentlichte und der mit „Das Geheimnis der schwarzen Koffer“ im Jahre 1962 seine (mir ebenfalls unbekannte) Erstverfilmung erfuhr.
Wer in London plötzlich seinen Koffer gepackt vorfindet, muss berechtigte Sorge haben, kurz darauf von einem unbekannten Messerwerfer erdolcht zu werden. Inspektor Rupert Redford (Fred Williams, „Sie tötete in Ekstase“) begibt sich zusammen mit seinem Freund und Krimi-Autor Charles Barton (Horst Tappert, „Derrick“) auf die Spur des Killers. Während er aber mehr oder weniger auf der Stelle tritt, startet Barton auf eigene Faust Ermittlungen, die in die Drogenszene um einen berüchtigten Nachtclub führen. Ist Mediziner Dr. Bladmore (Siegfried Schürenberg, „Die Brücke“) der Mörder? Welche Informationen verschweigt die verruchte Celia (Barbara Rütting, „Der Zinker“)? Und warum hat Barton ein solch gesteigertes Interesse an der Aufklärung des Falls?
Nach „Der Teufel kam aus Akasava“ versuchte sich Jess Franco also an einer weiteren Wallace-Verfilmung, diesmal allerdings aus der Feder Wallace Juniors. Den Zuschauer erwartet eine konfus erzählte Geschichte, die fröhlich zwischen allen möglichen (und unmöglichen) Charakteren, Orten und Perspektiven hin und her springt und keinerlei Identifikationsfigur anbietet, geschweige denn die für einen Kriminalfilm so wichtige Spannung erzeugt. Was die absurden Abziehbilder an Rollen treiben und was ihnen zustößt, ist dem Zuschauer herzlich egal und ernstzunehmen ist quasi gar nichts davon. Horst Tappert als falscher Krimi-Autor ist in seiner Prä-Derrick-Phase aus heutiger Sicht lustig anzusehen, da man ihn eben in erster Linie mit seinen TV-Krimi-Ermittlungen in Verbindung bringt und wenn er eine Dame mit Benzin übergießt und sie anzuzünden droht, erscheint das reichlich skurril, doch ein sonderlich mitreißender Schauspieler war er nicht. Dass die Handlung es zu etwas Besonderem erklärt, dass ein Schriftsteller unter einem Pseudonym arbeitet, zeugt von wenig Einblick in die Materie (bitte sagt mir nicht, dass das in Wallace‘ Vorlage genauso vorkommt) und steht stellvertretend für zahlreiche redundante Dummschwätz-Dialoge, die mit intelligenter Ermittlungsarbeit so viel zu tun haben wie eine Giraffe mit Schlittschuhlaufen. Inspektor Redfords Ermittlungserfolge tendieren gen null, Franco zeigt ihn in allerlei Belanglosigkeiten und schweigt sich über seine wenigen geglückten, letztlich aber entscheidenden Kombinationen gar komplett aus. Den besten, wenn auch leider alles andere als dominanten Eindruck hinterlässt Barbara Rütting, deren Rolle nicht nur interessant ausfiel, sondern in die sie auch gut hineinpasst.
Die tödlichen Dolchwürfe klingen stets wie ein zum Vibrieren gebrachtes, gespanntes Gummiband, die komödiantisch angelegte Nebenrolle des Fotografen, die ihn zum nervigen, unlustigen Clown degradiert und fröhliche Soundtrack-Klänge während des Fenstersturzes einer Prostituierten machen aus „Der Todesrächer von Soho“ endgültig eine trashige Farce, deren tragische Thematik des Drogenmissbrauchs und des damit verbundenen Geschäfts reichlich aufgesetzt wirkt und die begleitet wird von saxophonlastigen Jazzklängen und Leierkastenmusik, mal mehr, mal weniger passend (s.o.) eingesetzt. Der amateurhafte Schnitt raubt allen, die immer noch versuchen, sich auf die Handlung zu konzentrieren und den roten Faden zu entdecken, den letzten Nerv, und zumindest auf der von mir zu Gemüte geführten VHS-Kassette geschieht vieles im absolut Dunklen bzw. ist nur schemenhaft zu erkennen.
Doch bei aller nichtvorhandenen Spannung, Nachvollziehbarkeit und dem Mangel an eigentlich allem, was einen guten Krimi ausmacht, unterhält „Der Todesrächer von Soho“ auf trashiger Ebene bisweilen passabel, bietet so einige amüsante Kopfschüttel-Momente und überrascht hin und wieder dann doch mit plötzlicher inhaltlicher Härte/Konsequenz und der einen oder anderen netten Idee. Vor allem aber wirkt das muntere Treiben auf groteske Weise immer wieder wie aus einem Paralleluniversum, in dem sich erwachsene Menschen wahlweise wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen oder wie schlafwandlerisch keiner irdischen Logik folgend verhalten und das ganz selbstverständlich als ihre Normalität betrachten. In Zusammenhang mit Tappert und Konsorten erscheint das wie ein schelmischer Streich, den Franco ihnen gespielt hat, was ihn im Vergleich zu den wahren Gurken des Regisseurs ins Mittelfeld hievt – wobei sicherlich auch etwas wohlwollende Dankbarkeit meinerseits mitspielt, diesmal nicht mittels absoluter Langeweile in den Prä-Abspann-Schlaf getrieben worden zu sein. Andererseits bin ich aber auch ein kleiner Krimi-Muffel. Insofern halte ich meine 5/10 für fair, zaubere mir aber auch ein debiles Grinsen beim Gedanken daran, wie unbedarfte Krimi- bzw. Edgar-Wallace-Freunde zu diesem Film greifen, aufs Gesicht. Noch einmal gucken möchte ich den Soho’schen Todesrächer aber bitte auf keinen Fall.