Review

Black Christmas (1974) von Bob Clark
Black Christmas (2006) von Glen Morgan
Black Christmas (2019) von Sophia Takal


Mit "Black Christmas" (1974) hatte der nie zu ganz großer Popularität gelangte Genre-Maestro Bob Clark – der auch noch mit dem Zombie-Vietnam-Heimkehr-Drama "Dead of Night" (1974) und dem Sherlock-Holmes-Thriller "Murder by Decree" (1979) sowie als Produzent mit der Ed-Gein-Variation "Deranged" (1974) den Horrorfilm der Dekade bereicherte – eine kleine Perle vorgelegt, die [Achtung: Spoiler!] gerade im Rückblick zusammen mit Mario Bavas "Reazione a catena" (1971), "Night of the Dark Full Moon" (1972) und dem schwachen "Massacre at Central High" (1976) als Slasher-Vorläufer vor den Zeiten der Prototypen "Halloween" (1978) und "Friday the 13th" (1980) wertgeschätzt worden ist.
45 Jahre später hat Sophia Takal ein freies Remake angefertigt. In der Zwischenzeit kamen nicht bloß zwei bis drei immer selbstreflexivere, teils ironische(re) Wellen des Slasherfilms daher,[1] sondern auch Carol J. Clovers Standardwerk "Men, Women and Chain Saws: Gender in the Modern Horror Film" (1992), das mit der Benennung des final girls aus dem Diskurs um den Slasherfilm nicht mehr wegzudenken ist. Dabei überschattet in der Rezeption des Buches nicht bloß der Slasherfilm mit seinem final girl die restlichen Teile des Werkes, sondern auch die Wehrhaftigkeit und der Sieg des final girls überschattet ihr langwieriges, vorausgehendes Leiden. Wie Clover selbst es in ihrem Vorwort zur Neuauflage (2015) ausdrückt, ist das final girl eher "'[t]ortured survivor' [...] than 'hero'"[2] und letztlich eher willkommenes Vehikel eines Masochismus eines (anfangs) vornehmlich männlichen Publikums als der Ausdruck einer feministischen Attitüde, wenngleich dieser gerade in den späteren Wellen des Slasherfilms zumindest in Ansätzen gegeben zu sein scheint.
Bezug nehmend sowohl auf den Slasher-Vorläufer "Black Christmas" (1974) als auch (weit weniger) auf dessen erstes freies Remake "Black Christmas" (2006) trägt Takals Zugang diesen Umständen Rechnung – und liefert einen sich deutlich feministisch gebärdenden Subgenre-Beitrag, der sich in der Dekade von #MeToo ein Beispiel an emanzipatorischen vermeintlichen Frauenfilmen wie Sarah Gavrons "Suffragette" (2015), Stéphanie Di Giustos "La danseuse" (2016), Susanna Whites "Woman Walks Ahead" (2017), Mimi Leders "On the Basis of Sex" (2018) oder Lorene Scafarias "Hustlers" (2019) nimmt und dementsprechend weibliches Empowerment propagiert: Im Rahmen von #MeToo beschreitet dieser Blumhouse-Horrorfilm ähnliche Wege wie "Get Out" (2015) im Rahmen von #BlackLivesMatter, wenngleich er letztlich weniger überzeugend ausfällt. Sofern diese vermeintlichen Frauenfilme männliche Figuren zu großen Teilen bloßstellen (wie in "Hustlers", der aber in einem zweiten Schritt auch seine weiblichen Hauptfiguren nach unten weitergeben lässt, was sie an Missachtung von oben erfahren haben) oder sofern die Darstellerinnen vermeintlich auf Kosten beliebter Darsteller die Hauptrollen bekleiden (wie im Fall von Paul Feigs Reboot "Ghostbusters" (2016), der mit seinem männlichen Regisseur etwas aus obiger Aufzählung heraussticht, aber trotz tatsächlich mittelmäßiger Qualitäten im Hinblick auf unterschwellige oder gar unverhohlene Misogynie im Publikum das Paradebeispiel schlechthin darstellt), gehen diese Werke im Wertungsspiegel mit einer auffällig deutlichen, doch recht unverhältnismäßigen Abwertung durch das Publikum einher. Das betrifft besonders krass auch Takals "Black Christmas", der beileibe kein gelungener Genrefilm ist, die Menge an Niedrigstwertungen kurz nach Veröffentlichung jedoch kaum verdient hat – und sie offenbar seinem offensiven, durchaus auch etwas plumpen und sogar reichlich verzerrenden, aber ebenso von anregenden subversiven Details durchzogenen feministischen Anstrich verdankt.

Um Takals "Black Christmas" angemessen einschätzen zu können, muss man unweigerlich zu Clarks "Black Christmas" (1974) zurückkehren, in dem ein anonymer Anrufer eine Schwesternschaft belästigt und bedroht, woraufhin die Frauen allmählich weitgehend unbemerkt von ihrem Umfeld ermordet werden. Auffällig sind zwei Charakteristika, die diesen Film von einem großen Teil der Slasher-Klassiker der ersten Welle unterscheiden: Zum einen bleibt die Identität des Täters im Dunkeln (wobei sogar falsche Fährten gelegt werden und selbst das Aussehen des Täters unbekannt bleibt), zum anderen konzentriert er sich auf rein weibliche Opfer (derweil Männer nur ihr Leben lassen müssen, wenn sie seine Untaten vereiteln wollen) und bekommt schon in den ersten Minuten als obszöner Anrufer misogyne Tendenzen zugeschrieben.
