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Der in "Enttarnt" geschilderte Spionagefall hat die USA nachhaltig erschüttert und gilt dort als der schädlichste Fall des Geheimnisverrats an die Sowjetunion. Die bis heute bestehende Verunsicherung der Amerikaner liegt nicht nur in der Hochwertigkeit der weitergegebenen Informationen, sondern das Jemand fast zwei Jahrzehnte lang für die Sowjets arbeitete, der ob seiner Position als hoher FBI-Offizier und als gottesfürchtiger patriotischer Landsmann, zu dem vertrauenswürdigsten Personenkreis zählte.

Chris Cooper spielt diesen Robert Hanssen sehr ruhig und ernst , als einen Mann, der klare Prinzipien hat und nicht bereit ist, sich verbiegen zu lassen. Doch man hört auch immer wieder eine latente Unzufriedenheit heraus, die sich darin ausdrückt, das Andere, die besser bei den Vorgesetzten ankamen, auf der Karriereleiter schneller vorankamen. Das alles scheint inzwischen keine Rolle mehr zu spielen, denn Robert Hanssen bereitet sich auf seine baldige Pension vor und hegt nur noch wenige Erwartungen an das FBI.

Sein Gegenspieler ist der angehende FBI-Agent Eric O'Neill (Ryan Phillipe), der Hanssen als Assistent zugeordnet wird. Dabei handelt es sich um keinen Zufall, denn O'Neill wird bewusst auf ihn angesetzt - zuerst allerdings nur, weil Hanssen angeblich das Internet für seine sexuellen Obsessionen nutzt. Stattdessen muss O'Neill erfahren, dass er Hanssen keinerlei Verfehlungen nachweisen kann und viel mehr von dessen moralischer Kompetenz beeindruckt ist. Erst als er seine Kontaktfrau Kate Burroughs (Laura Linney) direkt darauf anspricht, erzählt diese ihm, worum es wirklich geht...

Wie der Originaltitel "Breach" schon aussagt, wird in diesem Film der "Durchbruch" in diesem Spionagefall erzählt, also keineswegs die Entstehungsgeschichte und die langjährigen Ermittlungen, bis man den Täter feststellen konnte. Eric O'Neill's Aufgabe liegt darin, Hanssen auf frischer Tat zu erwischen, um ihn entsprechend vor Gericht bestrafen zu können, da die bisherigen Beweise nur für eine kurze Gefängnisstrafe ausreichen würden. Wie in vielen Filmen nach realen Geschehnissen, fällt es auch "Enttarnt" schwer die Vorgeschichte in ihrer Tragweite zu vermitteln, da davon auszugehen ist, dass diese in den USA zum Allgemeinwissen gehört.

Immer wieder deutet Kate Burroughs Details an, die von grosser Tragweite gewesen sein müssen. So erzählt sie O'Neill, dass jahrelang eine Spezial-Abteilung hinter dem Spion her war, von dem man wusste, dass es sich um einen Maulwurf beim FBI handelt. Aber man wusste nicht, das ausgerechnet der Leiter dieser Spezial-Abteilung der gesuchte Täter war. Auch erfährt der Zuseher etwas über die Fakten, die Hanssen an die Sowjetunion lieferte und das er damit einen grossen volkswirtschaftlichen Schaden verursachte. Doch alle diese Informationen bleiben abstrakt und können weder Spannung noch emotionale Betroffenheit beim Zuschauer verursachen. Vielleicht wollte Regisseur Billy Ray dem Ganzen gar nicht so viel Gewicht geben, denn die Konzentration des Films gilt eindeutig dem "Duell" zwischen Cooper und Phillipe und es liegt keineswegs an den durchgehend guten Schauspielerleistungen, dass "Enttarnt" genau hier scheitert.

