Nun darf man Edward Zwick („Courage Under Fire“, „The Siege“) wohl endgültig in Hollywoods erlauchten Kreis absolut fähiger Filmemacher zählen. Schon „The Last Samurai“ war ein außergewöhnlich gut inszeniertes Abenteuer, doch mit „Blood Diamond“ legt er gleich noch eine Schippe drauf und schafft nebenher noch das Unmögliche – mich als Leonardo DiCaprio – Hasser zu seinem Fan mutieren zu lassen.
Für Hollywoods Verhältnisse nimmt der Film sich nicht nur einem relativ kontroversen Thema an, sondern fasst es auch in authentischen Bilder zusammen, die sich näher an der Realität orientieren, als man es allgemein wahrhaben möchte.
Harter Tobak allemal, den Warners Marketingexperten dummerweise unbedingt ins Rennen um die begehrten Oscars pressen wollten und dabei ganz außer Acht ließen, dass Anfang Dezember, so kurz vor der besinnlichen Weihnachtszeit, die wenigsten Amerikaner mit so einer schwer verdaulichen Geschichte im Kino konfrontiert werden möchten.
Denn auf Autopilot kann man hier als Zuschauer nur schwerlich stellen, wenn Zwick auf seine unbeschönigende, direkte Art 1999 nach Sierra Leone reist, um sich mitten in die chaotischen Zustände dieses Landes zu stürzen.
Es wird von einem Bürgerkrieg erschüttert, von Korruption ausgesaugt und die rivalisierenden Parteien finanzieren sich mit Diamantenschmuggel, wovon wiederum trotz Abkommen internationale Händler profitieren, die genügend Schlupflöcher kennen, um an die sogenannten Konfliktdiamanten zu kommen und den Absatzmarkt steuern. Im Grunde geht in diesem Land alles vor die Hunde, während gesellschaftliche Strukturen in sich zusammenfallen.
Durch diese Wirren schlagen sich nicht nur der abgebrühte Ex-Söldner und Diamantenschmuggler Archer (Leonardo DiCaprio, „Titanic“, „The Departed“) auf der Suche nach dem nächsten größten Klunker-Coup, sondern auch der Fischer Solomon Vandy (Djimon Hounsou, „Gladiator“, „The Island“). Er sucht seinem Sohn, der von Milizen entführt wurde, die sein ganzes Dorf in einem grausamen Massaker niedermetzelten. Beide bilden eine Zweckgemeinschaft, denn sie sind aufeinander angewiesen. Archer will einen riesigen Blutdiamanten, den Solomon während seiner Zwangsarbeit in den Diamantfeldern verstecken konnte und der wiederum seinen Sohn wiederfinden. Zwischen beiden herrscht also ein Interessenkonflikt, der ein paar tolle, mit Emotionen geführte Dialoge mit sich bringt.
Ergänzt werden sie später noch von der Reporterin Maddy Bowen (Jennifer Connelly, „Hulk“, „Dark Water“), die endlich auch einmal etwas bewegen und nicht nur über die Krisenherde berichten möchte. Da ist Archer der richtige Mann, weiß er doch nur zu genau über welche Umwege die Diamanten aus dem Land geschafft und mit falschen Herkunftspapieren ausgestattet werden.
Atemberaubend tolle Landschaftsaufnahmen gehen mit den rauen Bildern des Bürgerkriegs einher, dem die hilflosen Zivilisten zum Opfer fallen, ohne dass sie Wissen, was ihnen geschieht. Das Elend greift allerorten um sich, während die internationalen Hilfsorganisationen machtlos nur notdürftig eingreifen können.
Amputationen und Verstümmelungen werden genauso hart und unbeschönigend gezeigt, wie die diversen Kriegsschauplätze während der Unruhen. Obwohl „Blood Diamond“ trotz Überlänge nicht tiefer in die Thematik einsteigt, sondern sich seinen Trio und dessen Odyssee widmet, wird Zwicks Anliegen deutlich. Insbesondere die diversen, unmittelbaren Gräueltaten an der Bevölkerung gehen unter die Haut. Den Film als kritisch zu bezeichnen, wäre wohl zu viel des Guten, aber er macht seinen Standpunkt klar und zeigt viele Schauplätze und Situationen, die so explizit und grausam nicht mehr den Regeln des leicht konsumierbaren Popcorn-Kinos unterliegen. Die enthemmten Kindersoldaten sind immer wieder als bestes Beispiel zu nennen, wenn sie geradezu exstatisch Leichen schänden und wie irrsinnig durch die Straßen ziehen.
