…another gay sunshine day…
„Another Gay Movie“ ist keine bloße Persiflage auf „American Pie“, dessen Storykonstrukt übernommen und parodiert wird, vielmehr handelt es sich um einen schwulen Gegenentwurf zum erfolgreichen Subgenre Teenie-Komödie. Gemeinhin sind homophobe Witze salonfähig im Genre und Homosexuelle tauchen meist nur als lächerliche Randfiguren auf. Selbst in augenzwinkernden Szenen wie der Tanzsequenz in „American Pie 3“ schimmert oft eine nicht zu leugnende Geringschätzung hindurch. Genau diesen Umstand macht sich „Another Gay Movie“ geschickt zunutze um dem Publikum einen durch und durch tuntigen, pinken, schrillen Zerrspiegel vorzusetzen. In der hier dargestellten Welt ist Homosexualität nicht nur akzeptiert sondern präsenter als Heterosexualität – Homophobie scheint überhaupt nicht zu existieren und so kommt es schon mal bei einem High School Footballspiel zu einer Tanzparade, an der sich sowohl die Spieler (mit bauchfreien Trikots) als auch die wenigen weiblichen Cheerleader beteiligen. Gerade im Vergleich zu einer krampfigen Mainstreamkomödie wie „Chuck & Larry“ traut sich der Film also, sich gänzlich vom heteronormativen Blickwinkel zu entfernen und diesen ins Gegenteil zu verkehren. Schwul ist hier das neue Hetero.
Mit diesem mutigen Ansatz tritt Regisseur Todd Stephens in die übergroßen Fußstapfen des Anarcho-Pioniers John Waters – dieser hat sich mittlerweile von der lauten Provokation zurückgezogen, ist aber bekennender Fan von „Another Gay Movie“. Kein Wunder denn während der von Waters initiierte Gross Out Humor, der mittlerweile jede zweite Hollywood-Komödie prägt, meist ohne jeglichen Sinn zur Anwendung kommt, so schafft Stephens einen intelligente Anwendung der vulgären Brachialkomik. Kaviarspiele, bizarre SM-Praktiken oder auch beinahe vollzogener Oralsex mit dem Vater sorgen für jede Menge Beschuss auf zart besaitete Gemüter, die durch explizit homophile Nacktszenen noch weiter auf die Probe gestellt werden. Ganz im Sinne des Vorbildes Waters birgt Stephens unter der lauten Oberfläche aber durchaus echte Zärtlichkeit, auch wenn diese erst am Ende zum tragen kommt und den typisch verlaufenden Handlungsmustern gängiger Teeniefilme rein gar nichts beizufügen hat. Todd Stephens war zuvor mit dem ebenso ambitionierten aber humorfreien „Gypsy 83“ aufgefallen, dessen Thema ebenfalls ein homosexuelles ist.
Die vielleicht deutlichste Referenz an das Frühwerk von Waters findet sich schon in der Besetzung des wichtigsten Nebencharakters: Ashlie Atkinson bietet als übertrieben aufgemotzte, fette Lesbe eine Verneigung vor Travestie-Legende Divine. Sie unterstützt die vier bemühten Hauptdarsteller adäquat, die Leistungen der Jungdarsteller können also durchweg überzeugen und das obwohl man es eigentlich nur mit schablonenhaften Klischeebildern zu tun hat. Unterm Strich bleibt der Film formal sehr solide besonders angesichts des kleinen Budgets – „Another Gay Movie“ ist im Gegensatz zu fast allen seinen Genreverwandten ein Independentfilm und wurde in weniger als drei Wochen abgedreht und geschnitten. In Nebenrollen sind einige Ikonen der Schwulenbewegung zu sehen sowie viele weitere homo- und bisexuelle Schauspieler, die der kleinen Produktion etwas mehr Zugkraft verleihen. Bestes Beispiel ist das Elternpaar der Hauptfigur Andy (Michael Carbonaro): John Epperson ist als Mutter zu sehen und zeigt ebenfalls eine Divine-Hommage als sein Alter Ego Lypsinka. Als Lypsinka ist Epperson ein international bekannter Travestie-Künstler. Als Vater ist Scott Thompson zu sehen, der sich eindeutig an der unbeholfenen Art eines Eugene Levy bedient, ohne aber an dessen authentisch doppelbödiges Spiel heranzureichen. Bestenfalls ein gut gespielter Standard ohne eigene Akzente.
Leider konnte sich Todd Stephens den überflüssigen Einsatz einiger unprofessioneller Bildeffekte nicht verkneifen und auch die Kameraführung macht teilweise einen leicht amateurhaften Eindruck. Dennoch begeistern die schrillen Outfits und die absurden Gags, weiterhin das originelle Produktionsdesign, das kein schwules Klischee auslässt um eine knallbunte Farbdramaturgie zu entfalten. Leuchtende, sich beißende Farben und das vor den originalen Schauplätzen, die dem Film einen gänzlich gegensätzlich realistischen Touch verleihen. Darüber hinaus versteckt Todd Stephens diverse kreative Anspielungen an diverse Kultfilme und einige selbstreflexive Spitzen. Und auch wenn viele Rohrkrepierer das Gagniveau deutlich runter ziehen, so bleibt insgesamt ein mutig konsequenter und größtenteils unterhaltsamer Film, der aber leider nicht der von Waters propagierte, neue Kultfilm ist.
Fazit: Aufgeschlossene Filmfans dürften in „Another Gay Movie“ mehr Qualitäten entdecken als man zunächst vermuten mag, bedenkt man die hastige Inszenierung und die langweilige Geschichte. Wer auf den frühen John Waters steht oder einfach nur mal etwas frischen Wind in einem mittlerweile wieder toten Subgenre erwartet, ist aber genau richtig beraten und wird sicher nicht enttäuscht. Vielleicht bietet das für 2008 angekündigte Sequel „Gays Gone Wild“ eine abwechslungsreichere Story…
06 / 10