Die Macht der Nostalgie sollte nicht unterschätzt werden. Das eher müde Filmjahrzehnt der 80er Jahre wird heutzutage gerne von vielen Actionfans zur goldenen Zeit verklärt. Nur warum? Klar, immerhin spendierte uns dieses Jahrzehnt so Highlights wie "Die Hard", der heute längst zum Actionprototyp avanciert ist. Auch Filme wie "Terminator" oder "Aliens" haben das ihre zur Actionfilmgeschichte beigetragen. Aber um solche Filme geht es nicht wenn der geneigte Nostalgiker von der guten alten Zeit schwärmt. Viel eher sind solche Reißer wie "Conan der Barbar", "Missing in Action", "City Cobra" oder die Rambo-Reihe gemeint. Sie sollen blutig, geradlinig, humorlos (unfreiwilliger Humor zählt natürlich nicht) und das "einer gegen alle" Prinzip verfolgen. Daneben haben solche Filme noch eines gemeinsam, sie sind nämlich bis auf wenige Ausnahmen durch und durch reaktionär, stellen ihr antiquiertes und konservatives Wertesystem nötigenfalls mit Selbstjustiz wieder her und kämpfen daneben noch gegen die Liberalisierung der Gesellschaft. Natürlich darf man laut vieler Fans, dass ganze nicht ernst nehmen, und wer es dennoch tut der wird um einen vergnügten Filmabend gebracht. Neu war das allerdings schon damals nicht, John Wayne kämpfte bereits in den 50ern und 60ern gegen die "wilden Horden" und in den 70ern war es niemand geringerer als Clint "Dirty Harry" Eastwood der mit seiner 44 Magnum die Straßen von "Abschaum" säuberte. Charles Bronsen hat in dieser geselligen Runde, mit seinen Filmen wohl am unmissverständlichsten sein Plädoyer für Selbstjustiz abgeben dürfen. Nur in den 90ern schien diesem Treiben der gar ausgemacht worden zu sein. Den zynischen, brutalen, sexistischen und vielfach rassistischen Filmen weichte der so genannte politisch korrekte Film. Hier durfte man sich sicher sein, dass etwa jedem Actionhelden eine emanzipierte Actionheldin zur Seite gestellt wurde (siehe "Terminator 2") und keine ethische Herkunft vorenthalten und damit diskriminiert wurde ("Speed", man achte auf die Zusammenstellung der Insassen des Busses). Spätesten nach der Jahrtausendwende (oder doch erst nach 09.11) kam wieder vermehrtes Verlangen nach dem, wie es so schön heißt, "kompromisslosen" Film auf. Und diesem Verlangen wurde offenbar nachgegangen, Filme wie "Bad Boys 2", "The Punisher", "Man on Fire", "300" und Mel Gibsons "Apocalypto" beweisen es deutlich bzw. deren Einspielergebnisse.
Nun, als "Shooter" damals in die Kinos kam wurde in diesem Zusammenhang auch gerne von Old-School-Action geredet und nicht wenige fühlten sich an das Actionkino der 80er Jahre erinnert. "Shooter" ist in vielerlei Hinsicht altmodisch und sieht sich in der Tradition von brutalen Rache- und Survival-Actionfilmen. Aber anders als in der neu aufkommenden Welle des reaktionären Hollywoodactionfilms kritisiert "Shooter" offen die (Außen) Politik der USA. Dass wurde zwar schon in der Bourne-Trilogie thematisiert, dabei aber wesentlich verschlüsselter und in Andeutungen verbleibend. Vor allem die klare Rollenverteilung der Bösewichte an hohe republikanische (man beachte die Präsidentenbilder in den Büros) Regierungsbeauftragte macht "Shooter" zu einem in diesen Zeiten eher ungewöhnlichen Film des Actiongenres.
