„Bei dieser Geschwindigkeit wird es nächste Woche keine USA mehr geben!“
30 Jahre, nachdem US-Regisseur Irvin S. Yeaworth Jr. erstmals den fiesen Wackelpudding auf das Publikum losgelassen hatte, erschien im Jahre 1988 ein zeitgemäßes Remake des Science-Fiction-Horror-Kultklassikers unter der Regie des US-Amerikaners Chuck Russell, der damit nach dem wunderbaren „A Nightmare on Elm Street 3: Dream Warriors“ seine zweite Regiearbeit ablieferte. Das Drehbuch entwickelte Russell zusammen mit niemand Geringerem als Frank Darabont, der später mit „The Green Mile“ und „Die Verurteilten“ zwei gefeierte, hochqualitative Stephen-King-Verfilmungen drehte.
Ein Meteorit stürzt ins Waldgebiet an einer US-amerikanischen Kleinstadt. Ein Tippelbruder findet ihn und wird von dessen Inhalt, einer gallertartigen Substanz befallen, die sich über seinen Arm zieht. Kleinstadt-Outlaw und Prügelknabe Brian Flagg (Kevin Dillon, „Platoon“) findet den Mann und muss mit ansehen, wie er unter Schmerzen vors Auto eines Mitschülers und Football-Cracks, der gerade ein Date mit einer Mitschülerin, der Cheerleaderin Meg Penny (Shawnee Smith, bekannt als Amanda aus der „Saw“-Reihe), hat, läuft. Mr. Hübsch & Sportlich verdächtigt sofort Brian, mit der Sache etwas zu tun haben, doch man rauft sich kurzzeitig zusammen und bringt gemeinsam den alten Mann zum Arzt. Dort frisst die klebrige Masse den Mann mittlerweile fast komplett auf und wächst und gedeiht. Auch andere müssen dran glauben, doch die örtliche Polizei hat nichts Besseres zu tun, als Brian ausgiebig zu verhören, dem sie natürlich keinerlei Glauben schenkt. Derweil dezimiert der „Blob“ die Einwohnerzahl der Kleinstadt weiter. Wer kann ihn aufhalten? Und vor allem: Wie?
Die 1980er waren zweifelsohne das Jahrzehnt des spezialeffektträchtigen US-Horrors und in exakt jenem Gewand präsentiert sich der „neue“ Blob. Russell und sein Team machten aus Yeaworth Jr.s Geschichte eine prachtvolle SFX-Orgie mit erhöhtem Splatteranteil, die sich gewaschen hat. Die Rolle des missverstandenen jugendlichen Außenseiters und Rebellen, im Original gespielt vom kaum rebellischen und schon gar nicht jugendlichen Steve McQueen, wurde Kevin Dillon zuteil, ausgestattet mit herrlicher ’80er-Matte, markanter Schnauze, Motorrad und Lederjacke. Andere echte, wenn auch keinesfalls verwegene Charakterfressen in Form des Priesters, des Apothekers und des Deputys gesellen sich in der Darstellerriege dazu, ihr Kontrast sind die konturlosen Durchschnitts- und Musterschüler, die dementsprechend – mit einer weiblichen Ausnahme – schnell zum Puddingfutter werden. Schon der temporeiche Beginn des Films geizt nicht mit blutigen Ekelszenen; diese werden jedoch noch von stark humoristischen, komödiantischen Momenten begleitet – welche im Verlauf der weiteren Handlung indes immer mehr zurückgedrängt bzw. durch kruden, makabren schwarzen Humor ersetzt werden. Teil desselben ist der Schnitt, der ähnlich wie es z.B. Scott Spiegel in „Night of the Intruder“ durchexerzierte, amüsante Übergänge zwischen einzelnen Szenen schafft.
Russells „Der Blob“ bringt eine ganze Reihe eigener Ideen mit, hält sich in Bezug auf Schlüsselmomente aber recht eng ans Original. So wurde der beschriebene Beginn beinahe 1:1 übernommen, dringt der Organismus auch hier kurz in einen kalten Raum ein, um direkt darauf Reißaus zu nehmen und wütet zum Entsetzen der Zuschauer im Kino (wo gerade eine „Freitag, der 13.“-Parodie zwischen Hommage und Verarsche läuft). Neu hingegen ist, dass er auch mit tentakeligen Auswüchsen, äh... „arbeitet“ und sich gemeinerweise sogar in seine Opfer hineinfressen kann, ohne dass man es ihnen äußerlich ansehen würde – was einem notgeilen Footballer in einer herrlichen Szene zum Verhängnis wird. Grotesk-faszinierend auch, dass sich im Inneren des Blobs noch nicht verdaute Opfer abzeichnen, besonders eindrucksvoll in der an Hitchcocks „Die Vögel“ erinnernden Telefonzellenszene zu beobachten. Neu ist auch, wie gnadenlos und konsequent hier Sympathieträger vom Blob absorbiert werden, selbst vor Kindern wird nicht Halt gemacht. Ja, lustiges Familienkino sieht anders aus – trotz des Humoranteils wird der König der Schwabbelmonster nicht ins Lächerliche gezogen. Sicherlich, manch Todesszene wirkt doch arg selbstzweck- und episodenhaft, fast schon losgelöst vom Rest der Handlung, doch das war im Original nicht unbedingt anders.
