Review

Die Drehbuchautoren in Hollywood streiken. So etwas gab's bisher noch nie. Wenn diese Drehbuchautoren nun zur Zierde ihrer Zunft gehören würden und ihre Drehbücher so viel besser wären, als die ihrer Vorgänger, würde ich ihnen den Streik, zu dem sich besagte Vorgänger ja nie getraut hatten, durchaus gönnen. Leider ist das Gegenteil der Fall: Ich weiß nicht, ob es an meinem mittlerweile mittleren Alter liegt, aber ich habe den Eindruck, dass Drehbücher lange Zeit nicht in Massen dermaßen einfallslos und blödsinnig waren, wie in den letzten Jahren. Lasst also die Drehbuchautoren streiken und ersetzt ihre Ideen durch ein Computerprogramm. Dieses Programm könnte dann standardmäßig folgende Parameter aufweisen:

1. Ein beliebiger historischer Handungszeitraum.
2. Hierauf aufbauend eine pseudohistorische Geschichte, die mit bekannten Namen und Orten der Vergangenheit spielt.
3. Kostüme aus dem Fanatsyfilmfestverleih dazu packen.
4. Die Handlung mit einer Liebesgeschichte garnieren, auch wenn diese noch so dünn daher kommt Damit wäre dann das Thema weibliche Zuschauer abgehakt).
5. Anspielungen auf wichtige Ereignisse einbauen, auch wenn diese völlig aus der Luft gegriffen sind (hat bei Sakrileg ja auch wunderbar funktioniert).
6. Unterschiedliche Charaktere einbauen, denen man allerdings weder viel Text geschweige denn einen Hintergrund verpassen muss (Hauptsache, der dicke starke Schwarze ist dabei).
7. Eine Schlachtszene muss natürlich auch noch rein.
8. Zumindest ein bekannter Schauspieler sollte mitspielen, irgendjemand wird sich schon finden, der da mitmacht.

Fertig ist ein gutes Dutzend Hollywoodproduktionen der letzten Jahre... Und eine davon ist Die letzte Legion.

Und um ganz sicher zu gehen, dass sich auch ja niemand an diesem Filmchen reibt, bügeln wir es noch eben ganz doll glatt. Nicht zuviel Blut zeigen, keine nackte Haut, keine Symphatieträger einfügen, keine charismatischen Figuren benutzen, keine historischen Berater einstellen, nur nicht viel für die Musik ausgeben (sowas gibt's in Hollywood anscheinend mittlerweile fertig vom Sampler), keinen engagierten Kameramann arbeiten lassen, und am besten die Hälfte der Produktionskosten in die eigene Tasche wirtschaften. Wird schon niemandem auffallen.

Worum aber geht es nun in Die letzte Legion?
Um es lang zu machen: Der Erbe Julius Cäsars ist ein kleiner Junge, der am Tag nach seiner Krönung von Goten überfallen wird (einer von denen heißt Wulfila, diesen Namen hat bestimmt schon einmal jemand gehört, wenn auch in völlig anderem Zusammenhang - klingt aber dadurch echt authentisch), die plötzlich innerhalb weniger Minuten nicht nur ganz Rom überfallen und in Brand gesteckt haben, sondern quasi wie aus dem Nichts mit einer kleinen Armee direkt vor den Türen des Kaiserpalastes auftauchen, so dass nicht einmal Zeit bleibt, das Tor zu verschließen. Ja, das waren schon rechte Haudegen, diese Goten. Natürlich sind sie echt fies, töten den Vater und die Mutter des Jungen (der übrigens auf den Namen Romulus Augustus (Thomas Sangster) hört - hat vielleicht auch schon einmal jemand gehört, nur in einem anderen Zusammenhang) und entführen Letzeren. Der Junge hat übrigens einen Lehrmeister, nennen wir ihn einfach mal Ambrosinus (Ben Kingsley). Ja, klingt auch wie schon tausend Mal gehört, aber wer möchte denn kleinlich sein? Dieser lehrt den Jungen - ja, was eigentlich? Irgendwas edles vermutlich, auf jeden Fall kann dieser Ambrosinus klasse Zaubertricks aus dem Ärmel schütteln und dazu auch noch kämpfen.
Der junge Romulus hat dann noch einen Beschützer, den Anführer der ganze 5 Personen zählenden kaiserlichen Leibwache, Centurio Aurelius (Colin Firth). Später kommt dann noch eine wahre Amazone dazu, die Kämpferin Mira (Aishwarya Rai). Die sieht niedlich aus und kämpft, wie es alle kampftüchtigen Amazonen in den letzten zehn Jahren auf der Leinwand getan haben: irrsinnig geschickt mit zwei Klingen, einem mechanischen Klappdolch und Kickboxing. Ganz allein metzelt sie dutzende gefährlicher Goten nieder, ist aber natürlich dem smarten Centurio Aurelius dermaßen unterlegen, dass er sie in einem kleinen Schaukampf, der wie eine Art Paarungsritual wirkt, ganz lässig auf ihre mangelnde Deckung hinweist. Ihre diesbezügliche Frage "Wo bin ich nun offen?" möchte ich hier stellvertretend als Beispiel für eine ganz hervorragende Dialogführung anführen (auch wenn man es vermuten könnte, diese Frage ist im Film keineswegs doppeldeutig gemeint).
Drahtzieher der Entführung des jungen Romulus ist niemand anders als der Gotenkönig Odoaker, der sich dann aufgrund des beherzten Auftretens Ambrosinus' dazu entschließt, den rechtmäßigen römischen Kaiser nicht hinzurichten, sondern gemeinsam mit dessen Lehrer auf die Insel Capri ins Exil zu verbannen. Wer will auch schon aus einem zehnjährigen Jungen einen Märtyrer machen? Dann lieber ab ins Exil mit ihm, damit fortan unzählige Kaisertreue die Gelegenheit zu seiner Befreiung erhalten.
Wer Capri noch nicht kennt: Capri ist ein etwa 500 Meter steil in die Luft ragender Felsen mit einer Grundfläche von gefühlten 1000 Quadratmetern. Immerhin als so wunderschön befunden, dass ein Vorfahr Romulus' auf dessen Spitze einen kleinen Sommerpalast erbaut hat, der mit einem sehr interessanten Kellersystem versehen ist. Geheimtürchen inklusive.