Dabei bietet die Geschichte eine Menge Ansatzpunkte, um daraus eine kritische Geschichte zu erzählen, die verdeutlichen könnte, warum ein Spion so lange unbemerkt unter den Augen des FBI höchste Geheimnisse verraten konnte. Denn gerade in der Persönlichkeit Hanssens ist der Zwiespalt zu erkennen, von dem sich die Amerikaner nur zu gerne täuschen lassen. Seine religiöse Gesinnung ist echt, genauso wie sein konservatives und patriotisches Auftreten und Cooper gelingt es sehr gut, die darunter verborgenen Unzufriedenheiten und Obsessionen nur ganz schwach durchscheinen zu lassen. Er ist kein kranker gestörter Geist, unter dessen Oberfläche es brodelt ,sondern ein gottesfürchtiger Amerikaner, aber Ray verschenkt dieses Potential, indem er es nicht wagt, tatsächliche Kritik am amerikanischen Wertesystem zu üben.

So werden zwar sexuelle Obsessionen beschrieben und O'Neill kommt auch in den Besitz eines heimlich gedrehten Pornos, der Hanssen beim Sex mit seiner Frau zeigt, aber dem Zuschauer wird nicht recht klar, was damit bezweckt werden soll. Um damit Hanssen doch einen abartigen Charakter zuschreiben zu wollen, sind diese Vorlieben viel zu wenig pervers und da Cooper nie bei der Ausübung gezeigt wird, ist auch kein Bruch in seinem Charakter zu erkennen.

Ähnliches gilt für O'Neill's Hintergrund. In "Enttarnt" werden Vaterkonflikt, beruflicher Ehrgeiz, aber auch seine ungewöhnliche Beziehung zu einer aus der DDR stammenden Frau angedeutet, ohne das daraus Kapital geschlagen wird. So fühlt sich seine Frau Juliana durch Hanssens Fragen nach ihrer Jugendzeit und seinem religiösen Eifer unter Druck gesetzt, was zu Streitigkeiten zwischen den Eheleuten führt, aber diese angedeuteten Konflikte bleiben äusserst schwach und lösen sich dann auch problemlos wieder in Wohlgefallen auf.

Zwar wird die Arbeit im FBI-Hochhaus hier sehr trist und wenig abenteuerlich beschrieben, wie auch der ruhige Inszenierungsstil eine wohltuende Ernsthaftigkeit ausstrahlt, aber letztlich gelingt es dem Film nicht, das tatsächliche Drama zu verdeutlichen. Viele Details werden angedeutet, aber die eigentliche Story wird nur in wenigen Passagen spannend erzählt, was sich auch auf Grund des authentischen Falls, dessen Ende schon von Beginn an bekannt ist, erklärt. Deshalb wäre es notwendig gewesen, die inneren Konflikte der Protagonisten und das sich daraus ergebende psychologische Zusammenspiel stärker hervorzuheben, aber das hat Ray nicht gewagt und hier letztlich doch nur die übliche Geschichte vom guten Amerikaner, der für sein Land kämpft, erzählt.

So müde die Beteiligten nach ihrem Kampf gegen den Spion sind und so trist und einsam ihr Alltag ist - so sehr haben sie sich der guten Sache verschrieben. Selbst das ausgerechnet O'Neill dem FBI zum Schluss den Rücken kehrte, wird als rein persönliche Entscheidung abgeschwächt, so dass erst gar keine Kritik an den us-amerikanischen Grundwerten entstehen kann.

Fazit : Gut gespielter, ruhig und geradlinig erzählter Film über einen wahren Fall. Trotz der grossen Tragweite dieses Spionagefalls, vermeidet Regisseur Ray alle lauten Töne und extremen Anschuldigungen.

Doch so subtil "Enttarnt" daher kommt, so gut ist im Detail zu erkennen, dass hier die Chance verpasst wird, einmal tiefschürfender zu hinterfragen, wie es zu diesem Vorfall kommen konnte. Es werden zwar viele Details angesprochen, aber sie werden nicht konsequent dazu genutzt, einmal das eigene Wertesystem zu hinterfragen, so dass die Story zu einer oberflächlichen Beschreibung der Vorkommnisse verkommt (4,5/10).

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