Ersteres führt dazu, dass "Black Christmas" ähnlich wie "Friday the 13th" (aber eben ganz anders als dessen Sequels) zwar eine Subjektive des Killers bietet, sodass das Publikum die Perspektive des Täters kurzzeitig übernimmt, gleichzeitig aber ein potentiell zu ikonischem Status befähigtes Äußeres des Killers unterschlägt, welches im Grunde erst ab den ersten Sequels wie "Halloween II" (1981) und "Friday the 13th Part 2" (1981) einsetzt. Zusammen mit der eindeutig weiblichen Zielgruppe des Täters ergibt sich daraus, dass "Black Christmas" keine kultisch verehrte Täterfigur liefern würde, deren Morde an jungen Männern und Frauen die reizvollen Highlights des Subgenrefilms ausmachen, ehe am Ende schließlich ein Duell mit dem final girl steht, das sich gewissermaßen in einem gewalttätigen Ritual behaupten und als überlebensfähig beweisen muss (und erst durch diese bewiesene Härte & Zähigkeit würdig erscheint, den ikonischen und bei der Zielgruppe so beliebten Kontrahenten ausschalten zu dürfen). In diesem Slasher-Vorläufer geht es vielmehr darum, über verbale Drohungen und subjektive Einstellungen eine gesichtslose, gänzlich anonyme Misogynie zu vermitteln, die aufgrund der vulgären, labilen und offenkundig pathologischen Verbalattacken des Killers – der sich auch als leicht zu kränkende, zu verletzende Mimose entpuppt – keinerlei Charisma mit sich bringt. Dass man ausgerechnet diese Perspektive teilt, die auch während einiger Morde eingenommen wird, führt – zumal die drangsalierten Frauen (wie auch ihre männlichen Bekannten und die Polizisten) sehr individuell gezeichnet werden und anders als die Opfer in späteren Slashern auch als Personen nahegebracht werden – weniger dazu, dass der männliche Zuschauer neben einem masochistischen Genuss über die Identifikation mit weiblichen Figuren/Opfern auch zu einem sadistischen Genuss über die Identifikation mit dem Täter gelangen würde, der hier gerade kein Charisma und keinerlei Souveränität aufweist. Stattdessen bringt die aufgenötigte Übernahme der misogynen Perspektive ein größeres Unbehagen mit sich, das noch völlig frei ist vom Thrill und der freudigen Erwartungshaltung der sich anbahnenden Morde in späteren Slashern.
Bis zum Schluss lässt "Black Christmas" im Dunkeln, wer dieser misogyne Killer eigentlich ist und welche Beweggründe ihn treiben. Bloß seinem Redeschwall am Telefon lässt sich entnehmen, dass ihn eine nicht weiter konkretisierte Fixierung auf seine Mutter und eine Frau namens Agnes sowie einen gewissen Billy, der er selbst zu sein scheint, umtreiben... und die im Schaukelstuhl drapierte erste Leiche mit Babypuppe im Arm schmückt das noch ein wenig aus. Damit eröffnet der Film die Möglichkeit, den Einflüssen weiblicher Personen auf den Killer eine Mitschuld an seinem Geisteszustand zuzuweisen. Während diese Möglichkeit weiblicher Mitschuld auch in den 2006er-/2019er-Remakes aufgezeigt und einmal ganz klar mit "Ja" und einmal ganz klar mit "Nein" beantwortet wird, liefert Clarks "Black Christmas" zuwenig Informationen, um erkennen zu lassen, welche Position er selbst in dieser Frage einnimmt. Allerdings: Dass sich gerade die sexuell scheinbar offensivste Studentin etwas angetrunken zu der Annahme hinreißen lässt, dass man ihr das Verschwinden der ersten Verschwundenen anlasten würde, spricht die in manchen Zusammenhängen durchaus auch misogyne Annahme der Mitschuld von Frauen an allerlei Übergriffen auf sie direkt an. Dass kurz vorher ein besorgter Vater in dem Schwesternhaus aufgekreuzt ist, der hier für seine gezahlten Geldbeträge einen Hort der Sittsamkeit und Tugend erwartete und stattdessen auf durchaus auch rauchende und trinkende Frauen oder freizügige bzw. unverschämte Plakate stieß,[3] hat zu diesem Zeitpunkt bereits eine spießige und so lust- wie frauenfeindliche Sowas-kommt-von-sowas-Moral ins Spiel gebracht. Aber nicht nur die Gestaltung dieses überzogen anständigen, humorlosen Vaters weist diese Moral doch recht deutlich zurück: Auch der Umstand, dass die Frauenfiguren reichlich unterschiedlich konzipiert sind und dass gerade nicht die offenkundig unschuldigste Figur als final girl überlebt, widerspricht solch einer Haltung, die man eher im ersten Remake antreffen kann.
Ordnet man die Figuren nach Sittsamkeit, so steht auf der (aus spießiger Perspektive) untersten Stufe die alkoholsüchtige Hausmutter MacHenry, die eigentlich ganz froh ist, wenn sich ihre Schützlinge so richtig austoben und ihr dann etwas weniger auf die Nerven fallen. Die angetrunkene Barb (Margot Kidder), die sich angeblichen Schuldzuweisungen ausgesetzt sieht (welche dem Publikum jedoch kaum so deutlich dargeboten worden sind), würde folgen mit ihren vulgären Affronts gegenüber einem unbedarften Polizisten, dem sie F-E-L-L-A-T-I-O als neue Telefonnummer unterjubelt, und gegenüber dem besorgten Vater ihre Kommilitonin, dem sie von kopulierenden Tieren im Zoo und ihrer eigenen nur unzulänglich erfüllten Befriedigung berichtet. Ungefähr auf gleicher Ebene dürfte die Hauptfigur Jessy liegen, die gerade uneins mit ihrem aktuellen Freund ist, welcher sie ehelichen will, derweil sie eher eine Trennung ins Auge fasst, und dessen Kind sie abtreiben lassen möchte. Jessy, die zumindest bis zum Filmende überleben (wenngleich nicht außer Gefahr sein) wird, ist beileibe kein klassisches final girl. Dafür muss hingegen etwa Phyl sterben, die nicht bloß die zurückhaltendste und am ehesten schambehaftete der Frauen ist, sondern auch angeblich am seltensten oder sogar noch nie Geschlechtsverkehr hat(te). Auch gerade das erste Opfer, das in den ersten zehn Minuten vor seiner Ermordung nicht ganz jene Charaktertiefe der anderen Figuren erhalten kann, entpuppt sich nach dem bedrohlichen ersten Anruf als friedliebende Person, die keinerlei Lust an Provokationen oder Häme hat. In dieser Hinsicht weist der Film selbst also eine Sowas-kommt-von-sowas-Moral zurück, gleichwohl er mehrfach die Möglichkeit in den Raum stellt, dass eine solche Moral von manchen Figuren gepflegt wird, und weicht zugleich auch von der (Sexual-)Moral späterer Slasherfilme ab.
