Den ersten Filmauftritt seines Lebens verdankt der begnadete Karatekämpfer Chuck Norris niemandem geringeren als Bruce Lee, der als Fight Koordinator für den Film Rollkommando (1969) dafür sorgte, dass sein Freund den ersten kleinen Filmauftritt als Bodyguard mit einer zu sprechenden Filmzeile erhielt. 3 Jahre später fungierte Norris als ernstzunehmender Endgegner für Bruce Lee in Die Todeskralle schlägt wieder zu (1972), der sehenswerte Zweikampf der beiden wird auch heute noch als Klassiker des modernen Kampfsportfilms angesehen. Nach seiner ersten größeren Hauptrolle im Low Budget No Brainer Breaker, Breaker (1977), für welchen er eine Gage von 10.000 Doller erhielt, gelang es ihm sich mit Black Tiger (1978), Der Bulldozer (1979) und Octagon (1980) als international beachteter Actiondarsteller zu etablieren. Weitere Actionfilme wie der Gigant (1981) oder McQuade - Der Wolf (1983) folgten, ehe Menahem Golan und Yoran Globus von Cannon 1984 auf ihn aufmerksam wurden und ihn zum gefeierten Star der patriotischen Missing in Action Kriegsreihe machten. Norris nutzte den Erfolg um einen lukrativen Vertrag über mehrere Projekte mit Cannon auszuhandeln, welcher ihm einen Lohn von mindestens 1 Millionen Dollar pro Filmbeteiligung garantierte. Nach der von den Kritikern gefeierten Schlaftablette Cusack - Der Schweigsame (1985) und dem trashig kurzweiligen Propaganda Action Spektakel Invasion U.S.A. (1985) folgte 1986 mit Delta Force der meiner Meinung überzeugendste Actioner aus Norris goldener Cannon Ära.
Fast wäre es ja zum Gigantentreffen der Cannon Aushängeschilder gekommen, aber Charles Bronson lehnte die ihm angebotene Co-Star Rolle des Oberst Nick Alexander wegen terminlichen Differenzen mit Death Wish 3 in letzter Minute kurz vor Drehbeginn ab, zu diesem Zeitpunkt waren sogar schon Filmplakate mit Chuck Norris und ihm gedruckt worden. Ursprünglich sollte in Regisseurs Menahem Golans Actionkracher um die amerikanische Anti-Terror Spezialeinheit Delta Force in Zusammenarbeit mit dessen realen Gründer Colonel Charles Beckwith die gescheiterte Iran Geiselbefreiung Operation Eagle Claw von 1979 thematisiert werden, doch das Hinzufügen eines fiktiven höchstpatriotischen Happyends ließen Beckwith wutentbrannt das Projekt verlassen. Daraufhin entschied man sich für die Flugzeugentführung des Trans-World-Airlines-Flug 847 als realpolitische Inspiration, in welcher am 14.06.1985 von zwei arabischen Terroristen eine amerikanische Boeing 727 zwischen Athen und Rom gekidnappt wurde. Zahlreiche Inhalte und Hintergründe des Verbrechens wie zum Beispiel die Selektierung der jüdischen Geiseln, der zu Tode gefolterte US Marine Taucher, die später zugestiegenen weiteren Hijacker, oder auch die tapfere deutsche Flugbegleiterin, welche beruhigend auf die Entführer einzuwirken versucht, wurden größtenteils realitätsgetreu übernommen und mit der actionreichen, reißerischen Befreiung durch die von Oberst Nick Alexander (Lee Marvin) und Major Scott McCoy (Chuck Norris) angeführte Delta Force äußerst unterhaltsam kombiniert.
So widmet sich die erste Hälfte des mit einer üppigen Laufzeit von knapp 125 Minuten ausgestatteten Chuck Norris Vehikels fast ausschließlich der Flugzeugentführung und der verabscheuungswürdigen Taten der libanesischen Geiselnehmer. In dieser Phase funktioniert Delta Force als schonungsloses und spannendes Entführungsdrama mit wenig Action erstaunlich gut, da Golem die Schlüsselfiguren der Geschichte mit fähigen Schauspielern besetzten konnte, welche die förmlich greifbare Dramatik der gnadenlosen Terroristenaktionen sowie die Angst der Opfer transparent und aufwühlend verkörpern. Der Oscar nominierte Robert Foster glänzt als entschlossener, sadistisch grausamer Terroristenanführer Abdul Rafai und auch sein etwas durchgeknallter Komplize David Menahem (Mustafa) gibt ebenfalls einen lebensnah wirkenden islamistischen Fanatiker zu Protokoll. Bei der Crew und bei den Passagieren empfand ich vor allem die Leistungen von Hana Schygulla (tapfere deutsche Stewardess Ingrid), Bo Svenson (charismatischer Kapitän Roger Campbell) und George Kennedy (Pater William O'Malley) herausragend, die mit ihren gelungenen Darbietungen ihren Teil zur spürbaren Intensität der Teils ergreifenden Szenen beitragen. Ein weiteres Erfolgsgeheimnis ist die authentische Terroristencharakterisierung mit der konsequenten Nennung der dazugehörigen Feindbilder, auch wenn hier so mancher Kritiker für mich völlig unverständlich nach rassistischer Propaganda schreit. Bei islamistischen Attentätern ist der Hass auf Juden, auf die Amerikaner und auf alles Westliche nun mal auch in der Realität weit verbreitet, auch wenn es dem einen oder anderen nicht in den Kopf gehen mag.
