Wie haben es immer schon gewusst - die Menschheit ist ein Sündenpfuhl und was liegt da näher, als einen modernen Thriller zu drehen, in dem es von obsessiven sexuellen Spielarten nur so wimmelt. Und so nehmen die Darsteller hier auch kein Blatt vor den Mund, besonders wenn sie sich in einschlägigen Internetforen aufhalten, heutzutage bekanntlich der Hort sexuell abartiger Spielarten.
Wie formuliert Harrison Hill, der Boss eines großen Werbeunternehmens - natürlich unter seinem Pseudonym - so schön : "Ich fick dich durch, bis du in zwei Teile zerbrichst" und vielleicht wollte Bruce Willis einfach mal wieder etwas anderes spielen als obskure Vaterrollen ("Alpha Dog") , Killer ("Lucky # Slevin") oder gealterte Polizisten ("16 Blocks"). Hier glänzt er als sinistrer, auch zu Gewalttätigkeiten neigender ,obercooler Womanizer, der nicht nur eine Schönheit als Frau hat, sondern auch sonst keine attraktive Frau in seiner Umgebung verschmäht...
Doch zuerst sehen wir die Journalistin Ro (Halle Berry), wie sie einen Senator besucht, mit dem sie scheinbar einen Artikel abstimmen will. Dabei konfrontiert sie ihn mit komprimierenden Fotos, die verdeutlichen ,daß er homosexuell ist ,etwas was für ihn besonders unangenehm ist, da er in der Öffentlichkeit gegen die Homosexuellen angeht. Ro gelingt es, daß er sich erpressen läßt, und kann seine Aussage dank der elektronischen Medien abspeichern. Als sie noch mit ihrem befreundeten Kollegen Mikey (Giovanni Ribisi) den Erfolg feiert, kommt ihr Chef vorbei und eröffnet ihr, daß der Artikel nicht gedruckt wird, da sich offensichtlich mächtige Männer mit viel Geld für den Senator eingesetzt haben.
Scheinbar ist es heute auch für Journalisten legitim, mit unfairen Tricks zu arbeiten, denn der Film stellt die erpresserische Methode und die illegale Abhöraktion nicht in Frage, sondern rechtfertigt das mit der angeblichen Verlogenheit des Senators. Ro ist jedenfalls aufrichtig empört, nachdem man sie so gestoppt hat, und hätte vor lauter Ärger fast ihre alte Freundin Grace (Nicki Aycox) überhört, die ihr rufend hinterher läuft. Doch es gelingt Grace noch ,sie in der U-Bahnstation einzuholen und ihr eine verrückte Sexgeschichte zu erzählen, die sie mit Harrison Hill (Bruce Willis) erlebt hatte. Sie hatte ihn im Internet kennengelernt und dann ein Wochende im "gemieteten Ficknest" mit ihm erlebt. Danach hatte er nicht mehr auf sie reagiert und sie möchte nun von Ro, daß sie die Wahrheit über den Ehebetrüger in die Zeitung bringt.
Doch darauf hat diese gar keine Lust bis plötzlich Grace' bestialisch ermordete Leiche entdeckt wird und sie sich mit Mikey auf die Suche nach dem wahren Mörder macht. Schon die Besetzung mit Giovanni Ribisi macht deutlich, daß es sich bei Mikey nur um einen Freak handeln kann, der ständig am Computer hängt und seinen Obsessionen nachgeht. Offensichtlich ist er auch scharf auf Ro, die ihn aber immer wieder abblitzen läßt und es lieber gleich mit Grace' Ex-Freund Cameron treibt, den sie an diesem Abend zum ersten Mal nach Grace Tod wiedersieht. Auch diese Szene, bei der Mikey aus einer dunklen Ecke heraus zusieht, soll verdeutlichen, daß hier Jeder Dreck am Stecken hat.
Doch Regisseur James Foley verliert bei seinem Bemühen, ständig irgendwelche Verwicklungen und sexuellen Machenschaften hinzuzufügen, die Kontrolle über das Geschehen. Nicht nur das Harrison Hill noch eine äußerst attraktive - natürlich lesbische - Frau als "Aufpasserin" von seiner Ehefrau zur Seite bekam, sondern gleichzeitig wird auch Ro immer wieder von Erinnerungen gequält, die einen Kindesmißbrauch durch ihren Vater anzudeuten scheinen.
Genau an diesen Sequenzen erkennt man gut die Schwäche des Films, der jegliche Linie und innere Logik vermissen läßt. Die immer wieder vor Ros innerem Auge erscheinenden Bilder aus der Vergangenheit ,setzen sich weiter zusammen und sollen uns Zuschauern zum Schluß des Films die "Wahrheit" verraten. Ein legitimes filmisches Mittel, wenn der Protagonist sich ebenso erst in seine Erinnerungen zurück kämpft. Nur hat Ro hier keinerlei Gedächtnislücken und kann sich sehr gut an Alles erinnern - einzig für uns Zuschauer werden diese Szenen häppchenartig zur Spannungssteigerung verabreicht.
Dadurch gaukelt der Film eine Authentizität vor, die er bei keinem seiner Darsteller wirklich leisten kann. Halle Berry, die hier äußerst attraktiv in engsten Klamotten inszeniert wird, bleibt dem Zuschauer unbekannt und wirkt in ihrer verlogenen Arbeitsmethode leicht unsympathisch. Bruce Willis, der eine Zeit lang souverän agiert und wie immer "the cool man" ist, wird plötzlich achtlos fallengelassen. Seine gesamte Macht und Einfluss scheinen keine Rolle mehr zu spielen, abgesehen davon, daß der Film sich auch keinerlei Mühe gibt, die inneren Beweggründe für seine obsessiven Sexabenteuer ,mit denen er sich rund um die Uhr beschäftigt, zu offenbaren. Seine Frau wird nur als eifersüchtige Schönheit gezeigt und die von ihr eingesetzte Aufpasserin versagt ständig bei ihrem Job.
Einzig Giovanni Ribisi kann dem Mikey so etwas wie charakterliche Substanz geben. Doch gerade hier beweist sich, daß "Verführung eines Fremden" in seiner scheinbaren sexuellen Offenheit völlig verlogen ist, denn Mikey ,dessen Obsessionen am detailliertesten gezeigt werden, wird als verrückter einsamer Freak regelrecht gegeißelt.
Fazit : Letztlich bleibt "Verführung eines Fremden" ein äußerst durchschnittlicher Thriller, der sich der sexuellen Thematik nur bedient und keinerlei Interesse hat, wirklich in innere charakterliche Dimensionen einzudringen oder gar Sympathien für sexuelle Obsessionen zu entwickeln.
Regisseur Foley setzt stattdessen auf schnell geschnittene Abläufe, die durch ständig wechselnde Perspektiven für Verwirrung beim Zuschauer sorgen und tatsächlich durchaus Spannung erzeugen. Man folgt dem Geschehen atemlos, ohne Sympathien für die oberflächlich gezeichneten Protagonisten zu entwickeln, wenn man mal davon absieht, daß Bruce immer cool ist.
Dazu nimmt sich der Film viel zu ernst und entwickelt kaum Humor, was dringend notwendig gewesen wäre, angesichts der kruden Auflösung und des sensationsheischenden verlogenen Blicks auf die menschliche Sexualität (3/10).