Zuletzt sei noch einmal auf Jessy, welche die Titelfigur der deutschen Fassung und beinahe ein final girl ist, sowie auf ihren Freund Peter (Keir Duella) eingegangen. Während die Misogynie des Täters mit dem spießig-lustfeindlichen Vater der ersten Verschwundenen – der wie ein entmachteter, gänzlich unsouveräner Patriarch auftritt – bloß assoziativ in einen Zusammenhang zu setzen ist, tritt Peter sogar als Tatverdächtiger in Erscheinung. Dass der angehende Pianist durchaus zu Jähzorn neigt (und etwa nach einer Schlappe gewaltsam sein Instrument zerlegt), dass er auf Jessys Trennungswünsche verständlicherweise verstimmt und auf das Vorhaben ihrer Abtreibung geradezu angewidert reagiert, lässt ihn bald zu einem Verdächtigen in den Augen des ermittelnden Polizisten (John Saxon) geraten. Dass er sich gegen Ende, als Jessy sich als letzte Überlebende gegen den noch immer gesichtslosen Täter zur Wehr setzen muss, gewaltsam Zugang zum Wohnheim verschafft und – nicht so ganz glaubwürdig und eher einem billigen Trick der Inszenierung geschuldet – übertrieben beschwichtigend und beängstigend lächelnd nach seiner Freundin sucht, lässt ihn dann auch für das Publikum, das es eigentlich besser wissen könnte und das Peter bereits als engagierten Forderer eines umfangreicheren Polizeieinsatzes kennengelernt hat, schwer verdächtig erscheinen. Jessy, das vermeintliche final girl, bringt dann auch – von der Polizei auf die falsche Spur gebracht – ihren (Ex-)Freund in vermeintlicher Notwehr um, während er die vermeintlich hysterische Frau beruhigen will. Ohne die übrigen Opfer entdeckt zu haben, lässt die Polizei die noch ohnmächtige Frau in dem Haus zurück, in dem noch immer der unbekannte, irre Täter lauert. Über das Klingeln des Telefons läuft der Abspann, derweil Jessys Zukunft ungewiss bleibt...
Hier erweist sich noch einmal, dass die durchgängige Anonymität des Täters und die Unkenntnis seiner Motivation nicht einfach bloß einen dramaturgischen Schwachpunkt darstellen, der jede befriedigende Auflösung verweigert (was man durchaus so sehen kann). Denn vor allem sorgt diese konturlose, anonyme Misogynie ohne erkennbares Motiv auch dafür, dass andere Männerfiguren verdächtig erscheinen: Der Vater, der weibliche Lust unterbinden will, und der (Ex-)Freund, der möchte, dass seine (Ex-)Freundin seine Vorstellungen vom gemeinsamen Glück teilt, und der Schlappen mit heftigen Wutausbrüchen quittiert, treten angesichts eines fehlenden Trägers der dargebotenen extrem misogynen Züge als Männer mit latent misogynen Zügen (bzw. in Peters Fall sogar als Tatverdächtiger) in Erscheinung. Die Unterschlagung eines wahrhaft konkreten Täters führt dazu, das misogyne Gedankengut an anderen Stellen aufzuspüren und es auch im Vertrauten, im familiären Umfeld und im Freundeskreis, zu entdecken. Soweit reicht das mild feministische Anliegen des Films, das aber keinesfalls radikal-feministisch ausfallen würde: denn manche der Reaktionen der Frauen auf Männer – etwa Barbs Provokation des besorgten Vaters als Reaktion auf vermeintliche Schuldzuweisungen durch ihr gesamtes Umfeld, vor allem aber Jessys Tötung ihres (Ex-)Freundes – erweisen sich als mögliche oder tatsächliche Fehlhandlungen, die durch eine offenere & aufgeschlossenere Kommunikation hätten vermieden werden können. Im Klima einer explizit misogynen, extremen Bedrohung differenzieren sie, differenziert insbesondere Jessy verständlicherweise nicht mehr ausreichend. Würde man Clarks "Black Christmas" nach dem feministisch aufbereiteten 2019er-Remake noch einmal als Film betrachten, der voll und ganz die Themen Misogynie, Emanzipation und Feminismus behandeln wollen würde – was die Auslegung seiner Bestandteile und Anlagen überstrapazieren würde –, so wäre es ein Film, der weibliche Gegenwehr gegenüber männlicher Bevormundung und Bedrohung als verständlicherweise auch einmal folgenschwer über das Ziel hinausschießend präsentieren würde; als unbedachte, möglicherweise etwas hysterische Fehlhandlung.
Dennoch unterschlägt man, wenn man also das Remake von Sophia Takal und Koautorin April Wolfe vornehmlich als Kritik an Clarks "Black Christmas" begreift (wie z.B. Christoph Petersen auf Filmstarts[4]), dass das Original nicht bloß differenzierte weibliche Hauptfiguren bietet, sondern auch deutlich misogyne Aggressionen als pathologische Verirrungen begreift und verwirft – und dass Takal den 1974er-"Black Christmas" sowohl von späteren Slashern unterscheidet als auch seine Frauenfiguren wertschätzt.[5]

Einen ganz anderen Zugang zum 1974er "Black Christmas" hat dagegen Glen Morgan als Autor, Regisseur und Produzent mit seinem Remake "Black Christmas" (2006) gefunden. Morgan, der drei Jahre zuvor bereits das Remake "Willard" (2003) angefertigt hatte und neben seiner Autoren- und Produzenten-Tätigkeit für TV-Serien an den Horrorfilmen "Ragman" (1986) und "Final Destination" (2000) mitgeschrieben hatte, konzentriert sich vor allem darauf, die mysteriösen Andeutungen des Originals bezüglich der Biografie des Killers aufzudröseln. Was für einen Drehbuchautoren mit Hang zur Konvention naheliegend sein mag, schmälert nicht bloß den ideologischen Ansatz des Originals – indem aus der Misogynie als anonymen Prinzip die (weniger deutlich als solche ausgewiesene) Misogynie eines Einzelnen mit begründender Biografie gemacht wird –, sondern verpasst jedem feministischen Anflug auch noch einen gehörigen Dämpfer, weil die Ursache der (eventuellen) Misogynie des mordenden Mannes letztlich in der destruktiven Erziehung seiner perversen Mutter liegt.
Damit zerstört Morgans etwas geschlossenerer, möglicherweise auch etwas runderer Film viel vom Reiz des Originals, zumal er dessen Status eines richtungsweisenden Beitrags zu keinem Zeitpunkt erreicht – indem er alle Alleinstellungsmerkmale des Vorgängers zur Konfektionsware abschleift.
