(Geschichtlicher) Hintergrund:
„Sobibor“ war ein Konzentrations- und Vernichtungslager der Nazis, welches, wie alle anderen Lager dieser Art, in Polen lag. Hier wurden täglich hunderte von Juden durch die Nazis in Gaskammern ermordet. Was an diesem Lager aber so besonders ist, ist, dass die Häftlinge 1943 eine mehr oder weniger geglückte Massenflucht durchführten. Das führte dazu, dass Heinrich Himmler das Lager nach der Flucht aufgelöst hat. Und um diese Flucht geht es in diesem Film.
Nochmal kurz die Story des eigentlichen Films:
Täglich treffen neue Transporte in Sobibor ein. Während die meisten der Häftlinge sofort ermordet werden, schickt man die restlichen Häftlinge ins Lager und zwingt sie zur Zwangsarbeit. Hier sind sie jeden Tag den Grausamkeiten der deutschen Aufseher ausgesetzt. Allerdings planen die Gefangenen schon seit langem eine Flucht. Nachdem mehrere Einzelflucht-Versuche gescheitert sind und grausame Konsequenzen durch die Nazis zur Folge hatten, beschließt man eine Massenflucht. Ausschlaggebend für die Flucht ist, dass eines Tages russische Kriegsgefangene unter der Führung des charismatischen Sasha (Rutger Hauer) im Lager eintreffen. Zusammen mit den Soldaten schmieden die Gefangenen einen Plan, wie sie aus der Todesfabrik entkommen können.
Kritik:
Wenn es um das Thema Holocaust-Filme geht, fallen grundsätzlich die Filmtitel „Schindler´s Liste“ sowie spätere Holocaust-Dramen wie „Der Pianist“, “Die Grauzone“ oder „Das Leben ist schön“. Ältere Filmkenner erinnern sich auch meist noch an die TV-Mini-Serie „Holocaust-Die Geschichte der Familie Weiss“. Welcher Film aber meist nie genannt wird und den meisten sehr unbekannt ist, ist „Sobibor“. Das ist einerseits verständlich, da es sich hier nicht um ein Kinoblockbuster handelt, sondern um einen TV-Film aus den 80ern. Andererseits ist es total unverständlich, da es sich hierbei wahrscheinlich um einen der besten Filme dieser Art handelt.
Das liegt vor allem daran, dass „Sobibor“ ehrlich und verdammt realistisch ist. Während Filme wie „Schindler´s Liste“ oder „Die Grauzone“ mit kaltblütigen Gewaltszenen Schrecken erzeugen wollen, so schafft es dieser Film mit einer sehr ruhigen Erzählweise dies viel besser. Obwohl der Film alle Grausamkeiten eines KZ zeigt (z.B. Massenerschiessungen, Gaskammern etc.) wird die Gewalt nie grafisch gezeigt und nur im Off dargestellt, was aber teilweise eine viel schrecklichere Wirkung hat. Außerdem verzichtet der Film auch weitgehend auf kitschige Szenen oder irgendwelche hochsülzigen Dialoge.
Die KZ-Atmosphäre kommt sehr rau und glaubhaft rüber. Man kann sich ständig in die Lage der Gefangenen rein versetzen und mit ihnen mitfühlen. Das führt dann auch dazu, dass man immer von der Geschichte und den Schicksalen der Figuren gefesselt wird.
Trotz hoher Laufzeit (145 Min) wird der Film nie langweilig und zieht sich auch nicht in die Länge. Besonders die Revolte wurde sehr spannend in Szene gesetzt. Insgesamt ist die Umsetzung des Massenausbruchs als sehr gelungen zu betrachten. Während andere Regisseure wie Steven Spielberg diesen Ausschnitt wahrscheinlich genutzt hätten, um noch mal ordentliche Baller- und Actionszenen einzubauen, so bleibt die Massenflucht hier weitestgehend realistisch und es wird nur genauso viel Action eingesetzt, wie es wahrscheinlich auch damals der Fall war.
Kommen wir zu den Schauspielern…Kurz und knapp: Auch diese sind 1A. Rutger Hauer überzeugt wie immer und stellt den russischen Soldaten Sasha charismatisch und glaubhaft dar. Ebenso überzeugen kann Alan Arkin als ruhiger, vernünftiger KZ-Häftling, welcher den anderen Gefangenen bei jeder Gelegenheit hilft. In einer weiteren Rolle ist Joanna Pacula („Zum Töten freigegeben“) als willenstarke, mutige Gefangene zu sehen. Die deutschen Aufseher wurden alle mit deutschen Schauspielern besetzt, welche ihre Sache ebenfalls sehr gut machen. Im Gegensatz zu anderen Filmen werden die Nazis hier nicht nur einfach als übertriebene brüllende, brutale Monster dargestellt, sondern mit realistischer, menschlicher Grausamkeit. Besonders Hartmut Becker kann als sadistischer SS-Obersturmführer Gustav Wagner überzeugen.
Dass es sich hierbei um einen TV-Film handelt, merkt man ihm an keiner Stelle an. Der Film wirkt weder billig noch schlecht gemacht. Wenn man im Internet über Sobibor nachforscht, merkt man, dass der Film teilweise sogar sehr detailgetreu ist, was sowohl auf die Charaktere (z.B. Sasha oder Gustav Wagner) als auch Handlungen (z.B. Ausbruch wurde erst durchgeführt, nachdem die Leiter des Lagers nicht anwesend waren) zutrifft. Auch die lange Laufzeit und die vielen guten Darsteller sind für einen TV-Film eher ungewöhnlich.
Wie schon weiter oben beschrieben, ist es mir ein Rätsel, warum der Film heute immer noch so unbekannt ist. Das wird wahrscheinlich auch an der Vermarktung liegen. Ein gutes Beispiel ist das deutsche Videocover: Wenn man sich dieses betrachtet, könnte man meinen man habe einen reißerischen Actionfilm in der Hand. „Konzentrationslager“ oder „Holocaust“ wird auf dem Cover nicht einmal erwähnt. Auf DVD ist der Film in Deutschland leider noch nicht erschienen, was sich hoffentlich bald ändert. Immerhin gibt es ein paar gute Alternativen im Ausland.
Fazit: „Sobibor“ ist ein spannender, ehrlicher und realistischer KZ-Film ohne die sonst üblichen Klischees. Die Schauspieler sind gut und die Geschichte ist packend. Diesen Film sollte jeder mal gesehen haben.
10/10