Review

Sollte Leonardo DiCaprio bei der diesjährigen Oscarverleihung, wie schon bei der Verleihung des Golden Globe im Januar, als bester Hauptdarsteller übergangen werden, werde ich höchstpersönlich nach Hollywood fliegen und die Juroren mit brennenden Kohlen foltern.

Der ehemalige Jungstar und Teenieschwarm hat sich in den letzten Jahren schauspielerisch immens weiterentwickelt und mit seinen beiden neuesten Filmen („The Departed“, „Blood Diamond“) bewiesen, dass der Untergang der „Titanic“ und das damit verbundene Sunnyboyimage schon lange vergessen sind.
Schon in „The Beach“ machte er, in der Rolle eines vergnügungs- und abenteuersüchtigen Amerikaners, eine gute Figur, in „The Departed“ spielte er alle anderen Darsteller (Nicholson eingeschlossen) als desillusionierter Undercovercop an die Wand und mit „Blood Diamond“ liefert er sicher die bisher beste Leistung seiner Karriere ab. Es ist unglaublich mit welcher Präsenz, schauspielerischer Kraft und Ausstrahlung er den zynischen, sich selbst hassenden Söldner auf der Suche nach einem lupenreinen Diamanten mimt.

Regie bei diesem Actionthrillerdrama führt Edward Zwick, dem ich eine solch solide Regiearbeit nach Schmachtfetzen wie „Legenden der Leidenschaft“, „Last Samurai“ und „Mut zur Wahrheit“ gar nicht zugetraut hätte.

Jennifer Connely („Hulk“, „Dark Water“), Djimon Hounsou („Gladiator“, „Insel“), Michael Sheen („Underworld“, „Königreich der Himmel“) und Arnold Vosloo („Die Mumie“, „Harte Ziele“) unterstützen Leonardo DiCaprio auf seiner Tour de Force durch die Bürgerkriegswirren der auslaufenden 90er Jahre in Afrika.

Ein paar Sätze zum Inhalt:
„Blood Diamond“ ist zeitlich im Sierra Leone des Jahres 1999, also in jener Zeit in der der dortige Bürgerkrieg an Heftigkeit kaum zu überbieten war, angesiedelt. Finanziert wurde/wird dieser Krieg durch den Handel mit so genannten Blutdiamanten, die die Warlords mit rücksichtsloser Gewalt, von der Landbevölkerung, aus der afrikanischen Erde reißen lassen.
Vor diesem Hintergrund übt der Glücksritter und Söldner Danny Archer seine illegalen Geschäfte aus. Er tauscht Diamanten gegen Waffen und unterstützt damit die sich gegenseitig bekämpfenden Parteien. Inmitten immer härter werdender Kämpfe, unter denen vor allem die Zivilbevölkerung zu leiden hat, stößt Archer auf Solomon Vandy, der einen riesigen, lupenreinen Diamanten gefunden und versteckt hat.
Dieser Stein weckt Archers Interesse und Gier und bringt ihn dazu, sich an Solomons Fersen zu heften. Notwendigerweise schließen die beiden sich zusammen und machen sich auf die Suche nach Solomons Familie und dem Diamanten.

Grundlage von „Blood Diamond“ sind einerseits die Dokumentation „Cry Freetown“ des afrikanischen Journalisten und Filmemachers Sorious Samura und andererseits das Buch Tödliche Steine von Greg Campbell, das detailliert über Waffenhandel, Bürgerkrieg und Diamantenschmuggel in Afrika berichtet.

Gewalt ist in „Blood Diamond“ ein tragendes Element (Für mich ist der Film um ein Vielfaches härter als alle „Hostels“ dieser Welt).
„Blood Diamond“ beginnt mit einem brutalen Massaker in einem Fischerdorf und der Entführung von Solomon Vandy und endet mit der Zerbombung eines Diamantencamps und der Ermordung aller Anwesenden (Rebellen, Soldaten, Arbeiter).
Die Brutalität mit der die so genannten Rebellen, aber auch die Regierungstruppen ihre eigenen Landsleute ermorden ist erschreckend und desillusionierend.
Jene Rücksichtslosigkeit zieht sich auch, wie der sprichwörtliche rote Faden, durch den gesamten Film.
Kinder werden zum Töten gezwungen, Hände werden abgehackt, ganze Dörfer werden ausgerottet und die Welt nutzt diese Situation dankbar aus, um an möglichst billigen Schmuck zu gelangen.