Es wäre aber nicht ganz fair, Morgans Film deswegen als völlig wertlos zu verwerfen. Morgan, der mit seinem 1947er-Jahrgang im Gegensatz zur 1986 geborenen Takal den Zeitraum vor und nach Clarks "Black Christmas" live miterleben konnte, kontextualisiert sein Remake immerhin vage zwischen gialli, Slashern sowie 80er-Jahre-Weihnachts-Horrorfilmen und verortet und kommentiert somit auch das Original filmhistorisch auf (nicht allzu) spannende Art und Weise. Das beginnt schon mit den gialloesken schwarzen, knirschenden Lederhandschuhen und -stiefeln, die sich noch in den ersten 5 Minuten des Films auf bedrohliche Weise in Großaufnahmen durch eine Geistesheilanstalt bewegen – und wenig später als einem Weihnachtsmann-Darsteller zugehörig präsentiert werden –, und gewinnt in der Folge dann aber eine echte Motivation, wenn die Anlagen des Originals fortgeführt und ausgebaut werden, wenn sie auf ihre Vorbilder und ihre Abbilder abgeklopft werden.
Denn "Black Christmas" (1974) nahm seinerzeit ja nicht einfach manche Slasher-Versatzstücke vorweg, sondern bediente sich seinerseits bereits beim giallo: Die Subjektive des Killers entstammte ihm; die (mitunter platt) psychologisierende Erklärung der Mordtaten über einschneidende, traumatisierende Ereignisse in der Biografie der Täterfiguren ebenfalls; und auch die bedrohliche Wirkmacht über das Telefon ist ein durchaus gialloeskes Motiv, das zuvor etwa in "I tre volti della paura" (1963) Verwendung gefunden hat und später in "E tanta paura" (1976), "Il gatto dagli occhi di giada" (1977) oder "Lo squartatore di New York" (1982) fortgeführt wurde. Seltener war das Telefon wie in Bavas "I tre volti della paura" oder Fulcis "Lo squartatore di New York" ein leitmotivisch wiederkehrendes Instrument eines Täters, der sich seinen Opfern oder Kontrahenten mitzuteilen gedenkt: meist war es bloß die Sollbruchstelle in der eigenen Privatsphäre, über die oft bloß ein-, zweimalig Warnungen, Drohungen, Erpressungen usw. auf die Haupt- oder Nebenfiguren niedergehen konnten wie in "La ragazza che sapeva troppo" (1962), "Lo strano vizio della Signora Wardh" (1971) oder "Sette orchidee macchiate di rosso" (1972). Gialli waren immer auch Filme über die subjektiv erinnerten oder objektiv aufgezeichneten Bilder und Töne, weshalb aktuelle Neo gialli auffällig oft wie "Berberian Sound Studio" (2012), "The Editor" (2014) oder "Un couteau dans le coeur" (2018) als Metafilme über das Aufzeichnen visueller und akustischer Eindrücke in Erscheinung treten. Es dominierten zwar die visuellen Eindrücke (mit Erinnerungsbildern, Kinderzeichnungen, Gemälden, Fotos oder Filmaufnahmen), die das Geheimnis und/oder die Lösung eines Giallothrillers ausmachten, aber auch erinnerte Sätze, Kinderlieder, Tondokumente und eben Telefonanrufe wurden immer wieder aufgegriffen, wobei der Ton gerade bei den aufgezeichneten Tondokumenten oder bei den live verübten Anrufen keine sichtbare Quelle im Bild besaß und somit als bloßer (teils verzerrter) Ton mit der Frage nach seiner Identität & Herkunft einherging. Dass in Argentos Meisterwerk "Profondo Rosso" (1975) – in dem auch die Traumatisierung des Täters (durch die Mutter) und die Subjektive des Täters hochstilisiert Verwendung finden – die Kommunikation der selbsternannten Privatermittler via Telefon so oft scheitert, war damals bereits eine humorvolle Steigerung typischer giallo-Elemente.
Clarks "Black Christmas" stellt mit den vielen Subjektiven und der Frage nach der Identität des Killers seine Telefonanrufe eher in die Tradition des Giallothrillers als in die Tradition von US-Thrillern wie Anatole Litvaks Lucille-Fletcher-Verfilmung "Sorry, Wrong Number" (1948) oder David Millers "Midnight Lace" (1960), die bis zu David Wark Griffith' "The Lonely Villa" (1909) zurückreichen, und fügte noch die urbane Legende des Drohanrufes hinzu, der nicht bloß in den eigenen vier Wänden eingeht, sondern ebendiesen auch entstammt.[6]
"Black Christmas" (2006) weist auf die Inspiration seines Vorgängers durch den giallo hin, indem er weitere giallo-Versatzstücke herbeibemüht: Der Täter ist kein maskierter Killer wie in den meisten Slasher-Filmen, ritualisiert allerdings seine Taten, indem er bei seinen Opfern sein Markenzeichen hinterlässt, indem er ihnen die Augäpfel entnimmt. (Sowohl das Markenzeichen als auch die Konzentration auf den Gesichtssinn sind bezeichnend.) Und derweil das 1974er-Original bloß kryptisch und unverbindlich eine Mutterfigur des Täters ins Spiel bringt, ersinnt Glen Morgan eine komplette Täterbiografie: Billy wurde als leicht entstelltes Kind von seiner Mutter misshandelt, nachdem sie seinen geliebten Vater vor seinen Augen ermordet hat, und später sexuell von ihr missbraucht; er zeugte dabei seine Schwester und Tochter Agnes und ermordete schließlich Mutter und Stiefvater und riss Agnes ein Auge heraus, um seitdem in einer Klinik einzusitzen. Mit dieser neuen Prämisse spielt "Black Christmas" (2006) wie der 1974er-Originalfilm mit der Identität des Täters: denn nicht bloß bricht Billy aus seiner Anstalt aus, um wieder im Kreis seiner Familie zu feiern, sondern auch die einäugige Agnes ist als psychisch kranke Mörderin aktiv. Damit wiederholt er nicht bloß giallo-typische Psychologisierungen à la "Pronfondo Rosso", sondern spielt auch giallo-typisch mit der geschlechtlichen Identität des Mörders, der sich auch in diversen gialli oft als Mörderin entpuppte. Der – nicht zuletzt erheblich von Alfred Hitchcocks "Psycho" (1960) beeinflusste giallo, der mit solcherlei gender trouble auch durch manche Slasher ("Sleepaway Camp" (1983)) und US-Thriller ("Dressed to Kill" (1980)) geisterte, ist somit durchaus wahrnehmbar in Morgans "Black Christmas", der damit zurecht Clarks "Black Christmas" als Übergangswerk zwischen dem italienischen giallo der 70er Jahre und dem US-Slasher der 80er Jahre ausweist.