Bob Lee Swagger (Mark Wahlberg) der nach einem geheimen Einsatz, der seinem Freund das Leben gekostet hat, in Äthiopien zurückgelassen wurde und sich alleine durch die feindlichen Linien durchkämpfen musste, hat durch diesen Verrat seinen Glauben an die Militärmaschinerie und die amerikanische Regierung verloren. Verbittert und Verschwörungstheorien nachgehend lebt er weit abseits von der Gesellschaft in den Bergen, bis der Regierungsbeamte Colonel Isaak Johnson (Danny Glover) an seine Tür klopft und von ihm Informationen und seine Mitarbeit zur Verhinderung eines Attentats auf den Präsidenten erbittet. Johnson weiß welche Knöpfe er bei Swagger drücken muss und bringt ihm auch letztlich dazu, ihnen bei dieser vermeintlichen Rettungsaktion zu helfen. Natürlich stellt sich recht bald dieses ganze Unterfangen als riesengroße Verschwörung heraus in der Swagger der kalkulierte Sündenbock sein soll. Aber Swagger entkommt dem geplanten Mordanschlag und beginnt nach einer spektakulären Flucht und mit Hilfe des naiv anmutenden FBI-Agenten Nick Memphis (Michael Peña) einen Rachefeldzug zu planen und auszuführen.
Die Handlung besitzt wenige Überraschungen und bleibt die meiste Zeit über recht durchschaubar und wie schon gesagt recht altmodisch. "Shooter" erinnert vor allem in seiner ersten Hälfte an Filme wie "First Blood" und dank seiner Handlung und der damit einhergehenden langen Fluchtszenen an die Bourne-Filme, allerdings ohne den modernen und für viele recht hektischen Kamerastil zu übernehmen. Auch die schon angesprochene offen ausgesprochene Kritik an der Bush-Regierung erinnert an die Verschwörungsthrillertrilogie, auch wenn sie im Vergleich eher plump und nur wenig subtil daher kommt. Die zweite Hälfte setzt ganz auf Action im Stile des bereits angesprochenen 80er Jahre Reißers. Ist Swagger anfangs noch eher ein verwundbarer Held, so verliert er im Laufe des Films jeglichen Makel und kommt als alles dominierende Kampfmaschine daher, um mit den konspirativen und verbrecherischen Elementen seines Landes aufzuräumen.
Die auf den ersten Blick, für dieses Genre, sehr radikal und zynisch vorgetragenen Kritik auf die Aussenpolitik Amerikas täuscht allerdings ein wenig. Wie einst bei "First Blood" wird nicht die Sache an sich (Imperialismus, Chauvinismus und Krieg) kritisiert, sondern vor allem der interne Umgang damit. Die Verschleierungen gegenüber dem Volk und im Falle von "First Blood" das versuchte Totschweigen eines unpopulären weil verlorenen Krieges, bzw. der verschämte Umgang mit seinen Kriegsveteranen. Oft erlag man in diesem Zusammenhang dem Missverständnis, bei "First Blood" handle es sich um einen Anti-Kriegsfilm.
Trotzdem beweist "Shooter" ein wenig mehr Mut als sein Vorbild. Auch wenn er stets den "gesunden" Patriotismus seiner Hauptfigur unkritisch behandelt und verklärt, sprechen die sich im weiteren Filmverlauf herauskristallisierenden Grausamkeiten der Gegenspieler (Genozid äthiopischer Dörfer) eine deutliche Sprache und sollen wohl als offen formulierte Kritik an der Bush-Regierung und dem Irak-Krieg verstanden werden. Auch bedienen sich Swaggers Gegner einiger Folterpraktiken und erinnern damit sicherlich nicht unbewusst an die Methoden in Guantanamo Bay oder Abu Ghraib. Abgesehen von solchen Randerscheinungen bleibt der Film sehr stark in genreüblichen Mustern verhaftet, wohl auch nicht ganz unbeabsichtigt. Ist noch die erste Hälfte, bis auf gelegentliche dramaturgische Aussetzer spannend und temporeich erzählt, kommt es nach einem erklärenden aber auch ermüdenden Mittelteil zu einem martialischem und brachialem Schlussteil, der zwar einiges an routinierter Action zu bieten hat, dabei aber ideenlos und spannungsarm vor sich hin plätschert. Auch das eigentliche Selbstjustizfinale wirkt seltsam unpassend, selbst Fuqua hält laut eigenen Aussagen von diesem nach faulem Kompromiss stinkendem Ende nicht mehr all zu viel.
Unterm Strich bleibt "Shooter" anfangs ein recht spannender und unterhaltsamer Film, der in Fortdauer allerdings einiges an Fahrt verliert und es gegen brutale aber stets kurzweilige Actioneinlagen tauscht. Trotzdem, als geneigter Actionfan kann man hier wenig falsch machen.