Dramatisch, packend und direkt sind die Schilderungen, sehr selbstsüchtig die Figuren und bisweilen unglaublich die Tatsachen. Besonders der charismatische Djimon Hounsou, an dem ich seit Jahren einen Narren gefressen habe und der hier endlich mal mehr von seinem Können zeigen darf, spielt als verzweifelter Vater ganz groß auf. DiCaprio steckt als abgebrühter Abenteurer mit zwei Gesichtern aber genauso wenig zurück wie Jennifer Connelly. Trotz des ständigen Fluchtszenarios bleiben für sie auch Momente für ruhige Dialoge, in denen sich die Figuren weiterentwickeln können und Zwick ihnen die nötige Tiefenzeichnung zugesteht. Besonders Archer macht einen Wandel durch.
Arnold Vosloo („The Mummy“, „Im Auftrag des Vatikans“) kann man übrigens als seinen Ausbilder in einer Nebenrolle als skrupellosen Waffendealer und Söldner-Kommandanten übrigens kaum idealer besetzen.
Ob nun die extrem stark inszenierten Actionszenen (Kriegschaos in den Straßen, Helikopter-Angriff auf ein Diamantenfeld etc.), die auch kein Ridley Scott oder Steven Spielberg besser umsetzen hätte können, oder die beängstigend realistisch dargestellte Ausbildung von Kindersoldaten per Gehirnwäsche und Heroin, in „Blood Diamond“ steckt viel diskussionswürdiger Stoff, dem man sich nach dem Kinobesuch sicherlich noch einmal in Ruhe auf der Zunge zergehen lassen sollte, um im Stillen darüber nachzudenken. Keineswegs etwas, was viele Hollywood-Blockbuster momentan von sich behaupten können.
Trotz Überlänge behält der Film seinen Schwung bei und hält das Versprechen des starken Trailers. Zum Schluss löst sich der Plot zwar etwas zu enthusiastisch auf, wirklich schmälern tut dies den wirklich positiven Gesamteindruck aber nicht. Bis dahin bleibt die Geschichte aber sehr spannend, fiebert man mit den Protagonisten und hofft, dass auch ja jeder mit heiler Haut davon kommt. Nicht alle schaffen es. Darunter sind auch Charaktere, die man sonst nicht auf der Rechnung hat.
Auf welchen Irrsinn sie dabei stoßen, werde ich hier nicht weiter erläutern. Man kann sich über kein Schicksal gewiss sein und sowieso keine Minuten sicher fühlen. Jeder der Drei hat seine Wünsche und Sehnsüchte, nur mit der Erfüllung ist das eben so eine Sache. Damit einher geht ständig der Anspruch mehr als unterhalten zu wollen. Sein Anliegen als Unterhaltungsfilm so effektiv zu verpacken, gelingt wenigen Filmen so gut wie „Blood Diamond“ und er hat viel zu sagen. Von internationalen Diamantenhändlern bis zur dortigen Regierung bekommt jeder sein Fett weg.
Fazit:
In meinen Augen liefert Zwick mit „Blood Diamond“ seinen bis dato besten Film ab. Das hochspannende und actionreiche Abenteuer fräst sich mit seinen erschütternd realistischen Bildern nachhaltig ins Langzeitgedächtnis ein. Besser hätte man das Drehbuch nicht umsetzen können. Die starken Darsteller geben zudem ihr Bestens und auch wenn der Ausgang es sich schließlich etwas zu einfach macht und das Happy End sucht, kommt man kaum darum herum „Blood Diamond“ als einen extrem mitreißenden Abenteuerfilm aus Hollywood zu bezeichnen, der sein ambitioniertes Anliegen, auf Missstände hinzuweisen, nicht aus den Augen verliert und trotzdem nicht ständig den moralischen Zeigefinger erhebt. Nicht unbedingt tiefgründig, aber zumindest nachdenklich stimmend. Mehr davon.