Wie infiltriert man Hollywood? Keine leicht zu beantwortende Frage doch wenn jemand eine Antwort darauf geben könnte, dann Paul Verhoeven – egal was er in der Traumfabrik berührte – mit Ausnahme von „Hollow Man“ verwandelte sich alles in Zinn – statt, wie sonst bei Hollywood-Arbeiten europäischer Regisseure oft zwangsläufig in Blech. Und bevor er mit seinem jüngsten Werk „Zwartboek“ Amerika dankenswerterweise den Rücken zukehrte goss er noch ein hübsches kleines Zinnfigurenkabinett: Die „Starship Troopers“. Egal was dem übel beleumundeten Werk auch im schlechten nachgesagt wird: Es ist falsch. Selten ist es einem europäischen Regisseur gelungen, mittels amerikanischer Millionen mit soviel Schadenfreude und Spott die der amerikanischen Gesellschaft eigenen Geschütze auf selbige abzufeuern. „Starship Troopers“ ist die vielleicht radikalste und im besten Sinne aggressivste Satire auf den allzeit bereiten militanten US-Staatsapparat und seine Mechanik seit Stanley Kubricks beißendem Geniestreich „Dr. Strangelove“. Wer das trotz der Brachialität und Aggressivität, mit der Verhoeven sein Publikum hier überfällt, nicht erkennt, hat den Wald vor lauter Bäumen nicht erkannt.
Bereits die ersten Einstellungen verströmen die subversiven Duftstoffe die sich im weiteren Verlauf ätherisch über den Film breiten und keine Zweifel über Verhoevens Intentionen lassen. Die Ästhetik von Jost Vacanos („Supermarkt“, „Das Boot“) Bildern empfindet ohne Kompromisse die Methodik der berüchtigten Army-Werbespots nach und Verhoeven etabliert früh sein prägnantestes Stilmittel: Klischees, Klischees und nochmals Klischees. Wir befinden uns nicht in einer zukünftigen Gegenwart sondern einer Kunstwelt, einer Soap aus dem Puppenhaus mit Ken und Barbie in den Hauptrollen. Sämtliche Figuren sind Archetypen der abscheulichsten Sorte, angeführt ausgerechnet vom uramerikanischen Ober-Utan Michael Ironside: Geschniegelt, ehrgeizig, patriotisch bis zum Persönlichkeitskollaps, todesmutig, stark und pfuiteuflisch gut aussehend. Ein Metall-Garten der Lego-Figuren im Kinderzimmer von General X.
Zwischen der Vorstellung dieser staubtrockenen Karikatur werden wir immer wieder scheinbar in den Demonstrationscomputer der Infanterie gesteckt der uns das System und seine Prioritäten erklärt – ganz so, also wolle er uns ebenfalls anwerben. Neben Todesgefahr winken uns Ehre, freier Waffengebrauch, ungehinderte Vernichtung minderwertiger Existenzen und Heldentaten in Tolle und Rolle. Dazwischen stellt uns Verhoeven Ken und Barbie vor. Ken nennt sich John Rico (Casper van Dien in der Rolle seines Lebens…) und Barbie Carmen (Denise Richards’ Hupen und Kulleraugen kommen prächtig zur Geltung). Ken hat schwer mit seinen unpatriotischen Eltern zu schaffen die ihm seinen jugendlichen Feuereifer für die Spezialeinheit austreiben und verhindern wollen, dass ihr Sohnemann ein ganzer Kerl wird. Der überspitzt gezeichnete Zank der Generationen, dieses verbale Gefecht ist ebenfalls Verhoeven pur und erleichtert es, einen reizvollen Bogen zu seinen frühen niederländischen Arbeiten zu spannen. Überhaupt ist „Starship Troopers“ trotz 95 Millionen Dollar Budget und diverser vom Drehbuch bedingten Einschränkungen 100 Prozent Verhoeven und dementsprechend ein selten hinterlistiger Blockbuster.
