Review

Noch vor einem halben Jahr hatte ich mir geschworen, nie wieder einen Slasher, bzw. einen sog. "Backwood"-Horrorfilm anzusehen. Zuviele Enttäuschungen mit unsagbar schlechten, belang- und vor allem einfallslosen Vertretern dieses Genres (zuletzt dem furchtbaren Remake von Wes Craven's "The Hills have eyes") führten dazu dass ich mich von diesem Genre und damit auch zunehmend vom amerikanischen Genre-Kino an sich distanzierte. Doch beim letzten DVD-Einkauf beschloss ich, einen neuen Versuch zu wagen. Und glücklicherweise erwies sich "Motel Hell" als der perfekte Beweis dafür, das es noch kleine Juwelen zu entdecken gibt, die aus der großen Masse dümmlicher Schlächter-Filme herausstechen und durch Einfallsreichtum statt durch stupide Schockeffekte und Atmosphäre statt hirnlosem Gemetzel zu glänzen wissen.

Der charmante Farmer Vincent (genial: Rory Calhoun), seines Zeichens der gutmütige, rechtschaffene und fleißgetriebene Amerikaner wie er im Buche steht und seine Schwester Ida (Nancy Parsons) betreiben ein kleines abgelegenes Motel. Nebenbei verkaufen sie ein in ihrem Umfeld vielgepriesenes Rauchfleisch. Was keiner ahnt: Die Delikatessen, die so hervorragend munden wurden keinen Schweinen aus den Rippen geschnitten sondern "Unfallopfern" für die Vincent allabendlich mit rührender Hingabe Bärenfallen und ähnliche Hindernisse auf der Landstrasse auslegt. Die Wagen des "Schlachtviehs" werden im See, die Insassen mit durchtrennten Stimmbändern in der Gartenerde versenkt so dass nur noch der Kopf herauslugt. Hier reifen sie ihrer Verwertung zu Wurst, Schinken und anderen Gaumenfreuden heran. Als jedoch die attraktive Terry einen Anschlag überlebt, führt dies zu Konflikten zwischen Ida und Vincent, da Terry sich bald an in lüsterner Gesinnung an Vincents gütigen Busen wirft...

Originalität und markante Charaktere waren noch nie die Stärke dieses Genres ("Backwood-Psychopathen-Slasher-Horror"), doch hier findet man gleich beides in wunderbarer Kombination vor und auch wenn sich viele Anhänger des Grausigen mit der schrägen Note des Filmes nicht ganz anfreunden werden können, da sie eben nun mal kreischende Teenies, die vom bösen Messerstecher beim Sex aufgestört wurden, gewohnt sind, so hat mich Kevin Connors zu unrecht vergessener Film gerade durch seine erfrischende Andersartig- und Unverbrauchtheit begeistert.

Nancy Parsons und Rory Calhoun sind ein herrlich skurriles Duo. Er, der gütige Farmer, der fleißig seine Arbeit verrichtet und nur das Wohl seiner Mitmenschen im Auge hat (Jau, das hat er, der Gute!!!), Sie, ein wohlgerundetes Etwas von dickem, resolutem Mädchen mit den Schweine-Pausbacken (das unterstützt schon wieder meine Theorie, das Metzger oft Schweinen deswegen so ähnlich sehen, weil sie sie die ganze Zeit essen!) strahlt den Eifer und das Temperament einer Dampfwalze aus. Einfach göttlich. Die beiden haben für mich zweifelsfrei einen höheren Kultfaktor als Michael Myers, die Kannibalen-Familie aus "TCM" und Jason Vorhees zusammen! Und das beste ist, das sie (Calhoun und Parsons) als Schauspieler auch wirklich ihr bestes geben und in ihren Parts total aufgehen. Es ist ja auch nicht gerade die Regel, in dieser Art von Film, die sonst stets von dummdreisten jugendlichen Knallchargen bevölkert wird, einmal zwei Hauptdarsteller anzutreffen, die echtes Charisma versprühen und obendrein noch älter als 20 sind und sich nicht ausziehen! Auch die restlichen Rollen sind sehr schön besetzt und damit hat der Film von mir schon mal fast die volle Punktzahl in Punkto Schauspiel (leider gibt es einige Nebendarsteller, die auf höchst karikative Weise überchargieren, aber das war wohl als humoristische Einlage so gewollt und wird von mir wohlwollend jenseits der Niederungen des Trash angesiedelt).