Die sich entwickelnde Außenseiterromanze zwischen Fast-Rocker Brian und der nach dem Verlust ihres Umgarners wieder freien Cheerleaderin Meg, einem ungleichen Paar also, das sich im Laufe der Zeit durch die Extremsituation bedingt einander annähert, bietet Raum für das Aus-der-Welt-Schaffen von Missverständnissen und Vorurteilen und watscht die Oberflächlichkeit junger Menschen ab – wobei manch Zuschauer sicherlich die ergreifendsten Kuschelrock-Powerballaden des Jahrzehnts im Ohr erklingen. Hach... Darüber hinaus übt „Der Blob“ deutlich Kritik am wenig sozialen und ganz und gar nicht solidarischen US-amerikanischen Krankenversicherungswesen, an der Polizei (der Deputy ist ein im Grunde genommen lächerlicher, speichelleckender Vollarsch) und dem Militär, denn – Achtung, Spoiler! – im Gegensatz zum Original ist die Kreatur hier nicht wirklich außerirdischer Herkunft... Jenes Original war aber auch schon ein bisschen „...denn sie wissen nicht, was sie tun“, und diese Linie wird von Russell/Darabont konsequent um- und fortgesetzt. Sie setzen sogar noch einen drauf und lassen auch Kirchenvertreter alles andere als gut aussehen; der ach so fromme Pastor – Achtung, Spoiler! – verspürt im wunderbar makabren Epilog große Lust, selbst die Apokalypse einzuleiten.
Tatsächlich bekommt man soviel geboten, dass es zu keiner Sekunde langatmig wird, im Gegenteil: Russell gelang exakt die zeitgenössische Monstersause, die er kreieren musste, um aufzufallen und gegenüber der Konkurrenz zu bestehen. Neben dem Glibber-Schmelz-Schmodder-Splatter setzte er zusätzlich auf Schießereien, Explosionen und Stunts als optische Schauwerte. Das die Stadt in Quarantäne versetzende Militärsonderkommando hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, dass jemand ihren Deportierungen entkommt, wie man deutlich an den anscheinend unzureichend trainierten Schießkünsten der Soldaten merkt. Letztlich wird dem oft gedemütigten und missverstandenen Brian die Aufgabe zuteil, die Stadt zu retten und dadurch den entscheidenden Wendepunkt seiner Existenz zu erreichen. Es steht mehr auf dem Spiel als die schnöde Stadt, was der offenbar actionerprobte Kevin Dillon mit seiner schauspielerischen Leistung sehr annehmbar unter Beweis stellt. Leider gelang es nicht, die Klaustrophobie im Finale des Films ähnlich spürbar zu machen wie Yeaworth Jr. 1958, da sich Russell ausschließlich auf seinen Hauptdarsteller konzentriert, der quasi als einziger Stadtbewohner noch im Freien agiert.
Dieses kleine Manko soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Der Blob“ ein fabulöses Vergnügen für Genrefreunde und solche, die es werden wollen, darstellt und zu den gelungensten Remakes zählt. Mit seiner Orientierung am Original einerseits, aber vielen originellen Ideen und einer über ein entsprechendes Budget verfügenden Spezialeffekteinheit an der Hand andererseits sowie der Fortführung des sozialdramatischen Aspekts der Geschichte beschritt man einen Mittelweg, der es tatsächlich einmal den meisten recht gemacht haben und für zufriedene Gesichter gesorgt haben dürfte, wenn mit dem Abspann der breitbeinige typisch ’80er-Arena-/AOR-Hardrocker „Brave New Love“ der Gruppe „Alien“ ertönt. Regisseur Chuck Russell jedenfalls war auf dem Höhepunkt seines Schaffens, bevor er in den 1990ern mit der schnell nervenden Fantasykomödie „Die Maske“ mit Jim Carrey polarisierte, mit „Eraser“ mit Arnold Schwarzenegger ins Actionfach wechselte und anschließend mit der Gurke „Die Prophezeiung“ mit Kim Basinger sowie „The Scorpion King“ mit Wrestler Dwayne „The Rock“ Johnson in der Bedeutungslosigkeit verschwand. Regisseure kommen und gehen nun mal, aber der Blob wird immer eines meiner Lieblingsmonster bleiben!