Mittelalterliche Mordinstrumente, nebelige Moor-Landschaften, ein prunkvolles Schloss voll undurchsichtiger Charaktere, finsterer Gewölbe und Geheimgänge, ein unheimlicher Mörder, ein genialer Schurke im Hintergrund und mittendrin: Siegfried Schürenberg als Sir John vom altehrwürdigen Scotland Yard - das sind die beliebten Zutaten eines jeden Wallace-Krimis und das sind auch die Stilelemente dieser späteren Verfilmung unter der Regie von Alfred Vohrer.
Deutschlands meist beschäftigter Drehbuchautor für Film und Fernsehen - Herbert "Derrick" Reinecker - schrieb nach den beiden "Hexer"-Stoffen und "Der Bucklige von Soho" hier erstmals unter dem Pseudonym Alex Berg das Buch zu diesem Schurkenstück.
"Die blaue Hand" - die blau gefärbte, mit messerscharfen Klingen bestückte Stahlklaue einer Ritterrüstung - wird zweckentfremdet, um einer Erben-Gemeinschaft nach dem Leben zu trachten.
Der Film selbst darf zu den besten Werken der späteren Wallace-Ära gezählt werden, dennoch erkennt der geübte Zuschauer Reineckers altbewährte Baustein-Methode beim Verfassen seiner Drehbücher:
mit "Der Hexer" erzählte er noch eine flotte Geschichte um hinterhältige Verbrecher und einen Gentleman-Gangster, der die Mörder seiner Schwester rächt, in der Fortsetzung wurde dann das typische "Habsucht- und Erbschleicherei-Motiv" aufgegriffen, dass in Reineckers weiteren Adaptionen wie "Der Bucklige von Soho", "Der Mönch mit der Peitsche" oder eben bei "Die blaue Hand" zum festen Bestandteil der Handlung wurde.
Um dieses Grundgerüst herum wechselte Reinecker von Drehbuch zu Drehbuch lediglich die Bausteine aus, gab den Charakteren und Ermittlern andere Namen, entwarf unterschiedliche Szenarien, doch im Grunde erzählten alle drei Krimis ein und dieselbe Geschichte, in der ein im Hintergrund agierender Superschurke die Fäden in der Hand hält um sich ein riesiges Vermögen anzueignen - durch Mord.
Ausführende Organe der brutalen Verbrechen sind stets willenlose, geistig verwirrte Werkzeuge, die aus verruchten Kaschemmen ("Der Bucklige") oder Irrenanstalten ("Die blaue Hand") rekrutiert werden und dem Schurken aus falsch verstandener Loyalität sklavisch ergeben sind.
Viele Handlungsstränge sind dabei identisch oder zumindest aus anderen Werken bekannt - bei "Der Mönch mit der Peitsche" zum Beispiel wird die Variante aus "Die blaue Hand" übernommen und der Mörder kommt aus dem Zuchthaus, wird für die Tat auf "Freigang" geschickt um die Tat auszuführen, und anschließend wieder in seine Zelle gebracht.
Diese "Baustein"-Methode hat sich letzten Endes bewährt - zwar führen diese Deja-Vus zu einer "Kennst Du einen, kennst Du alle"-Erfahrung, dennoch sorgen die clever und teilweise auch überkonstruierten Stories für angenehme Krimi-Unterhaltung und funktionieren einwandfrei.
Zurück zu "Die Blaue Hand":
Unter der routinierten Regie Alfred Vohrers entstand mit prominenter Besetzung ein ziemlich temporeicher Gruselkrimi, der trotz seiner Farbgebung zwar nicht die unheimliche Atmosphäre früherer Inszenierungen in schwarz-weiß erreicht, aber dennoch für einige Gänsehaut-Momente sorgen kann, die von Martin "Winnetou" Böttchers ungewohnt fetzigem Score passend unterlegt sind.
Harald Leibnitz, der verschmitzte Spitzbube aus den späteren "Frau Wirtinnen"-Erotikkomödien, tritt nach "Der unheimliche Mönch" ein zweites Mal als Inspector Craig in Erscheinung, der trotz ordentlichen Körpereinsatzes dem coolsten aller Yard-Ermittlern - nämlich unserem beliebten Inspector Higgins alias Blacky Fuchsberger - in keinster Weise das Wasser reichen kann.
Gemeinsam mit Siegfried Schürenberg als Sir John - der für den nötigen Humor bei dieser Böse-Buben-Ballade sorgt - hat er alle Hände voll zu tun, das undurchsichtige Geflecht aus Mord und Totschlag zu entwirren, bei dem Klaus Kinski in einem seiner besten Auftritte innerhalb der Wallace-Reihe seine Vielseitigkeit in einer Doppelrolle unter Beweis stellen kann.
Diana Körner spielt dabei ebenso überzeugend den obligatorischen Part, der sonst von Karin Dor dargestellt wurde, während der spätere Synchronsprecher Thomas Dannenberg in einer seiner ersten Filmrollen zu bewundern ist.
Doch ganz so undurchschaubar wie die Story vorgibt zu sein, ist sie im Grunde gar nicht. Wer eins und eins zusammen zählen kann wird sehr schnell merken, wie der Hase auf Schloss Emerson läuft.
Um dieses Manko in Reineckers Schurkenkabinett auszugleichen, wurden einige falsche Fährten gelegt um vom wahren Übeltäter abzulenken. Carl Lange als bestechlicher Anstaltsleiter ist dann auch nur einer von insgesamt drei Verbrechern, die im Finale der Gerechtigkeit zugeführt werden.
Bis es soweit ist schlägt die Handlung vor allem im letzten Drittel noch einige Haken und entlarvt dabei eine mörderische Intrige infernalischen Ausmaßes, die noch einige Wendungen parat hält. Letzten Endes ist es dann aber doch so, wie man es sich von Anfang an gedacht hatte, und die Entlarvung des Hauptschurken ist dann auch keine große Überraschung mehr.
Dennoch ist "Die blaue Hand" ein durchaus gelungener Krimi mit humorvollen Spitzen, inszenatorisch auf überdurchschnittlichem Niveau und trotz sattsam bekannter Versatzstücke von hohem Unterhaltungswert.
8/10