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Die Horrorfilmgeschichte des vergangenen Jahrhunderts ist reich an skurrilen Monstrositäten. Man denke nur an die drolligen Kreaturen in Filmen wie Robot Monster (1953), The Monster That Challenged the World (1957), The Trollenberg Terror (1958), Creature from the Haunted Sea (1961), El barón del terror (aka The Brainiac, 1962), The Creeping Terror (1964), Sting of Death (1965), Octaman (1971), Blood Freak (1972) oder Godmonster of Indian Flats (1973). Unvergessen ist und bleibt aber auch der schräge Vogel, der in Fred F. Sears' The Giant Claw für Angst und Schrecken (und Kopfschütteln und Gelächter) sorgt. Das schrille Unwesen mit den hervorquellenden Augen, der coolen Zottelfrisur und dem langen, giraffenartigen Hals sieht aus, als wäre es beim Spielen aus der Augsburger Puppenkiste gefallen, auf dem Kopf gelandet und anschließend von einem sadistischen Kind stundenlang gewürgt worden, weshalb es nun richtig, richtig sauer ist. Und da das Federvieh nicht klein sondern "as big as a battleship" ist (ein netter Running Gag), fliegt es auf einer spiralförmigen Route herum, zerdeppert Flugzeuge, frißt Menschen und zerstört sogar das Gebäude der Vereinten Nationen. Durch ein Kraftfeld aus Anti-Materie, das unseren gefiederten Freund umgibt, ist er vom Radar nicht erfaßbar und praktisch unverwundbar, sehr zum Ärger des Militärs unter der Führung von General Considine (Morris Ankrum), deren beachtliches Waffenarsenal sich als völlig wirkungslos entpuppt. Das Schicksal der Menschheit scheint besiegelt, doch dann hat ausgerechnet Elektronik-Experte Mitch MacAfee (Jeff Morrow, Octaman) einen Geistesblitz...

"That bird is extraterrestrial, comes from outer space, from some godforsaken antimatter galaxy millions and millions of light years from the Earth. No other explanation is possible", läßt ein Wissenschaftler (Edgar Barrier) nach der Untersuchung einer Feder des Monstrums die Bombe platzen. Wieder einmal hat sich also eine außerirdische Kuriosität auf die Erde verirrt, um die Menschheit zu vernichten, sich Häppchen in Form von Fallschirmspringern zu genehmigen, gut gelaunt Eier zu legen und den Planeten neu zu bevögeln... äh, zu bevölkern. Die Grundidee dieses phasenweise geschwätzigen Schlockers ist ja eigentlich nichts Besonderes, und The Giant Claw wäre ein netter, gut abgehangener Monsterschinken unter vielen, wenn, ja wenn die böse Kreatur nicht so unglaublich bescheuert aussehen würde. Laut Schauspieler Jeff Morrow brach sogar das Premierenpublikum beim Anblick des schrillen Vogels in schallendes Gelächter aus! Hätte man es hier anstelle des bizarren Federviehs mit einem furchteinflößenden Ungeheuer zu tun (oder zumindest mit irgend etwas, bei dessen Anblick die Augen nicht gleich spontan zu tränen beginnen), dann wäre der Film wohl ein ziemlich effektives B-Movie geworden. Gut, zu einem Klassiker à la Tarantula (1955) hätte es auch dann nicht gereicht - ob sich Mara Corday, die hier als MacAfees Freundin Sally Caldwell mit von der Partie ist, je hätte träumen lassen, daß sie es zwei Jahre nach der famosen Riesenspinne mit einer lustigen Vogelmarionette zu tun bekommt? -, aber zumindest wäre es dann ein routinierter Monsterstreifen geworden, der sich unauffällig in die lange Reihe seiner Kollegen eingegliedert hätte, ohne allzu sehr aus der Reihe zu steppen.

Andererseits wäre The Giant Claw dann heutzutage vielleicht längst der Vergessenheit anheim gefallen, und das wäre irgendwie doch schade, macht der Film doch verdammt viel Spaß. Vor allem die Angriffe der Riesenkralle - die das erste Mal nach etwa siebenundzwanzig Minuten in all ihrer unfaßbaren Pracht zu sehen ist - machen mächtig Laune, wenn sie Flugzeugen hinterher jagt, hilflose Fallschirmspringer aus der Luft pflückt oder sich gleich eine ganze Zuggarnitur schnappt und fröhlich damit herumfliegt. Ursprünglich war geplant, daß Stop-Motion-Legende Ray Harryhausen das Monster trickst, doch dazu kam es letztendlich nicht (entweder war er zu teuer, oder er hatte keine Zeit), und so sorgte Produzent Sam Katzman für preiswerten Ersatz, indem er einen Modellbauer aus Mexiko engagierte. Da man auch sonst kostenschonend arbeitete, wurde ausgiebig Stock Footage verwendet (u. a. aus Earth vs. the Flying Saucers), was viele haarsträubende Continuity-Fehler nach sich zog. So wechseln z. B. Flugzeuge, die vom Ungeheuer attackiert werden, munter Form und Marke. Die Szenen mit den diversen Spielzeugmodellen, die von der an Fäden hängenden Marionette angegriffen werden, platzen allerdings fast vor nostalgischem Charme. Und ein ganz putziger Flugzeugcrash mit Explosionsbonus zaubert dem geneigten Fan so ganz nebenbei noch ein breites Grinsen ins Gesicht. Zu bemitleiden sind natürlich die Schauspieler, die - trotz vieler gewitzter Dialoge, die für verhaltenes Schmunzeln sorgen - mit heiligem Ernst bei der Sache sind. Die bekamen das atemberaubend drollige Monster erst bei der Premiere zu sehen und sind vor Scham wohl im Kinosessel versunken.

Mehr als fünfzig Jahre nach Entstehung hat sich der Streifen zwar nicht rehabilitiert, ist aber immerhin ein glitzernder Fixstern im Bad-Movie-Universum. Regisseur Fred F. Sears (Earth vs. the Flying Saucers, The Night the World Exploded), der sich akustisch verewigte, indem er die Erzählstimme aus dem Off übernahm, starb noch im selben Jahr, in dem The Giant Claw das Licht der Leinwände erblickte, an einem Herzinfarkt.

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