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Titanic” mag zwar beinahe 2 Milliarden US-Dollar eingespielt haben, dennoch war James Camerons epische Liebesgeschichte nicht für jeden Beteiligten ausschließlich ein Erfolg: Auch wenn die Rolle des Jack Dawson dem talentierten Leonardo diCaprio die Türen nach Hollywood öffnete und ihn über Nacht zum Frauenschwarm avancieren ließ, musste der Darsteller fortan mit eben jenem weichgespültem Image kämpfen und sich künftig so mancher Vorurteile erwehren. Doch der Mime konnte alle Zweifler eines Besseren belehren: Nicht zuletzt durch seine reifen Auftritte in verschiedensten Filmen von Martin Scorsese (“Gangs of New York”, “Aviator”, “Departed”) konnte sich diCaprio als herausragender Schauspieler etablieren. Dieses Bild festigte er mit Edward Zwicks gesellschaftskritischem Action-Drama “Blood Diamond”, in dem er seinen bis dato abgründigsten Charakter verkörpern darf.

Sierra Leone im Jahr 1999: Die äußerst brutal vorgehenden Rebellen der RUF versuchen die amtierende Regierung zu stürzen. Finanziert wird dieser Bürgerkrieg durch den Verkauf von Blutdiamanten. Der von der RUF zum Arbeiten gezwungene Solomon Vandy (Djimon Hounsou) findet eines Tages solch einen Edelstein, dessen Größe nie gesehene Ausmaße annimmt. Er kann das Prachtstück noch hastig verstecken, bevor er von Regierungstruppen gefangen genommen und abtransportiert wird. Im Gefängnis erfährt der aufgrund eines missglückten Deals ebenfalls inhaftierte Diamantenschmuggler Danny Archer (Leonardo diCaprio) von dem wertvollen Schatz. Nach der Freilassung beider verspricht Archer, die verlorene Familie von Solomon zu finden, insofern ihm dieser den Weg zum Diamanten weist. Mit Unterstützung der amerikanischen Journalistin Maddy Bowen (Jennifer Connelly) beginnt eine Reise quer durch das im Chaos versinkende Land…

Man darf es beinahe als gewagt bezeichnen, in welcher Art und Weise der Hauptcharakter in “Blood Diamond” angelegt wird: Auch diCaprios Star-Power sowie sein erneut sehr starkes Spiel können nicht davon ablenken, dass sein Danny Archer ein durch und durch mieser Kerl ist. Es gab zwar bisher nicht unbedingt selten Bad Guys als zentrale Figuren (man nehme bspw. Nicolas Cage als Yuri Orlov in dem thematisch verwandten “Lord of War”), doch wurden deren Taten oft durch einen Schuss Witz und Ironie oder auch durch ihren entwaffnenden Charme aufgelockert und somit entschärft - dies ist hier nicht der Fall. Archer ist ein eiskalter Zyniker, dem nur sein eigenes Wohlergehen wichtig ist. Seine dunklen Eigenschaften sind allesamt das Ergebnis seiner Kapitulation vor dem scheinbar nicht zu ändernden System: Anstatt gegen die endlose Spirale der Gewalt anzukämpfen, will er lieber solange von ihr profitieren, bis er sie durch seine Flucht schlussendlich vollends ignorieren kann. Wie er sagen würde: Das ist Afrika.

Gerade aufgrund dieser Abgründigkeit dient der Charakter als perfekte Projektionsfläche für die gesellschaftskritischen Botschaften des Films. Selbst wenn einem dieser gewissenlose Opportunismus zuerst verachtenswert vorkommen mag, erscheinen Archers Rechtfertigungen und Argumentationen dennoch schlüssig - würde man im Endeffekt selbst anders handeln? Die womöglich erschreckende Antwort rüttelt weitaus mehr auf, als es eine plakative Anklage könnte. Als Gegenentwurf zu diesem pessimistischen Weltbild dient scheinbar Jennifer Connellys lebhaft dargestellte Reporterin, welche ihren medialen Einfluss zur Verbesserung der Lage nutzen möchte. Doch spätestens wenn sie sich mit ihrer Kamera auf kürzlich Verunglückte stürzt und deren Leid lieber gekonnt einfängt, anstatt es zu lindern, wird die Ambivalenz dieser angeblich so noblem Motive klar.

Bei all dieser Zwiespältigkeit muss der Streifen dennoch nicht gänzlich ohne einen wirklichen Sympathieträger auskommen: Djimon Hounsous kraftvolle Vorstellung als besorgter Familienvater verleiht dem sonst so bedrückenden Geschehen eine menschliche Note. Leider übertreibt man es damit zum Schluss hin teilweise, weshalb die letzten Minuten etwas zu dick aufgetragen und zu versöhnlich wirken. Auch die verzweifelte Suche nach seinem Sohn erweist sich zunehmend als dramaturgischer Ballast, den der Film nicht nötig gehabt hätte. Diese eher schwachen Momente werden jedoch durch die sonst herrschende raue Härte und die damit einhergehende Intensität wieder kompensiert. Wenn bspw. indoktrinierte Kindersoldaten unschuldige Zivilisten erschießen, werden die Schrecken des Bürgerkriegs realistisch und ungeschönt präsentiert.

Abseits dieser schockierenden Aufnahmen sowie der Kritik an der Ausnutzung des Konflikts präsentiert sich “Blood Diamond” jedoch auch als spannend inszenierter Abenteuer-Film, der neben seinen packenden Action-Sequenzen mit einer Vielzahl starker Landschaftspanoramen überzeugen kann. Trotz dem deutlichen Aufzeigen und Anklagen der Missstände wird somit auch der Unterhaltungswert stets auf einem sehr gutem Niveau gehalten - eine ambitionierte und lobenswerte Mischung.

Fazit:Blood Diamond” zeichnet ein schonungsloses Bild von den Gräueltaten des Bürgerkrieges in Sierra Leone. Die mediale wie auch monetäre Ausbeutung solcher Konfliktländer wird durch die famos aufspielende Schauspielerriege gekonnt illustriert, ohne dabei jedoch den Unterhaltungswert zu vernachlässigen. Auch wenn leichte dramaturgische Schwächen den Gesamteindruck etwas dämpfen, weiß das kritische Action-Drama aufgrund seiner Inszenierung und Intensität zu begeistern.

8/10

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