Nach einem Amoklauf oder Aufdeckung der Verbrechen eines Serienmörders oder Kinderschänders sind die Medien oft voll von nichts sagenden Interviews mit den Nachbarn bzw. Bekannten des Täters. Regelmäßig fallen Phrasen wie „das hätte man ihm nie zugetraut“ oder auch sehr beliebt ist: „er war ein so zurückhaltender und ruhiger Mensch“. Eben einer dieser ruhigen Menschen, in deren Inneren es bedenklich brodelt, ist Bob Maconel (Christian Slater). Kurz vor seinem eigenen Amoklauf, den er sich schon lange detailliert ausgemalt hat, kommt ihm ein ebenso verzweifelter Kollege zuvor und wie es der Zufall will, bringt Bob den Amokläufer zur Strecke. Der verwirrte, geisteskranke Mann wird als Held gefeiert, sein soziales Leben ändert sich schlagartig und mit Vanessa entdeckt er sogar zaghaft die Liebe. Vanessa wurde angeschossen bei besagtem Amoklauf und ist von nun an ab dem Hals gelähmt. Als sie Bob bittet ihr beim Selbstmord zu helfen, sagt er zunächst zu doch im letzten Augenblick kann er es nicht tun. Der Wutanfall, den Vanessa daraufhin bekommt, ist ausschlaggebend für eine minimale Bewegung ihres Fingers. Neue Hoffnung scheint in das Leben der beiden zu treten.
Eingehüllt ist diese ungewöhnliche Geschichte, die sich gekonnt zahlreicher bekannter Storyzutaten bedient um einen frischen Genre-Cocktail zu servieren, in eine ebenso extravagante Optik und einen gediegenen Trip-Hop-Score. Brandon Trost erweist sich als kreativer Kameramann und lichtet jedes Bild überlegt ab, in Kombination mit dem edlen Set-Design greift er auf diverse optische Verfremdungen zurück und lässt so die Kameraarbeit entscheidenden Anteil am Funktionieren des Films tragen. Beeindruckend expressiv visualisiert „He was a quiet Man“ die emotionale wie soziale Entfremdung der Hauptfigur von seiner Umwelt. Autos rauschen im Zeitraffer vorbei, grelle Beleuchtung überzieht die wenigen Szenen im Freien, gut getimte und umgesetzte CGI-Effekte unterstreichen den gewollt künstlichen Look, der zusammen mit dem fiebrigen Soundtrack einen durchaus synthetischen Stil erzeugt. Frank A. Cappellos erste Regiearbeit nach Jahren ist modern, überstilisiert, kalt fotografiert – und hat dennoch Herz.
Christian Slater ist nach einem viel versprechenden Karrierestart leider abgesackt in niedere B-Movie-Gefilde und war in den letzteren Jahren meist in Schrott a la „Alone in The Dark“ oder „Mindhunters“ zu sehen. Nach seiner Nebenrolle in „Bobby“ blüht Slater hier wieder schauspielerisch auf, spielt dankbar an gegen seine eigenen Rollenklischees. William H. Macy spielt dagegen gewohnt routiniert, auch wenn seine Rolle ebenfalls nicht dem Klischeeprofil seiner anderen Rollen entspricht. Der Film steht und fällt allerdings nicht mit Macy, der als Nebendarsteller eher austauschbar bleibt, sondern auf der Beziehung zwischen Bob und Vanessa. Elisha Cuthbert kann in der weiblichen Hauptrolle erstmals darstellerisches Können beweisen und legt ihre Rolle sehr ambivalent und unberechenbar an. Vielleicht liegt ihre charakterstarke Vorstellung auch in der Tatsache begründet, dass sie nicht auf ihre Sexualität reduziert wird und mehr als ein üblicher Love Interest für den Hauptdarsteller ist.
Wann immer „He was a quiet Man“ in bekannte Genre-Muster zu verfallen droht schlägt er geschickte Haken um seine Unberechenbarkeit aufrecht zu erhalten. Dies gelingt meist sehr subtil, beispielsweise als Bob und die gelähmte Vanessa beim Karaoke gemeinsam auftauen und sich eine harmonische, romantisch angehauchte Stimmung breit macht. Die aufgekeimte Idylle wird jäh durchbrochen von einer Peinlichkeit für Vanessa, die ihren Körper nicht mehr unter Kontrolle hat. Unter entsetzten, teilweise sogar belustigten Blicken verlassen die beiden das Lokal und befinden sich wieder in ihrer gefühlskalten Isolation. Die zart gesponnene Liebesgeschichte ist dermaßen bitter erzählt, dass ein tragischer Ausgang unvermeidlich scheint. Und leider entpuppt sich die allzu abrupte Auflösung als recht gehaltloser Story-Twist von der Stange – dieses seltsam simple und logisch recht unglaubwürdige Ende zerstört viel der Vorarbeit, die der Film bis zum Schluss leisten konnte. Weniger wäre vielleicht mehr gewesen und ein nicht so konstruierter, subtilerer Schlusspunkt hätte dem Film besser gestanden.
Cappello, der auch das Drehbuch schrieb, liegt es offensichtlich fern Slater als coolen Antihelden auftreten zu lassen, der mit zynischen Sprüchen in den Kampf gegen die Gesellschaft zieht. Bob Maconel ist kein Tyler Durden, er ist ein unauffälliger, zutiefst unglücklicher Mensch, in dessen innere Abgründe der Zuschauer sowohl auditiv als auch visuell hinein gesogen wird. Selbst bizarre Details wie der sprechende Zierfisch, der Bobs Nihilismus in Worte fasst und kultverdächtig trockenen Humor zeigt.
Fazit: Frank A. Cappello gelang mit „He was a quiet Man“ ein vor allem optisch und schauspielerisch beeindruckender Film, der mit stimmiger Farb- und Musikdramaturgie aufwarten kann, durch das etwas substanzlose Ende aber leider viele Möglichkeiten verschenkt. Dennoch unterm Strich ein sehr ungewöhnlicher Film mit nachhallender Wirkung, den seine vielen kleinen Schwächen eher sympathisch machen und der bis auf den Schluss-Twist mit origineller Unterhaltung begeistern kann. Ca. 7,5 / 10