Als Beleg kann schon alleine die extreme, beinahe schon perverse Überstilisierung von Bauten und Figuren dienen. Das Faszinierende an dieser wesentlichen Art, mit der Verhoeven dem gigantomanischen Hollywood-Wahnsinn begegnet ist deren enorme Wandlungsfähigkeit. Erzählte er mit ihrer Unterstützung noch den oberflächlich als Erotikthriller konzipierten „Basic Instinct“ als irrealen, abstrakten Märchenfilm tut er hier das Naheliegendste und errichtet jene satirische Festung die „Robocop“ und „Total Recall“ schon im Ansatz waren. Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen – möglicherweise hat Verhoeven seinen ätzenden Rundumschlag sogar zu direkt und grotesk vom Stapel gelassen. Bezeichnenderweise wird „Starship Troopers“ immer aufs Neue als faschistoider Propaganda-Film missverstanden und deklassiert.
Die glatten Oberflächen, an denen man als Zuschauer vermeintlich abzugleiten droht, die beachtliche Anhäufung blutrünstigster Splatter – und sonstiger Schmodder-Szenen sowie besagter Hohn mit dem Verhoeven seinen Figuren begegnet gestalten es schwierig, den Vorwurf zynischer Tendenzen zu widerlegen. Bleiben wir vorerst bei den Figuren: Die sind streng genommen nicht einmal als solche zu begreifen. Ken und Barbie – mehr bleibt nicht, da wird sich selbst der größte Analytiker die Zähne ausbeißen. Sie sollen aber auch nicht mehr sein. Der zutiefst humanitäre Kern des Films - vorausgesetzt man akzeptiert die sardonische Färbung von Verhoevens eigenwilligem Humanismus - erschließt sich nicht aus den Figuren sondern durch sie hindurch. Wer begriffen hat, warum hier keine Charaktere sondern nur Roboter auftreten, hat im Grunde auch schon den gesamten Film erfasst. „Starship Troopers“ ist die Schreckensvision einer Gesellschaft, die alle individualistischen Bestrebungen, jeden respektvollen Umgang mit Menschen und eine verantwortungsvolle Lenkung ihrer persönlichen Entwicklung untergräbt. Doch warum auch sollte man diesen Dingen Aufmerksamkeit schenken? Wirklich von Bestand ist letztlich nur die todesmutige Heldentat für Vater Staat, ohne Rücksicht auf eigene Verluste oder schwächliche, feige Zivilisten, die sich gar nicht darüber im Klaren sind, wie gut es die besonnene Regierung mit ihnen meint. Johnnys Eltern werden hier als Prototyp dieser fleischlichen „Hindernisse“ ausgestellt und geben sich folgerichtig sehr „weltfremd“, pazifistisch und larmoyant.
Und der eigentliche Befreiungsakt, sprich: Der Eintritt in die mobile Infanterie, lässt wie kaum ein anderer Moment, bzw. eine andere Handlung einen Blick auf die Perversität dieses Systems erhaschen, das hier vermeintlich glorifiziert, in Wirklichkeit aber ebenso wütend wie augenzwinkernd und ungläubig angegriffen wird. Sein Unterhaltungswert – der freilich primär aus dem randvollen satirischen Package resultiert - ist vielleicht sogar einer der erstaunlichsten Effekte von „Starship Troopers“ den nüchtern und ohne Humor betrachtet hat Verhoeven im Grunde einen Alptraum und Abgesang auf eine Nation, die unfähig ist, mit politischen und ökonomischen Konflikten umzugehen, inszeniert. Daher setzt eine korrekte und vergnügliche Rezeption des Films unter Umständen auch ein gewisses Maß an contra-amerikanischer Skepsis voraus. Gerade in den USA dürfte Verhoeven eine beispielhafte Polarisierung geglückt sein: Die eine Partei mokiert sich über diese allumfassende, demütigende Schlammschlacht, die andere ist begeistert und setzt das Werk als Lehrfilm im Drill ein (Gerüchten zufolge tatsächlich so geschehen!).
