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Einen Film einfach mit einem unbekannten Namen zu betiteln, zeugt von Selbstbewusstsein, erzeugt aber auch eine Erwartungshaltung beim Publikum, hinsichtlich der Bedeutung dieser Person. Stattdessen beginnt "Michael Clayton" wie ein Suchspiel inmitten des aufgeregten Treibens hunderter Mitarbeiter - wer von diesen an einem wichtigen Fall arbeitenden Menschen, ist Michael Clayton ? - Oder besser, wo ist George Clooney ?

Über der Szene schwebt eine Stimme aus dem Off, die eindringlich von Dreck, Müll und Verseuchung spricht und damit, ohne das der Zuschauer die Zusammenhänge ahnt, dem Geschehen einen schmutzigen Charakter gibt, unterstützt noch von Verbalausdrücken der Anwälte und der stark transpirierenden Karen Crowder (Tilda Swinton). Sidney Pollack gibt als Anwaltsboss Marty Bach den ruhenden Pol, aber auch er kann den Eindruck nicht verwischen, dass hier an einer üblen Sache gearbeitet wird. Doch wo ist Michael Clayton ?

Szenenwechsel - eine ruhige Pokerrunde in einer eher unwirtlichen Gegend. Clooney als Clayton sitzt mit am Tisch, fühlt sich aber gestört von einem Mitspieler, der sich nach seiner Pleite gegangenen Bar erkundigt. Schnell verlässt er die Spielstätte, setzt sich in seine schwarze S-Klasse und fährt auf Wunsch eines Anwaltkollegen zu einem sehr wohlhabenden Klienten, der gerade einen Menschen überfahren hat und Fahrerflucht beging. Clayton wird diesem als die Lösung seiner Probleme angekündigt, aber stattdessen verweist er nur auf einen anderen Kollegen, da er ihm nicht weiterhelfen kann. Er verlässt den unzufriedenen Klienten und fährt ein wenig über Land, um im Morgengrauen kurz auszusteigen und zu ein paar Pferden zu gehen. Da explodiert plötzlich sein Wagen ! - Rückblende um vier Tage.

"Michael Clayton" gelingt es, in diesen ersten Minuten alle späteren Ingredenzien vorwegzunehmen, aber auf Grund der unklaren Zusammenhänge die Neugier des Betrachters zu erwecken und damit auch die Bereitschaft, sich auf diesen komplexen Film einzulassen. Die eigentliche Story beginnt mit einer Katastrophe, denn der Anwalt Arthur Edens, der den Chemiekonzern U/North vor Gericht vertritt, scheint verrückt geworden zu sein. Tom Wilkinson gibt eine überzeugende Performance eines ausflippenden und nicht zurechnungsfähig wirkenden Menschen, der zu völlig anderen Schlüssen kommt, nachdem ihm klar geworden ist, dass die Vorwürfe der Umweltverschmutzung gegen U/North zurecht bestehen. Für den Konzern ist das eine Katastrophe, da er befürchten muss, hohe Entschädigungen an die betroffenen Landbesitzer zahlen zu müssen.

Michael Clayton wird beauftragt, Arthur zur Vernunft zu bringen, aber wieder scheitert er, wie schon in der Anfangsszene. Arthur entkommt ihm und kann weiterhin seine neue Strategie ausarbeiten. Es kommt zu der für den gesamten Film signifikanten Szene, als Tilda Swinton, die den Konzern U/North in leitender Position vertritt, zum ersten Mal auf Michael Clayton treffen soll, der ihr als Wunderknabe des Anwaltsbüros von seinem Chef angekündigt wurde. Als sie sich professionell nach dessen Karriere erkundigt, muss sie feststellen, dass dieser seit 17 Jahren in dem Anwaltsbüro angestellt ist, ohne zu einem Partner zu werden. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, als sie von Clayton weder eine befriedigende Strategie noch irgendwelche Ergebnisse erfährt. Daraufhin beauftragt sie Spezialisten für die Umsetzung ihres Ziels, zu verhindern, dass Arthur Edens ihr und dem Konzern in die Quere kommt - einem Michael Clayton traut sie diese Aufgabe nicht zu.

Clooney, der in dieser Rolle etwas fülliger wirkt, macht nie den Anschein ,etwas besonders gut zu können. Man ist überrascht, dass er immer als der überragende Ausputzer angekündigt wird, da man solche Figuren als coole, alles im Griff habende Kerle im Film gewohnt ist. Genau dieser Erwartungshaltung tritt der Film bewusst entgegen, in dem er eine authentische Story erzählt, in der Jeder der Beteiligten angestrengt wirkt. Nichts fällt ihnen leicht und Tilda Swinton ist grossartig als stets Contenance bewahrende Chefin, die sich diese äussere Erscheinung hart erarbeiten muss. Auch Clooney befindet sich in einem Konglomerat aus kompliziertem Privatleben, gescheitertem Geschäftstraum, Alkohol- und Spielsucht und einer beruflichen Position, die zwar sein Chef hoch schätzt, aber die keinerlei bürgerliche Anerkennung mit sich bringt.

"Michael Clayton" entwirft ein kritisches Bild einer Gesellschaft, in der Moral und Selbsterkenntnis nichts zählt. Ein Aussteiger wie Arthur gilt automatisch ebenso als verrückt, wie das Engagement für eine Sache, die nicht gut bezahlt wird. Weder stellt Anwaltsboss Marty Bach seinen Auftraggeber in Frage - obwohl ihm dessen schmutziges Spiel völlig klar ist - noch entwickelt der Konzern so etwas wie Schuldbewusstsein, sondern ist nur interessiert am eigenen Erfolg, für den er notfalls über Leichen geht. Und auch Michael Clayton ist letztlich nur ein kleines Rädchen im Gefüge. Er lässt sich für läppische 80.000,00 Dollar kaufen, mit denen er seine Schulden bezahlen kann.

Bis sein Auto explodiert. Trotz seiner Komplexität und des ruhigen, angemessenen Tempos entwickelt der Film eine thrillerartige Spannung, aber als er zum zweiten Mal zu dem Anschlag auf Clayton kommt, verändert er seinen Charakter. Fast wirkt es so, als trauten die Macher ihrem eigenen Konzept nicht mehr, Clooney einen etwas mediokren Typen spielen zu lassen, der eher Spielball als Spieler ist, und Clooney entwickelt seinen "Michael Clayton" zu der Figur, die der Zuschauer auf Grund der exponierten Position von Beginn an erwartet hatte.

Der Film gewinnt dadurch zwar einen befriedigenderen Charakter und entlässt den Zuschauer mit einem positiven Gefühl, aber er verrät damit sein kritisches Potential, indem er die Illusion entstehen lässt, dass letztlich doch alles nicht so schlimm ist und die Schuldigen immer bestraft werden. So realistisch "Michael Clayton" lange Zeit in seinen Charakterbeschreibungen und in seinem konsequenten Storyaufbau war, so unlogisch und an den Haaren herbeigezogen wird er zum Schluss. Selten war ein Film lange Zeit so gut, um in den letzten 15 Minuten sein gesamtes Potential zu zerstören und letztlich nur ein beliebig kritsches Bild zu hinterlassen (5,5/10).

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