Denn auch die Nähe zum Slasher wird von Morgan gewahrt, wobei er insbesondere die kleine Sparte des Weihnachts-Slashers mit Streifen wie "To All a Good Night" (1980), "You Better Watch Out" (1980), "Silent Night, Deadly Night" (1984) oder "Don't Open 'Til Christmas" (1984) streift: Schließlich ist "Black Christmas" einer der frühen Vertreter des Festtags- bzw. Weihnachts-Horrorfilms, der sich zu seiner Zeit noch nicht als eigene Sparte etabliert hatte. Entsprechend bleiben der winterliche Touch, der Weihnachtsschmuck und die Geschenke bloßes Weihnachtszeitkolorit in Clarks "Black Christmas", wohingegen Morgans Remake seinen Billy nicht bloß in der ersten Viertelstunde einen Santa Claus-Darsteller meucheln und in dessen Maskerade aus der Anstalt entkommen lässt, sondern ihn (ähnlich wie Michael Myers in "Halloween") an den Feiertagen in sein Zuhause zurückkehren lässt. Darüber hinaus wird die Thematisierung von Weihnachtsbräuchen verstärkt in den Vordergrund gedrängt: Der launige Monolog einer Studentin drängt das Fest in einer eher heidnischen, weniger christlichen Kontext und in einer Rückblende entledigt sich Billy seiner Mutter an den Weihnachtstagen, um Menschenhaut-Plätzchen aus ihrem Körper zu stanzen und diese im Ofen zuzubereiten.
Die wenigen Vorzüge von "Black Christmas" (2006) liegen also darin, den Originalfilm filmhistorisch (zwischen giallo und Slasher) zu verorten – sowie vielleicht darin, in gelackter Optik krude, blutrünstige Splatter- und Gore-Effekte unterzubringen. Dafür opfert er allerdings die progressive Attitüde des Originals: Die weiblichen Hauptfiguren sind hier keinesfalls differenziert ausgefallen, sondern bilden wie so oft im Slasher mehr oder weniger bloße Staffage. Und dass Billy in diesem Remake vor seiner Verhaftung auch seinen Stiefvater und vor seiner Flucht einen Wachmann und den Santa Claus-Darsteller mordet – wohingegen der große Frauenanteil der Opfer (die trotz Billys Mordlust letztlich auf Agnes' Konto gehen) auf der Erzählebene bloß zufälligerweise daher rührt, dass Billy und Agnes Jahre später an ihrem Zielort ein Wohnheim für Studentinnen vorfinden –, führt dazu, dass weniger exzessive Misogynie verhandelt, sondern eher eine Unbekümmertheit der Filmschaffenden im Umgang mit misogynen Motiven an den Tag gelegt wird: denn auf der Ebene der Inszenierung ist die Beliebtheit weiblicher Opfer ungebrochen, derweil Fragen der Misogynie gar nicht mehr so recht aufgeworfen werden. Insofern kann man sich zwar durchaus daran stoßen, dass der mordende und möglicherweise misogyne Mann das Produkt des Fehlverhaltens einer Frau, seiner Mutter, ist. Aber: weder wird ein misogyner Antrieb Billys explizit betont, noch geht die größte Bedrohung von seiner Figur aus, sondern von seiner Schwester/Tochter Agnes, die den Frauen antut, was Billy ihr antat, und psychologisch nicht so ganz schlüssig ein Produkt sowohl von Billy als auch von der gemeinsamen Mutter ist, um letztlich auf der Erzählebene ähnlich zufallsbedingt speziell Frauen zu morden.
Es ginge daher viel zu weit, den Film zwischen dem progressiven Original und dem feministisch orientierten jüngsten Remake als reaktionäres, gar antifeministisches Statement zu interpretieren, das weibliche Autorität verteufeln würde. Allerdings zeigt sich in diesem Konzept der Hang zu enormen Logiklöchern und einer teils trivialen, teils unschlüssigen Psychologisierung, weshalb "Black Christmas" (2006) insgesamt doch recht trashig anmutet, zumal er trotz mancher hochpolierter Bilder nicht über die gediegene Inszenierung des Originals verfügt.

Während Morgan mit "Black Christmas" (2006) die modische 08/15-Teeniehorror-Variation des Klassikers vorgelegt hat, die so undurchdacht wie (auf Drängen der Produzenten) brutal daherkommt, aber zumindest Morgans Zeugenschaft der langwierigen Beeinflussung der gialli und Slasher zum Ausdruck bringt, hat sich die vier Jahrzehnte jüngere Sophia Takal an ein Remake gemacht, das alle progressiven Bestandteile des Subgenre-Klassikers – den Takal erst kennenlernte, als bereits das erste Remake aus den Kinos auf die Heimkinomedien abgewandert ist – im Sinne der #MeToo-Ära modernisiert.[7]
Als symptomatischer Film ist ihr "Black Christmas" (2019) daher durchaus interessant; das Endergebnis ist allerdings beileibe nicht rundum gelungen und wird infolgedessen nicht bloß von MaskulinistInnen, Anti-FeministInnen, beleidigten Genre-Aficionados oder all jenen gebasht, die sich von entsprechenden Debatten genervt gar nicht mehr auf ebendiese einlassen wollen und gender- und Feminismus-Themen schlichtweg (und bisweilen unter Schlagworten wie gender gaga oder Feminazis subsumiert) ablehnen, sondern auch von denen, die Takals feministische Attitüde für zu plump erachten.
In "Black Christmas" (2019) gibt es – woraus der Trailer beileibe keine Geheimnis machte – eine Vielzahl von Tätern, deren Misogynie mit einer politischen Agenda einhergeht. (Der müde Twist, dass eines der Schwesternschaft-Mitglieder mit Bereitschaft zur devoten Haltung gemeinsame Sache mit den Männern macht und trotz Hoffnung auf Belohnung dennoch von ihnen ausgemerzt wird, sorgt indes kaum für eicht echte Wendung.) Denn an der Hawthorne Universityfür welche die University of Otago herhalten musste und deren Namensgeber Caleb Hawthorne ein abwertendes Frauenbild gepflegt und sich seinerzeit gar als Nordstaatler Sklaven gehalten habe – bemühen sich Professor Gelson und eine sektiererische Studentenverbindung darum, eine männliche Vorherrschaft an der Universität gegen den Einfluss der modernen Frauen zu verteidigen. Als die Clique um die Waise Riley Stone (Imogen Poots), die von einem der Studenten im Dämmerzustand vergewaltigt worden sein soll, auf einer Weihnachtsfeier in sexy Outfits den Peiniger und eine rape culture insgesamt der Lächerlichkeit preisgibt, ziehen sich die Frauen endgültig den Hass des Männerbundes zu, der seine Macht vornehmlich einer schwarzmagischen Hawthorne-Büste verdankt – und freilich schon vor der provozierenden Show-Einlage zugeschlagen hat.