Eigentlich sträubt sich in mir alles, zuviel von dem besagten Ideenreichtum zu verraten (die Geschichte selbst ist eher das übliche) da jeder selbst seinen Spaß daran haben sollte. Aber alleine die fiese Idee, das zwischen Kohlköpfen und Kartoffeln auch Menschenköpfe "gedeihen" und sich aufgrund durchtrennter Stimmbänder nicht bemerkbar machen können sollte schon verdeutlichen, das hier ein vergleichsweise erfinderischer Autor am Werk war, der sich darum bemüht hat, alle unmöglichen Tücken eines Wochenend-Ausflugs aufs Land mit einzubeziehen....

Obwohl "Motel Hell" als durchaus ernsthafter Horrorfilm funktioniert, besticht er stellenweise auch mit einem extrem hinterhältigen und nachtschwarzen Humor.
Zitat Vincent:

"Alle Menschen im Umkreis von 100 Kilometern essen hier Menschenfleisch- und es schmeckt ihnen, was soll daran falsch sein?"

Dieser Satz drückt die makabre Note des Filmes sehr treffend aus. Denn Vincent ist, wie schon beschrieben der Inbegriff des sympathischen amerikanischen Farmers Mitte 50, wie er einem auch in der amerikanischen Realität auf Werbetafeln und in TV-Spots gewisse Waren schmackhaft machen soll. Und jedermann liebt sein köstliches Rauchfleisch so sehr!!! Und natürlich ist er auch tiefgläubig! In seiner Flimmerkiste laufen tagein, tagaus nur TV-Gottesdienste, in denen "Priester" Spenden fordern! Und natürlich will er erst mit Terry schlafen, wenn die beiden Mann und Frau sind!

Somit wandelt Connor (übrigens selbst Brite) auf den Spuren von George A. Romero und würzt sein Werk mit einer gehörigen Dosis Sarkasmus und bissiger Kritik an der amerikanischen Konsumgesellschaft (Die Darstellung der verfressenen, fetten Ida erscheint, sieht man sich die Amis heute mal an, wie eine weise Zukunftsvision ;-) und "Motel Hell" gerät tatsächlich zu einem Frontalangriff auf ein idyllisch-verklärtes Bild amerikanischer Ideale (Der Ur-Amerikaner schlechthin ist hier der formvollendete Psychopath!). Und Vincents Bruder, der Sheriff der nahen Kleinstadt wird als hirnloser Volltrottel gezeichnet! So bereitet "Motel Hell" dann auch noch durch seine contra-amerikanische Gesinnung diebische Freude! (Besonders toll fand ich auch den TV-Pfarrer, der dem Sheriff einen "Hustler" entwendet und ihn mit einem >erschütterten< "Oh Herr!" in seiner Aktentasche verschwinden lässt!)

Auf graphische Gewalt wird weitgehend verzichtet (natürlich ist der Film trotzdem indiziert), auch wenn die Story mehr als einmal ausgiebige Gelegenheit dazu geboten hätte. So resultiert der Unterhaltungswert aus dem dichten Gesamteindruck, den erwähnt großartigen Protagonisten sowie der vielen amüsanten Einfälle und einer übrigens auch sehr gelungenen musikalischen Untermalung. Aus diesen Gründen vermisst man auch wirklich keinen einzigen Blutstropfen und wird über die gesamte Laufzeit bestens unterhalten und am Schluss gibt es zumindest eine wirklich saftige Szene.

"Motel Hell" (dt. "Hotel zur Hölle") ist wahrscheinlich eine der besten Epigonen des "Texas Chainsaw Massacre", temporeich, spannend, stimmungsvoll, gut gespielt, originell und mit makaberem Humor gewürzt hat Kevin Connor hier ein unvergessliches Kleinod kreiert, das trotz seines sensationellen Kultfaktors leider etwas in Vergessenheit geraten ist und sich eine Renaissance durchaus verdient hat. Allen, denen ebenso wie mir amerikanische Genre-Filme stets "gleich" uninteressant erscheinen, ist diese vergnügliche Metzger-Mär hiermit wärmstens empfohlen!
(Und folgt ruhig einem guten Omen: Die Verkäuferin, die mir den Film verkaufte sah Ida frappierend ähnlich!!!)

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