Als George Clooney vom Fernsehen ins Kino wechselten, hatten die meisten Fans schon einen genauen Plan für ihn und ein Teil davon war stets, aus ihm den nächsten Retter der Welt zu machen, der nebenbei auch romantisch zu Werk gehen konnte. Aber der Schauspieler wehrte sich erfolgreich und händeringend gegen eine solche mögliche Rolle und reichte sie munter an Will Smith weiter, während er selbst eher die spröden und nachdenklichen Seiten des Geschäfts erkunden wollte. Statt Stardom und toller Einspielergebnisse war Clooney auf Anerkennung aus – und machte seinen Weg.
Nachdem er zunehmend in Arbeit und Privatleben politisierte, ist es auch durchaus verständlich, was ihn an „Michael Clayton“ so gereizt hat, das Portrait eines Ausputzers im Juristengeschäft, der Mann für die Drecksarbeit, der tun muß, was getan werden muß, weil er ein Leben führen will. Und er ist gut darin, denn sein Leben ist voller Schwierigkeiten – ja, man könnte sagen, eigentlich führt er kein eigenes Leben.
Seine Ehe ist Geschichte, für seinen Sohn ist er maximal Chauffeur, für den Familienrest immer auf dem Sprung.
Ein zweites Standbein raubten ihm ebenfalls familiäre Umstände, ihn plagen Schulden und er spielt.
Und dann ist da noch der Fall seines Kollegen und Freundes, der nach sechs Jahren Prozess für eine Chemiefirma plötzlich austickt und die Angelegenheit mit neuerwachter Moral gefährdet. Prompt ist der Ausputzer gefragt...
Was nach Justizthriller und Action riecht, ist dank Tony Gilroys kompetenter, wenn auch wenig fokussierter Regie zu einem spröden Moralportrait über einen Mann geworden, dem langsam aber sicher dämmert, das er sich irgendwann einmal wird entscheiden müssen, um im Leben irgendwo hin zu kommen, auch wenn er nur vage Vorstellungen von diesem Ziel hat.
Der Fall im Hintergrund, ein Giftskandal, der vertuscht werden soll, dient dabei mehr oder weniger nur als McGuffin, als Katalysator für verschiedenste Prozesse, die parallel ablaufen, während Clayton die Flipperkugel zwischen den Instanzen ist.
Clayton ist umgeben von Extremen, sein Freund repräsentiert die unkontrollierte Übermoral im Gewand des selbstzerstörerischen manisch Depressiven; der Klient, ein Riesenkonzern, will stillschweigend vertuschen und setzt eine selbstzweifelnde Rechtsgelehrte (Tilda Swinton in absoluter Hochform zwischen Handlungsexzess und moralischem Zweifel) daran, die es mit ihren Mitteln aus purer Statusangst übertreibt; die Anwaltsfirma schließlich ist selbst in Existenznöten und sich der moralischen Bankrotterklärung seit langem bewußt.
Es gibt kein Schwarz und Weiß, nur ein kollektives „schmutzig“ und alle wissen oder ahnen es.
Gilroy entwirft in seinem Film jedoch kein wackeres US-Heldenportrait, sondern folgt seinem Titelhelden auf einem mühsamen steinigen Weg, der erst nach und nach aus seinen Grübeleien zur Aktion erwacht und dazu minimum einmal durch schieres Glück vor dem Tode bewahrt wird.
Am Ende greift Clayton endlich zu den nötigen Mitteln, um sich durchzusetzen – doch er begeht Verrat an vielen Fronten und kommt nur an sein Ziel, indem er vorgibt, der Meister des Drecks zu sein, in dem sich alle suhlen.
Das ist alles so dermaßen offensichtlich vordergründig links, daß es Clooney einfach gefallen haben muß und der Darsteller liefert eine beachtliche Tour de Force ab. In den Schatten stellt ihn neben Swinton höchstens noch Tom Wilkinson, der als depressiver Staranwalt dem Begriff psychopathischer Wortschwall ganz neue Dimensionen verleiht.
„Michael Clayton“ ist sicherlich kein leicht zugänglicher Film. Er ist umständlich und außerordentlich geschwätzig in Szene gesetzt, doch abseits der Worte immer außerordentlich präzise in der Beobachtung und erst bei längerem Nachdenken bemerkt man die Verzahnung der aktuellen Realitäten aus der wirklichen Welt, wenn Beruf, Familie, Treue, Freundschaft, Konkurrenz, Ehrgeiz, Motivation und Moral zu einem unentwirrbaren Matsch verklumpen.
Gilroy verzichtet auf bewußte Lösungen, führt niemanden ans Licht oder zur Erlösung, die Pointe ist mehr ein wirksames Um-sich-schlagen als eine universelle Lösung und wie es weitergehen wird, bleibt dankenswerterweise total offen. Bis es dazu kommt, verlangt der Film aber dem Zuschauer ein Höchstmaß an Konzentration und Geduld ab, da man stets darauf wartet, daß der vordergründige Handlungsfaden wieder zur Hand genommen wird.
Dummerweise gerät ein Mordanschlag auf Clayton, der am Anfang für eine Überraschung sorgt, am Ende in einer ausgeweiteten Neumontage in einem neuen Zusammenhang gezeigt und genrekonventionell überraschend reizlos ausgewalzt, als ob man auf die letzten 20 Minuten dann doch noch etwas gewöhnliche Thrillerspannung aus dem Fall herauspressen wollte.
Das wirkt nicht nur bemüht, enthält auch starke logische Fehler, wie eben Clayton für tot gehalten wird, obwohl das ausgebrannte Auto offensichtlich keine Leiche enthält.
Trotzdem bleibt das Gefühl, „Michael Clayton“ wäre ein Schritt in die richtige Richtung, und zwar zurück in die Richtung des Kinos der 70er Jahre, als noch die Regisseure vornehmlich über ihren Stil die Filme dominierten und Personen, nicht Ablaufformeln das Wichtigste waren.
Hier wird, ein wenig zaghaft noch, gegen den Strich gebürstet und auch wenn das Ergebnis nicht bahnbrechend ist, erhebt sich der Film doch weit über die Massenware und funktioniert als Moralstück in der heutigen Zeit als beachtliche Kontroverse – verlangt aber dem heutigen Publikum ein Höchstmaß an Ausdauer und Konzentration ab. Hier wird nicht tief gestapelt, dafür droht ein schwieriger Ritt. (7/10)