Berlin liegt in Trümmern: Wir schreiben das Jahr 1944. Wie kann man als Propagandaobermotz Goebbels (Sylvester Groth) dem deutschen Volk klar machen, dass der Krieg noch lange nicht verloren ist? Der Führer höchstselbst muss in vollem Elan eine Rede wie zu seiner Blütezeit vom Stapel lassen. Herr Hitler fühlt sich aber gar nicht dazu in der Lage; sein Ego ist arg angekratzt. Also muss ein Schauspiellehrer her, der nicht nur Lyrik und Sprachvermögen schulen kann, sondern auch bestenfalls den verkümmerten Hass in des Führers Brust neu entflammen. Wer würde sich da besser eignen als ein Jude? Prof. Adolf Israel Grünbaum (Ulrich Mühe) wird deshalb von seinem derzeitigen Aufenthaltsort, dem KZ Sachsenhausen, weggeordert. Nun beginnt für den Verunsichertern ein Trip zweifelhaften Vergnügens: In einer wilden Meute voller Nazis muss er einen total überschätzten, zu Unrecht glorifizerten Schatten seiner selbst "heilen" (im Sinne des Films ein Wortspiel). Dass dabei der Führer und der Jude zueinander finden, verhindert jedoch keine Anspannung der Situation...
Dani Levy ist mit diesem Film durchaus ein kleines Kunststück gelungen: "Mein Führer" steht nämlich nicht für eine x-beliebige Komödie über Hitler, sondern beschreibt gleichzeitig auch den mutigen Versuch, die düstere Vergangenheit der Deutschen mit neckischem Humor zu betrachten. Dass trauen sich so nicht viele, denn verständlicherweise ist die Thematik reichlich brisant. Zu erwähnen wäre da zumindest Walter Moers, dessen spaßiger Hitlercomic bzw. Comichitler hoffentlich auch bald das Licht der Leinwand erblicken darf. Levys abendfüllende Komödie hat aber auf jeden Fall Respekt verdient!
Denn die verquere Situation ist im Film omnipotent: Die Hölle, die die Juden durchschreiten, macht Darsteller Ulrich Mühe zu jeder Zeit deutlich. Seine Figur hat nämlich dem Genre zum Trotz keinen einzigen absichtlichen Lacher auf Lager. Viel eher fiebert der Zuschauer mit, wie Adolf Grünbaum vor sich und seiner Familie seinen Standpunkt rechtfertigt (immerhin verleumdet er mit seiner Hilfestellung ja seine eigene Religion usw.), wie er die Befreiung der Insassen seines einstigen KZ erzwingen möchte oder wie er dem verblendeten Volk in der Rede am Schluss seine Meining geigt. Doch keine Angst: Der Film ist nur zu ungefähr drei Siebteln tragisch; denn immerhin mimt Helge Schneider den Führer.
Ganz Schneider-untypisch schauspielert der eigentliche Selbstdarsteller diesmal sogar: Er bietet in seiner Steifheit, in seinem Verhalten und vor allem in seiner Ausprache eine der unterhaltsamsten Hitlerparodien bis dato. Als Zuschauer lernt man so all jene Seiten an dem Führer kennen, die die einstige Propaganda als erstes einfach mal totgeschwiegen hätte: Er ist Bettnässer, wurde von seinem Vater geschlagen, bekommt keinen hoch, hat verblendete Ansichten von sich selbst und ist ganz einfach stellenweise ziemlich dumm.
Die daraus resultierende, allgegenwärtige Situationskomik ergänzt Schneiders glanzvolle Darbietung optimal: Denn obwohl die Schwächen des Führers indiskutabel sind, wird er umgarnt wie ein Einzelkind von seinen Snob-eltern: Wenn er schreit, horchen alle auf. Jeder spurt, ohne zu hinterfragen, warum er das eigentlich tut. Und darin liegt eine der tiefsinnigeren Stärken des Films: Denn das Verhalten des deutschen Volkes zu jener Zeit wird so überspitzt reflektiert. Niemand hat damals die Schandtaten hinterfragt. Auch in anderen Situationen wirkt der Film wie eine persiflierende Metapher. Als Seitenhieb auf den Propagandaapparat ist die Rede Hitlers, der Angelpunkt des Films, alles, bloß nicht von ihm. Geschrieben von Goebbels, verfeinert von Grünbaum und am Ende dann ob fehlender Stimme noch nicht einmal vom Führer gesprochen. Stattdessen hampelt er wie eine Handpuppe herum und das Volk nimmt ihm das auch noch ab. Das verweist geschickt darauf, dass vielleicht auch der Schreckensherrscher selbst nur Spielball anderer war. Vielleicht, denn neckischer Weise bleibt der Film im Spekulativen.
Des Weiteren sind dem Film noch Running Gags wie das überstilisierte und nur noch zur Phrase verkommene "Heil Hitler" oder gute Darsteller wie ein äußerst sehenswerter Sylvester Groth positiv anzurechnen. Auch die Musik von Niki Reiser und die Kulissen erweisen sich als sehr stimmig, was besonders in dem Genre keine Selbstverständlichkeit ist. Neben dem ambitionierten Mix von Kamerafahrten und statischen Einstellungen, die die Ruhe in einigen Szenen betonen, gefällt auch die Einbindung von Archivmaterial, obwohl der Film im Endeffekt auch ohne dieses ausgekommen wäre.
So bleibt abschließend nur zu sagen, dass es sich hier um eine ausgesprochen facettenreiche, sehenswerte Komödie handelt, selten albern, dann schon eher etwas zu häufig von Tragik erfüllt, so dass man ab und zu sich ein lautes Lachen verbieten muss. Man will bei einer Komödie ja kein schlechtes Gewissen haben, weil man an der falschen Stelle lacht. Ansonsten ist "Mein Führer" stellenweise aber brüllend komisch, nicht zuletzt wegen eines superben, wenn auch ungewohnten Helge Schneiders!