Somit werden nicht nur der Bürgerkrieg und die skrupellosen Rebellen beziehungsweise Soldaten kritisiert, sondern auch jene westlichen Konzerne, die über die Situation in Afrika genauestens Bescheid wissen, sie jedoch ausnutzen um mit Schmuck aus diesen Problemgebieten möglichst viele (Möchtegern-)Reiche, die Nichts wissen oder Nichts wissen wollen, mit günstigen Diamantencolliers zu behängen.

Der Film legt ein sehr hohes Tempo vor und schockiert durch seine Direktheit, explizite Gewaltdarstellung und Intensität, lässt aber die unterschwellige Kritik und das politische Anliegen dabei nie in den Hintergrund treten.

„Blood Diamond“ zeigt weiters eine für Hollywood-Verhältnisse sehr ungewöhnliche Bereitschaft, vor der Gewalt in Afrika nicht die Augen zu verschließen und die Bilder von fanatisierten Kindersoldaten, die unschuldige Dorfbewohner niedermähen zu zeigen.
Tötende Kinder, wahnsinnige Soldaten, Korruption, Fremdenhass, Apartheit, Völkermord, Gier, Selbstgefälligkeit und versteckt etwas Hoffnung sind die Elemente die den Ton angeben.

Negativ fand ich lediglich, dass der Film zeitweise etwas überambitioniert wirkt und sich den Vorwurf, die zurzeit gängige Mode über die Probleme in Afrika zu berichten, zu bedienen, gefallen lassen muss (Angelina Jolie und Brad Pitt würden am liebsten alle Afrikaner adoptieren, Madonna hätte gerne schwarze Kinder, Nicholas Cage handelte schon in „Lord of War“ mit Warlords etc.).
Sehr gefährlich ist des Weiteren auch der Spagat zwischen den außerordentlich guten Actionsequenzen und Spannungsmomenten und der dramatischen (realen) Hintergrundgeschichte (Dieser wurde meiner Meinung nach aber exzellent gemeistert).

Ausklingen lässt Zwick den Film mit der Aufdeckung und Verhaftung eines der größten Abnehmer der Blutdiamanten und einem Text vor schwarzem Hintergrund, der noch einmal, die Thematik rund um Diamanten und Völkermord erläutert.

An den Darstellerleistungen gibt es nichts zu bemängeln:
DiCaprio spielt, wie gesagt, oscarreif. Djimon Hounsou ist perfekt besetzt und agiert mit vollem Körpereinsatz. Jennifer Connely ist wunderschön anzusehen und versteht es besser als jede andere Darstellerin in Hollywood die verschiedenen konkurrierenden Gefühlsregungen einer Person darzustellen. Die Chemie zwischen Connely und DiCaprio ist außerdem außergewöhnlich (vor allem die letzte Szene ist berührend). Michael Sheen und Arnold Vosloo runden das Ensemble gekonnt ab.

Fazit:
Ich bin beeindruckt:
"Blood Diamond" vereint perfektes Unterhaltungskino mit sozialem Anspruch und bietet hervorragende Leistungen der prominenten Darsteller.
Das Drama behandelt sowohl die Themen Kindersoldaten, Blutdiamanten, Waffenhandel, Völkermord und Scheinheiligkeit der Mächtigen als auch Liebe, Vertrauen und Zusammenhalt.

Nachsatz:
In einer Filmzeitschrift wird „Blood Diamond“ als langatmig bezeichnet, während auf der darauf folgenden Seite „Saw 3“ mit der zweithöchsten Punktezahl versehen und in den Himmel gelobt wird.
Daran kann man erkennen wie verschieden die Auffassungen von echtem Horror sind. Für mich ist die Realität immer brutaler als jeder Horrorfilm.

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