Ach ja, es geht natürlich noch um viel mehr, in diesem historischen Meisterwerk: Es gibt ein sagenumwobenes Schwert, dass die Briten einst aus einem Meteoriten anfertigten, und zwar für den rechtmäßig anerkannten Führer schlechthin: Gaius Julius Cäsar (und seine Erben). Ja, die britannischen Kelten haben diesen Eroberer und seine Nachfahren sicherlich sehr lieb gehabt. Und Cäsars Gerechtigkeitssinn und Ehrgefühl waren ja schon damals weit bekannt. Aber ich schweife ab...
Dieses Schwert wird natürlich genau im Keller des Palastes auf Capri versteckt und ist durch einen Geheimgang (sowie durch einen simplen Kanaldeckel, einige Seitentüren und vielleicht sogar noch durch einen Fahrstuhl) erreichbar. Auf jeden Fall ist es interessant, auf wie vielen Wegen Goten, Römer, der junge Romulus und die schöne Mira allesamt irgendwann auf ihrer Hatz durch den Palast an diesem seit Jahrzehnten verschollenen Geheimversteck vorbei kommen.
Diese Hatz entsteht dadurch, dass Romulus und Ambrosinus von den 5 Römern und Mira befreit werden, die hierzu einfach mal an einem Seil die 500 Meter senkrechte Felswand empor klettern. Das kleine Böötchen, mit dem sie vorher gut sichtbar auf die Insel zugeschippert waren, ist natürlich von jedem wachhabenden Gotenbewacher pflichtgemäß übersehen worden. Als Fluchtweg benutzen Aurelius und Mira schließlich den direkten - nämlich den Luftweg. Also 500 Meter hinunter ins Mittelmeer hopsen. Da das Budget von angeblichen 67 Millionen Dollar für ein paar Strohsäcke, die man die Klippen hätte hinunterwerfen können, leider nicht mehr ausgereicht hat, sehen wir als Zuschauer lediglich die letzten 3 Meter dieses faszinierenden Sprungs. Unnötig zu erwähnen,dass sich nicht einer der Goten getraut, diesen Platscher nachzuahmen.

Nach so gelungener Flucht folgt der völlig unerwartete Verrat der bisherigen Verbündeten unserer Helden, deren feiger Tod durch gerecht geführte Klingen, eine Reise nach Britannien und eine echt uninteressante und undramatische Schlacht, die sie gegen einen keltischen Fürsten führen, dessen Gesicht von einer goldenen Maske verborgen wird. Und obwohl die Römer vorher in blutigen Kämpfen Britannien unterworfen und unsägliche Steuern von der Bevölkerung erhoben haben, hassen alle Kelten den echt fiesen keltischen Fürsten, der die Bauern in Frieden leben lässt und Britannien vereinen möchte und bejubeln die Römer als ihre Befreier. Warum ist eigentlich egal, aber gut zu wissen, dass alles seinen gerechten Lauf nimmt.

Der Bösewicht wird also besiegt, das Schwert landet in einem Stein und ganz plötzlich, und ohne dass wir uns dieses erbärmliche Ende bereits seit der zwanzigsten Filmminute an gedacht hätten, entpuppt sich Romulus als der spätere Uther Pendragon, Julius Cäsars Schwert als Excalibur und Ambrosinus als Merlin.

Und mit einem entspannten Lächeln im Gesicht nicken wir weise und denken uns "Ja, dass sich das damals so zugetragen hat, haben wir schon immer genau so vermutet."

Ach ja... da war doch noch diese Liebesgeschichte. Also... Mira, die starke Schwertamazone ist in Wahrheit ganz arg in den schneidigen Aurelius verliebt, so dass sie eines nachts einfach in sein Bettchen steigt. Dazu brauchen wir keine Vorgeschichte, auch keine Liebesszene, so wichtig ist die Sache ja nun auch nicht. Am Ende jedenfalls heiraten die beiden und adoptieren den jungen Romulus, der daraufhin ein echt weiser Herrscher wird. Ja, so einfach kann das manchmal sein.


Bitte, liebe Drehbuchautoren aus Hollywood, streikt fleissig weiter und legt am besten aus Protest Eure Arbeit vollständig nieder. Sollen die blöden Filmstudios und Filmfans doch sehen, was sie ohne Eure erhebenden Stroryeinfälle künftig für Schund zu Gesicht bekommen werden.

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