Eastwoods Doppelprojekt, zum zweiten: Es werden Briefe aus Iwojima verschickt und die japanische Seite der Schlacht um die Insel gezeigt.
Der Zweite Weltkrieg neigt sich dem Ende zu, die Amerikaner rücken gen Japan vor. Nachdem sie einige Inseln aus japanischer Hand zurückerobert haben, ist Iwojima das erste Eiland, das zu Japan gehört. Da die Amerikaner dort einen Flottenstützpunkt einrichten können, werden dort Soldaten stationiert, welche Insel halten sollen – koste es, was es wolle. Allerdings fehlt es ihnen an Ausrüstung und Unterstützung, da die Marine aufgerieben wurde und ihre Kampfflieger Tokio verteidigen sollen...
„Letters from Iwo Jima“, der zweite Film des Doppelprojekts, entstand, als Clint Eastwood für „Flags of our Fathers“ recherchierte und derartiges Interesse an der japanischen Seite fand, dass er auch deren Geschichte erzählen wollte. Allerdings nicht als Beiwerk in „Flags of our Fathers“, sondern in einem eigenständigen Film. So drehte man vieles parallel, zwei, drei Szenen erlebt man in den Filmen des Doppelprojekts jeweils aus der anderen Perspektive bzw. versteht sie erst richtig, wenn man beide Filme kennt (z.B. der Selbstmord via Granate oder die Anweisung gezielt auf US-Sanitäter zu schießen).
Im Gegensatz zu „Flags of our Fathers“ konzentriert sich Eastwood hier klarer auf die Bezugspersonen. Dies ist vor allem der junge Bäcker Saigo (Kazunari Ninomiya), der einberufen wurde und seine schwangere Frau zurücklassen musste. Des Weiteren liegt der Fokus beim japanischen Befehlshaber auf Iwojima, General Tadamichi Kuribayashi (Ken Watanabe); ansonsten gönnt Eastwood noch zwei, drei Nebencharakteren ein größeres Profil. Durch die Wahl der Figuren kann „Letters from Iwo Jima“ aber sowohl die Perspektive des einfachen Soldaten als auch die Sicht des Kommandeurs zeigen.
Erzählerisch ist „Letters from Iwo Jima“ im Vergleich zu „Flags of our Fathers“ der konventionellere Film, da er fast streng chronologisch aufgebaut ist, von einigen Rückblenden mal abgesehen, die jedoch wesentlich klarer eingebaut werden als im anderen Film des Doppelprojekts. Trotzdem ist „Letters from Iwo Jima“ auch der spannendere Film, da die Erzählung dichter und packender ist. Durch die persönlichen Schicksale kann „Letters from Iwo Jima“ auch an diversen Stellen überraschen, obwohl man den Ausgang der Schlacht ja bereits kennt.
Inszenatorisch wendet Eastwood hier die gleichen Stilmittel an wie in „Flags of our Fathers“: Die Szenen auf Iwojima werden bleich und farbarm präsentiert, während einige Rückblenden und eine winzige Episode in der Gegenwart in kräftigen Farben zu sehen sind. Wie in „Flags of our Fathers“ erläutern Off-Kommentare das Geschehen, wobei es in „Letters from Iwo Jima“ mehr Stimmen gibt. Vor allem die titelgebenden Briefe der Soldaten dienen immer öfters als Kommentar zu der Situation. Im Zeichen der Authentizität drehte Eastwood „Letters from Iwo Jima“ auch auf Japanisch, was erneut von der Hingabe des Regisseurs zeugt.
Was die Charakterzeichnung angeht, so kreiert „Letters from Iwo Jima“ sehr glaubwürdige Hauptcharaktere, deren Schicksal dem Zuschauer nicht egal ist. Anhand von Haupt- und Nebenfiguren spielt auch „Letters from Iwo Jima“ verschiedene Perspektiven auf den Krieg durch, wobei vor allem die japanischen Moralvorstellungen (Selbstmord im Angesicht des Feindes, Krieg mit der Erwartung zu sterben usw.) eindringlich behandelt werden. Eastwood hat Verständnis für die japanische Kultur, wird aber auch nicht unkritisch: So wird gezeigt, dass im Kaiserreich mit Willkür geherrscht wurde, dass nicht alle Soldaten begeisterte Patrioten waren und wie General Kuribayashi immer wieder seine Position verteidigen muss. Da er Rückzug und möglichst langen Widerstand möchte, ist er gegen Selbstmordmissionen und Harakiri, was ihm den Zorn anderer Offiziere einbringt. Jedoch auch die amerikanische Seite behandelt Eastwood kritisch, z.B. wenn zwei US-Soldaten zwei Gefangene exekutieren, während die Japaner einen Gefangenen pflegen.
Doch trotz des eindringlichen Drama vergisst „Letters from Iwo Jima“ auch die Schauwerte nicht und präsentiert zwischendurch immer wieder Bilder von der Schlacht um Iwojima. Von der Anfangsphase gibt es nur wenig zu sehen (ausführlich wird dies in „Flags of our Fathers“ beschrieben), dafür sieht man hier den kompletten Verlauf des Kampfes. Die Kriegsszenen sind nüchtern gemacht, bieten aber auch schicke Action (was Nominierungen bei den World Stunts Awards gab, u.a. Simon Rhee für den besten Feuerstunt), da „Letters from Iwo Jima“ es wie viele moderne Kriegsfilme macht: Er zeigt einfach anstatt zu moralisieren, lässt den Zuschauer selbst entscheiden.
Mit Ken Watanabe hat Clint Eastwood ein bekanntes Gesicht und einen großartigen Schauspieler verpflichtet, der zudem selbst noch Experten mitbrachte, um historische Korrektheit zu garantieren. Watanabe spielt wieder unheimlich charismatisch, doch auch Kazunari Ninomiya, der eigentliche Hauptdarsteller, macht einen famosen Job und wird nie an die Wand gespielt. Auch die Nebendarsteller sind überzeugend.
„Letters from Iwo Jima“ ist etwas konventioneller, aber trotzdem besser als „Flags of our Fathers“: Eine spannende, actionreiche und dramatische Rekonstruktion der Ereignisse auf Iwojima. Er liefert nicht unbedingt neue Töne in seinen Genre, ist aber trotzdem großartiges Kino.