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Wenn die heilige Maria in Statuenform weint, dann wird der Mensch zum Magnet. Zwei Pole sammeln sich jeweils am anderen Ende. Der Glaube soll rational erklärt bzw. die Wissenschaft eines Besseren belehrt werden. Das Mulder-Scully-Schema ist seit Akte X altbewährt und nicht uninteressant. In Zeiten der Post-9/11-Ära hat konspirativ mystischer Stoff zudem Hochkonjunktur. Regisseur Stephen Hopkins schöpft mit „The Reaping“ dementsprechend eigentlich aus einem Topf, dessen Inhalt dem Publikum thematisch schmecken müsste.

Es geht um die Boten der Apokalypse, die sich in einem kleinen Ort in Louisiana ankündigt. Wasser verwandelt sich in Blut. Für die Professorin Katherine Winter (Hilary Swank) von Louisiana State University sind solche Ereignisse Routine. Ein Spuk, der rumgeistert und nach Erklärungen sucht. Die Bilder sprechen Bände. Das Gewässer gleicht einem visuell beeindruckenden Blutbad, an deren Oberfläche tote Fische schwimmen. Vorlagentreue Prophetie rüttelt nicht an „Scullys“ rationalem Denken, die Professorin hat den Glauben längst verloren, als ihre Familie im Rahmen einer Missionierung in Afrika starb. Die Erfahrung lehrt, dass es für alles eine wissenschaftliche Erklärung gibt.

Plötzlich fallen Frösche vom Himmel, Tiere spielen verrückt und alles steht offenbar im Zusammenhang mit einem mysteriösen Mädchen, das den eigenen Bruder getötet haben soll und mit ihrer Mutter ärmlich abseits der Gesellschaft haust. Ein Omen? Eher nicht, denn „The Reaping“ verkommt nicht zur plumpen Kopie und nähert sich mit Schwung und ansprechend temporeich geschnittener Manier der apokalyptischen Endzeitstimmung.

Glücklicherweise umgeht man das Klischee von den tumben Hinterwäldlern und der oberlehrerhaften Professoren-Crew. Hopkins fesselt visuell und mit atmosphärischen Finessen, die eine düstere Grundstimmung gemäß religiöser Mythologie gedeihen lassen. Horror im klassischen Sinn hat Vorfahrt und mit Ausnahme von obligatorischen Reißern, wird wenig geboten, was das Blut gefrieren lässt. Das Schock-Festival bleibt aus. Der Puls wird trotzdem in die Höhe getrieben, wenn man sich auf die Apokalypse einlässt und nicht engstirnig auf rationalem Boden tanzt.

Mit wechselhaft mehr oder weniger gelungen Effekten lässt man den Teufel tanzen und spitzt die Lage sukzessiv zu. „The Reaping“ ist Horror-Kino, das die Mechanismen thematisch bedient und einen stimmungsgeladenen Mikrokosmos schafft. Die Geschichte entwickelt sich dynamisch bis zu einem Ende, das nicht ohne Pointe aufwartet und durchaus zu überzeugen weiß. Rückblenden und Erklärungen, weshalb letztendlich alles so ist, wie es ist, bleiben leider nicht erspart. Die Mainstream-Ausrichtung trübt den Blutdunst ein wenig, auch wenn das Finale nicht im Kontext der guten, heilen Welt steht.

Hopkins kreiert durchaus eine fesselnde Aura, die der Film mit seiner Hauptdarstellerin teilt. Hilary Swank ist nicht unbedingt eine naturalistische Schönheit, aber sie überzeugt mit smartem Charisma und einem feinen Gespür für das Rollenprofil. Man kauft ihr selbst die Professorin ab, weil sie weder übertrieben reduziert noch klischeehaft spielt. Sie projiziert ihr Talent passend in die Hülse der darzustellenden Figur. Folgerichtig steht der Rest der Crew ein wenig im großen Schatten der zweimaligen Oscar-Gewinnerin.

Kurzweilig mobilisiert „The Reaping“ jedenfalls so viel Überzeugungskraft, um das Horror-Genre, welches zuletzt mit überwiegend absurden Auswüchsen baden ging, durchaus bereichern zu können. Konservativ religiöse Aspekte sind in diesem Fall sogar ein Fortschritt – welch eine Ironie. (7/10)

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