Sein Ansinnen teilt der Film dem Publikum dabei bereits in den ersten Minuten überdeutlich mit: Eine Studentin auf nächtlicher Straße fühlt sich vom männlichen Spaziergänger hinter ihr verfolgt, derweil sie bedrohliche Textnachrichten erhält; ein schwarz gewandeter Killer mit phallischer Eiszapfen-Waffe attackiert sie alsbald, woraufhin die Niedergestreckte einen symbolträchtigen Schneeengel vor dem Wegschleifen am Boden hinterlässt; Hauptfigur Riley spricht ihre Missbrauchserfahrung an und verweigert sich lange Zeit der aufreizenden Weihnachtsfeierkostümierung; eine ihrer Schwestern sucht lautstark nach ihrem menstrual cup und erhält von Riley Ersatz, den sie sich sogleich einlegt; man wundert sich, warum Frauen eher vom "Wursten" als vom "Scheißen" sprechen; und Kris (Aleyse Shannon) äußert sich enthusiastisch über eine Petition gegen Professor Gelson und seine Literaturauswahl, derweil sich Gelson in einer Vorlesung über die Vorstellungen feministischer Studierender lustig macht; und auch die Entfernung der Hawthorne-Büste vom Campus in die Räume der Studentenverbindung wird gefeiert – nicht ahnend, dass hinter der entsprechenden Petition einer Mitschwester die finsteren Pläne der Studentenverbindung selbst stecken.
Dass in "Black Christmas" – zumindest in der von einer angeblichen R-Rating-Version um einige Minuten abweichenden PG13-Rating-Version – die okkulte Kult- und Besessenheitsgeschichte kaum gründlich entfaltet wird und Rileys Mutmaßung, dass die Hawthorne-Büste hinter den zunehmenden Übergriffen stecke, reichlich aus der Luft gegriffen wirkt, unterstützt den Eindruck der Simplizität noch, den bereits diese geballte Zurschaustellung feministischer Statements und Diskussionen hervorruft, welche weite Felder abdecken, aber kaum jemals in die Tiefe gehen. Die Frage, ob sich ein Kanon literarischer Klassiker nicht eher durch die Bedürfnisse seiner Zusammensteller als durch eine Beschaffenheit der ausgewählten Werke ergibt, hat durchaus ihre Berechtigung – ihre Antwort ist allerdings keinesfalls selbstverständlich... und kann selbstverständlich unterschiedlich ausfallen – insbesondere wenn auf Analysen und Argumente wie in "Black Christmas" weitgehend verzichtet wird. Schwerer wiegt hingegen die Frage, ob sich die Polizei nicht bereits schon ihrer Bereitschaft zum Glauben verpflichtet fühlen und Gefühle (von Frauen) ernst nehmen sollte, anstatt Vorschriften einzuhalten und Indizien und Beweise zu verlangen.[8] Ob solche Forderungen nun reine Figurenmeinungen darstellen oder auch Meinungen der Filmschaffenden transportieren, sei dahingestellt; zumindest bleibt der Film jederzeit an der Oberfläche und begnügt sich damit, modische Slogans und Statements zu offerieren, ohne ernsthaft damit zu arbeiten. Diese Nachlässigkeit betrifft nicht bloß allerlei angerissene feministische Diskurse, sondern zugleich auch die gewünschte progressive Wendung des Slasherfilms unter Rückgriff auf den Subgenre-Vorläufer "Black Christmas" (1974): Hier wäre sicherlich mehr drin gewesen, denn wenn man einmal davon absieht, dass hier nicht ein einziges final girl, sondern eine ganze Schwesternschaft gegen Ende zurückschlägt, so übernimmt auch "Black Christmas" die Konzetration des Kamerablicks auf leidende Frauen, um nur vergleichsweise selten eine effektive Gegenwehr von ihrer Seite zu zelebrieren (wenngleich letztlich mehr Täter als Opfer und mehr Männer als Frauen sterben). Was bleibt, wäre die schon im 1974er-Original angelegte Misogynie, die hier aber institutionalisierter erscheint – wobei es fraglich ist, ob kuttentragende Sektierer unter dem übernatürlichen Einfluss eines populären Ahnen nun besonders geeignet sind, um im gerade an US-Universitäten schwelenden gender- und Feminismus-Streit Stellung zu beziehen (wobei sie andererseits auch nicht abwegiger erscheinen als diverse Maskulinisten, pickup artists und incels). Eine wahrlich feministische Wendung des Slashers lässt somit auch nach Takals Reimagining weiterhin auf sich warten.