Ach ja, Gerüchte. Nicht selten kommt mir zu Ohren, das Oliver Stones äußerst zwiespältiges Machwerk „Natural Born Killers“ eine Satire auf die zynische, sensationalistische Ausschlachtung von kriminellen Delikten durch die Medien wäre. Aus einer anderen Perspektive heraus ist „Starship Troopers“ die weit konsequentere, unmissverständlichere Diffamierung der insbesondere amerikanischen Massenmedien. Die bewusst extrem hölzern gehaltene Narration wird immer wieder von Nachrichtenmeldungen und Fernsehspots durchbrochen, auf die man beim Axel Springer-Verlag und bei Goebbels stolz wäre. Information und Bildung sind nicht länger Ziel der Öffentlichkeitsarbeit beim Fernsehen, Unterhaltung und Manipulation beherrschen die Röhre, nicht der Intellekt sondern der Wurmfortsatz, pardon, das Steißbein müssen sich weiter ausbilden. Es ist müßig zu erwähnen, das gerade heute die mannigfaltigen Parallelen zum Phänomen Bush und 09/11 den sarkastischen Ton des Films zufällig aber sicherlich nicht unfreiwillig ins Unermessliche potenzieren.
Herzhaftes Gelächter von Seiten des Zuschauers ist also sicherlich ganz in Paul Verhoevens Sinn und das vielleicht auch aus amerikanischer Sicht. Schließlich sollte es einem als Deutschen auch möglich sein, über einer bissigen Abrechnung mit der eigenen Gesellschaft wie sie beispielsweise jüngst mit „Deutschland privat – Im Land der bunten Träume“ unsere Kinos erreichte, zu schmunzeln. Trotzdem bedarf es dazu einer gewissen Toleranz, denn „Starship Troopers“ ist kein bequemer Film. Es ist durchaus legitim, dem johlend-geifernden Bug-Schlachten der Soldaten und ihren machohaften Sticheleien untereinander pikiert beizuwohnen. Natürlicher ist aber ein zustimmendes Nicken denn selbstverständlich nimmt Verhoeven – der in seiner atemlosen Reflexion aufs Ganze geht – nur Stellung zu dem aus seiner Sicht infantilen Gehabe innerhalb dieser Spezialeinheit, die sich zuletzt durch geistige Reife und erwachsenes Verhalten auszeichnet. Man fühlt sich an die geläufige Klischeevorstellung einer Hauptschulklasse erinnert. Übrigens an dieser Stelle auch bemerkenswert das die Urmutter der Bugs, der so genannte „Brainbug“, den Soldaten das Gehirn aussaugt.
„Starship Troopers“ ist die gesalzene und gepfefferte Quittung eines europäischen Regisseurs an Hollywood, eine Abrechnung und eine genüssliche Observation mit einer der peinlichsten Mutationen der amerikanischen Gesellschaft, die sich bis zum heutigen Tage hartnäckig gehalten hat. Seiner brachialen, schwer unterhaltsamen Satire sitzt der diebische Schalk schwer im Nacken, so schwer dass er bei manchem Zuschauer sicherlich auch über das Ziel hinaus schießt. Das allerdings spricht eher für seine Konsequenz und Willenskraft denn gegen seine Qualitäten als Regisseur und insbesondere als Autorenfilmer, der er Zeit seines Lebens war. Begleiten Sie uns in eine Welt aus Plastik in der all Ihre kühnsten patriotischen, kriegerischen und konservativen, militanten Phantasien wahr werden, in der Sie ohne Reue ballern und Siege erringen können, die nur von den schönsten und makellosesten Menschen bevölkert ist und in der eine Reflektion eventuell unmoralischer und reaktionärer Verhaltensweisen höchst unerwünscht ist! Lassen Sie die Sau raus für Ruhm, Ehre und Vaterland! Sie müssen sich dafür nicht schämen, seien Sie stolz darauf!