Deutlich an Fahrt nimmt der Streifen im zweiten Abschnitt auf, die Actionsequenzen häufen sich und das halbstündige, spektakuläre, bombastische Finale lässt so gut wie keine Wünsche offen. Egal ob die Delta Force nun das entführte Flugzeug stürmt, dutzende von Terroristen blutig erschießt, sich eine wilde Verfolgungsjagd mit den Feinden durch Beirut liefert, oder auch das Hauptquartier der Terroristen effektvoll in die Luft sprengt, die technische Realisierung von Menahem Golan und seinem Team verdient vollste Anerkennung und kann sich auch heute noch sehen lassen. Natürlich bekommt Chuck Norris seine Glanzmomente spendiert. Er darf im Opener seinen Kollegen aus einem brennenden Wrack retten, auf einem mit Raketen und Maschinengewähr voll bewaffneten schwarzen Motorrad scharenweise Gegner ausschalten sowie zur Krönung dem Kopf der Gangsterbande mit seinen unvergleichlichen Karate-Kicks die Kauleiste polieren. Lee Marvin hält sich auch auf Grund seines fortgeschrittenen Alters ein wenig in den temporeichen Kampfdarbietungen zurück, erhält aber genügend Gelegenheiten aus dem Hintergrund zu agieren und mit seiner erfahrenen, altersweisen, knurrigen Art ist er der perfekte Anführer für die amerikanischen Helden. Eine außerordentliche Lobpreisung verdient sich zusätzlich noch die heroisch klingende, ohrwurmartige Delta Force Melodie von Alan Silvestri, welche die heldenhaften Taten der Delta Force musikalisch signifikant glorifiziert.
Bei all den Superlativen sei jedoch eine Warnung ausgesprochen: Zuschauer mit ausgeprägtem Anspruch an Realismus könnten sich vor allem bei dem auf grenzenlose Action getrimmten Showdown vor den Kopf gestoßen fühlen, aber ganz ehrlich, wer bei einem Chuck Norris Actionreißer mit dem Titel The Delta Force eine Dokumentation im Sinne der Tagesthemen erwartet, ist vermutlich im falschen Film gelandet. Offen angesprochen muss auch der ausgiebig zelebrierte US Patriotismus um die Möglichkeiten der Spezialeinheit und deren Unbesiegbarkeit werden. Delta Force strotzt nur so vor Amerikabeweihräucherung und grenzenloser Selbstverliebtheit. Die Message "Amerika ist als einziger in der Lage die Welt zu retten" ist für ein amerikanisches Unterhaltungsprodukt Mitte der 80er Jahre aus dem Hause Cannon keine Seltenheit und findet bis auf die Schlusssequenz im befreiten, zurückfliegenden Flugzeug in sympathisierbarem Maße statt. Doch wenn dann ein ganzes Flugzeug mit Bier in der Hand lauthals grölt, wie schön Amerika doch ist, während ein Mitglied der Armee im Sterben liegt, sind auch für mich die Grenzen des Erträglichen eindeutig erreicht, was in meinen Augen der einzig vorwerfbare Kritikpunkt an Delta Force darstellt. Das Vorhaben von Menahem Golan den Film so mitreißend wie nur irgendwie möglich zu gestalten in allen Ehren, hier ist man eindeutig über das Ziel hinaus geschossen.
Der 9 Millionen Dollar teure Delta Force startete am 14.Februar 1986 in 1720 amerikanischen Kinos und debütierte auf Platz 3 hinter The Color People und Down and out in Beverly Hills mit 5,9 Millionen Dollar am Eröffnungswochenende. Insgesamt konnten in Amerika knapp 18 Millionen Dollar eingespielt werden, was ein ordentliches Ergebnis darstellt, obwohl sich die Herren von Cannon bestimmt mehr erhofft hatten. Kein Geheimnis dürfte sein, dass der Film auch auf Grund seines Patriotentums und seiner Feindbildzeichnung in der Fachpresse Prügel einstecken musste, so zeigte sich beispielsweise das Lexikon des internationalen Films mal wieder, wie so oft, entrüstet: "Klischeehafter, dilettantischer Action-Reißer mit vorgeschobener moralischer Botschaft, der mit politischen Verzerrungen, Feindklischees und Racheinstinkten operiert." Dem geneigten Actionfan dürfte dies herzlich egal sein und auch ich muss zu meiner Schande gestehen, dass die Delta Force zu meinen absoluten Favoriten der 80er Jahre Actionberieselung zählt. Delta Force liefert zum einen mit dem interessanten historischen Hintergrund in der ersten Filmhälfte ein spannendes und realistisch wirkendes Entführungsdrama mit stark aufspielenden Darstellern, zum anderen aber auch ein hervorragend inszeniertes Actionspektakel mit einem fulminanten Soundtrack sowie dem typischen, mit Patriotismus gespickten Testosteronkino der damaligen Zeit, welches bis auf den peinlich in die Hose gegangenen Schlussakt nicht sonderlich stört. MovieStar Wertung: 9 von 10 Punkte.