Dennoch ist "Black Christmas" mehr als ein einfach nur symptomatischer Film, der mit Imogen Poots und Newcomerin Aleyse Shannon einigermaßen interessante Figuren in charmant weihnachtlich-winterlicher Otago-Kulisse bietet. Denn wenngleich die geballten Oberflächenreize aus diversen Feminismus-Debatten angesichts mangelnder Tiefe kaum Überzeugungskraft besitzen und dazu beigetragen haben mögen, die okkulte Slasher-Story wenig kohärent erscheinen zu lassen, so bietet Takals "Black Christmas" doch ein wahres Füllhorn an Eindrücken, die zum Sinnieren einladen. Dass der Film teilweise widersprüchlich auszufallen scheint, gereicht ihm in dieser Hinsicht mitunter sogar zum Vorteil, denn damit bietet er die Möglichkeit, sich angesichts durchaus auch einander widerstrebender feministischer Haltungen zu positionieren. Nimmt man einmal die von einer feiernden Studentin aufgeworfene Frage ernst, warum Frauen "Wursten" statt "Scheißen" sagen würden – wie es die deutsche Synchronisation formuliert –, so liefert der Film an dieser Stelle einen Kommentar auf den anderen Maßstab, der für Hygiene- und Kosmetik-/Mode-/Ästhetik-Fragen bei Frauen zu gelten scheint. Von der Domina Wanda (Mechthild Grossmann), die anderen Frauen in Elfi Mikeschs und Monika Treuts "Verführung: Die grausame Frau" (1985) empfiehlt, zu ihrer Scheiße zu stehen, lässt sich allein hierzulande über die "schmutzigen Frauen", welche die neue Hexe Luisa Francia in ihrem mit heilkundlicher Absicht verfassten "radikale[n] Denkmodell"[9] "Die schmutzige Frau" (1991/92) besungen hat, oder über die Frauentypen in Birgit Heins Essayfilm "Die unheimlichen Frauen" (1992) ein drei, vier Jahrzehnte überbrückender Bogen schlagen, der bis zu Charlotte Roches Roman "Feuchtgebiete" (2008) und seiner gleichnamigen David-Wnendt-Verfilmung (2013) reicht. "Black Christmas" (2019) macht dieses Fass ebenfalls auf und setzt dabei auf eine eher praktisch-gemütlich als aufreizend gekleidete Protagonistin, zielt aber ebenso in eine gegenteilige Richtung: Nicht bloß wird Körperhygiene bei der aufgeregten Suche nach einem menstrual cup groß geschrieben, nicht bloß wird auf junge sowie schlanke bis normalgewichtige Frauen gesetzt, sondern auch aufreizende Partykleidung, die eindeutig auf konventionellste Sexyness zugeschnitten wurde, taugt – sofern selbstbewusst getragen! – zum emanzipatorischen Statement, das sich gegen eine landläufige "Mit jener Kleidung hat sie es darauf angelegt, belästigt zu erden"-Moral wendet und in den 10er Jahren auch in zahlreichen slutwalks kulminierte.[10]
Das ist auch nicht die einzige produktive Zwiegespaltenheit des Films, der ein breites Spektrum feministischer Positionen anbietet, ohne eine davon zu vertiefen oder sich jedesmal zu positionieren. Hingegen fällt der Film eher dort, wo er eindeutig zu sein scheint, zwiespältig aus: Dass nicht bloß gerade die farbige Kris die engagierteste und neben der Hauptfigur Riley auch die bedeutendste Frauenfigur ist, sondern auch der farbige Landon (Caleb Eberhardt) der einzige Mann ist, der durchweg verständnisvoll auf die Schwesternschaft reagiert,[11] bescheinigt zwar auf der einen Seite eine Nähe der Frauenbewegung zur afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung (wobei jüngst die Parallelität von Phänomenen wie #MeToo und #BlackLivesMatter herausgestochen ist), neigt aber andererseits in dieser Form zu einem positiven Rassismus (der anderen Filmen mit vergleichbaren Ansätzen einer Solidarisierung der Farbigen mit Unterdrückten/Außenseitern wie z.B. in "Edward Scissorhands" (1990) gerade nicht automatisch innewohnte).
In anderen Punkten bezieht "Black Christmas" noch deutlicher Stellung: So beginnt der Film wie erwähnt mit einem weiblichen Opfer, das beim Wegschleifen einen Schneeengel hinterlässt, und endet (sieht man vom launigen pussy licking der post-credit-scene ab) bei bewaffneten Schwestern, die gemeinschaftlich und entschlossen zur Gegenwehr schreiten. Dass diese Entwicklung vom unschuldigen Opfer zur wehrhaften Gegnerin positiv konnotiert ist, liegt auf der Hand. Berücksichtigt man aber noch die nahezu leitmotivische Verknüpfung von Schlüsseln und Waffen, so bringt der Film die Forderung militanter Gegenwehr prägnant auf den Punkt: Schon das erste Opfer formt – allerdings in der falschen Situation – aus Hand und Schlüsselbund eine stachelbewehrte Faust; die Hauptdarstellerin wird später mit einer solchen einem Peiniger ins Gesicht boxen. Was hier noch wie eine Übernahme feministischer Selbstverteidigungsempfehlungen wirkt, in denen Schlüssel immer wieder als effektive Stichwaffe auftauchen, wird zwischendurch allerdings originell variiert: Als Professor Gelson während eines Gesprächs vor der Haustür in bedrohlicher Inszenierung einen faustgroßen Stein aus einem Blumenbeet hebt, entpuppt sich die vermeintliche Waffe als Versteck seines Haustürschlüssels: Gewalt ist der Schlüssel. Im Finale werden es passenderweise versperrte Türen sein, hinter denen die mörderisch misogynen Studenten samt Professor verbrennen. Eine Szene, die wie schon der Einsatz der Schlüssel ein durchaus gewitztes Know-how Sophia Takals erkennen lässt: Immerhin hat der Film mit einem misogynen Motto Caleb Hawthornes begonnen, derweil auf der Leinwand Flammen loderten und Schreie zu hören waren. Assoziationen von Nathaniel Hawthornes "The Scarlet Letter" (1850) oder der Geschichte der Hexenverbrennung, welche im Rahmen der 70er-Jahre-Frauenbewegungen rückblickend als misogyn gedeutet worden ist, sind naheliegend, ehe der Film die Flammen und die (letztlich vergnügten) Schreie als Bestandteil einer Feier ausweist. Am Ende steht dann in der Tat eine Art Hexenverbrennung: bloß sind die misogynen und okkultistischen Männer die Opfer und die zuvor unterdrückten Frauen die Richterinnen und Henkerinnen. Kleinigkeiten wie diese gleichen neben produktiven Uneinheitlichkeiten der feministischen Stoßrichtungen manch dramaturgisches Gestümper oder plump eindeutige, alternativlose moralische Statements locker aus. Zahlreiche Verweise auf das Original, die mal originell und einigermaßen aussagekräftig die früheren Figurenbeziehungen (zwischen Studentin und Freund, Täter und Opfer) variieren, manchmal auch bloß als netter Insidergag aus dem Kater des Originalfilms eine ähnlich getaufte Katze machen, sowie einige wenige zusätzliche Anspielungen auf das erste Remake (wie ein zur Waffe umfunktionierter Schlittschuh) beweisen zudem einen Spaß an der Sache und ein Engagement der Filmschaffenden, das über Mittelmaß doch ein wenig hinausgeht. Ob eine R-Rating-Version den Film runder (oder bloß gewalttätiger) werden lassen würde, sei einmal dahingestellt; als Teenie-Horrorfilm des institutionalisierten Horrors an Bildungseinrichtungen hätte er vielleicht noch etwas mehr Ironie à la "The Faculty" (1998) vertragen können, aber dümmlicher als ein "Disturbing Behavior" (1998), der das Problem absoluter Ablehnung nun nicht hat(te), kommt er nun auch nicht daher. Die vehemente, teils gehässige Abneigung, die dieser durchschnittliche Slasherfilm mit interessanten Ansätzen und löblichen Absichten derzeit erfährt, scheint so symptomatisch für derzeitige gender- und Feminismus-Debatten zu sein wie der Film selbst.
6,5/10 für Bob Clarks richtungsweisenden, stimmungsvollen Horrorthriller, schwache 5,5/10 für Morgans Remake, starke 5,5/10 für Takals Remake.


1.) Der klassische Slasherfilm hatte von "Halloween" und "Friday the 13th" über "Terror Train" (1980), "Prom Night" (1980), "The Burning" (1981), "My Blood Valentine" (1981), "Sleepaway Camp" (1983) oder "A Nightmare on Elm Street" (1984) bis hin zu "Intruder" (1988), "Halloween 5" (1989), "A Nightmare on Elm Street 5" (1989), "Friday the 13th VIII" (1989) und "Child's Play" (1989) seine erste große Welle durchlebt und in den 90er Jahren merklich an Einfluss verloren. Eine zweite, insgesamt merklich ironischere, selbstreflexivere Welle setzte mit Wes Cravens "Scream" (1996) ein – wenngleich sich eine gesteigerte Ironie der Subgenrevertreter schon ab 1989 zunehmend erkennen ließ – und schien über mit Subgenreregeln spielende Werke à la "Cherry Falls" (2000) oder Parodien wie "Scary Movie" (2000) und "Shriek" (2000) langsam wieder auszulaufen, erlebte dann aber im Rahmen von Remakes und (ganz besonders) Reboots wie "Black Christmas" (2006), "Halloween" (2007), "Prom Night" (2008), "My Bloody Valentine 3D" (2009), "Friday the 13th" (2009) und "A Nightmare on Elm Street" (2010) einen neuerlichen Schub, der mittlerweile auch mehrere Meta-Slasher mit Retro-Attitüden wie "The Town That Dreaded Sundown" (2014) oder "The Final Girls" (2015) hervorbrachte.
2.) Carol J. Clover: Preface to the Princeton Classics Edition. In: Dies.: Men, Women and Chain Saws. Gender in the Modern Horror Film. Princeton University Press 2015, S. XII.
3.) Freizügig wäre das Plakat eines engumschlungenen nackten Hippiepärchens, welches mit den gespreizten Beinen der Frau und den zusammenliegenden Beinen des auf ihr liegenden Mannes ein Peace-Zeichen formt; unverschämt wäre hingegen das Plakat, auf dem ein freundliches, altes Mütterchen in verschiedenen Aufnahmen präsentiert wird: auf dem letzten Foto streckt sie der Kamera ihren Mittelfinger entgegen.
4.) Christoph Petersen: Black Christmas. Eine Kampfansage an 50 Jahre Slasher-Kino! Auf: http://www.filmstarts.de/kritiken/251287/kritik.html (18.12.2019).
5.) "I was watching it with these manly guys who were all horror buffs, and I remember being struck by how well drawn the female characters were-so different from any of the other slasher movies I had ever seen." (Sophia Takal, Jessica Klein: The ‘Black Christmas' Remake ‘Is About Taking Power Back,' Sophia Takal Says. Auf: https://fortune.com/2019/12/13/black-christmas-2019-remake-director-sophia-takal-interview/ (19.12.2019).)
6.) Das soll aber nicht verschleiern, dass "Black Christmas" (1974) seinerseits sowohl den italienischen als auch den US-amerikanischen Thriller mit dem Motiv der zentralen Drohanrufe beeinflusst hat. Aufällig ist dabei, dass das Remake "Black Christmas" (2006) –
ganz anders als das zeitgleich entstandene Remake "When a Stranger Calls" (2006) des anderen 70er-Jahre-Telefonterror-Horrorthrillers "When a Stranger Calls" (1979), den man in die Tradition von "Black Christmas" (1974) stellen kann – kaum den Wandel der Telekommunikation thematisiert: Während zwischen Joel Schumachers "Phone Booth" (2002) und Brad Andersons "The Call" (2013) das Handy in Thrillern wie Wes Cravens "Red Eye" (2005), seiner "Scream"-Tetralogie (1996-2011) oder dem Ein-Personen-Stück "Buried" (2010) immer betonter in die Handlungen integriert wird (um mit dem Siegeszug des iPhones entsprechend gegen diese Variante eingetauscht zu werden wie auch demnächst in "Countdown" (2019), dem jüngsten Beitrag zum Telekommunikationshorrorfilm), taucht in Morgans Remake des 70er-Jahre-Telefonterror-Klassikers das Handy bloß sehr nebensächlich auf. So verrät es zwar den Aufenthaltsort einer Vermissten und liefert somit eine dramaturgische Abweichung vom Originalfilm, wird aber kaum in den Vordergrund gestellt und kommentiert nahezu gar nicht den technischen Wandel bzw. den technisch bedingten sozialen Wandel der vergangenen drei Jahrzehnte.
7.) Dass das frühere Remake "Black Christmas" (2006) unter anderem von Harvey Weinstein produziert worden war, lässt die aktuelle
Blumhouse-Variante von Takal um so trotziger und auch etwas pikant erscheinen.
8.) In diesem Zusammenhang schlägt der Film eine Brücke zum Original, in dem die Polizisten davon ausgehen, dass verschwundene Frauen in den allermeisten Fällen wieder auftauchen und bloß bei ihrem Freund untergetaucht sind.
9.) Luisa Francia: Die schmutzige Frau. Frauenoffensive 1992, S. 7.
10.) In einem anderen Zusammenhang wird die Frage nach weiblicher Mitschuld bei Belästigungen ganz explizit verneint: Nachdem Rileys Freundin einen Studenten, der es allein darauf abgesehen hat, sie durchs Bett zu ziehen, während einer Störung durch Riley durchschaut hat, wirft sie sich vor, zu dumm gewesen zu sein, was Riley ihr ausredet.
(Abgesehen davon, dass es sich bei besagtem Studenten um einen empathielosen Chauvinisten handelt, bleibt aber offen, was an einem rein körperlichen Akt verwerflich wäre.)
11.) Hingegen mag der weiße Nate als Freund einer Mitschwester nicht mit allen feministischen Statements mitgehen und wird im Streit hinausgeworfen. Hier variiert Takal den Streit zwischen Jessy und Peter im Originalfilm, wobei nicht länger die Abtreibungsthematik Stein des Anstoßes ist, sondern der
rape culture-Diskurs. Wie Peter wird er später zurückkehren und dabei umkommen: hier allerdings nicht von den Frauen ermordet, die in ihm einen Täter mutmaßen, sondern von den Tätern selbst.

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