Sierra Leone im Jahre 1990. Der Bürgerkrieg zerfleischt die Menschen, Rebellen und Regierungstruppen liefern sich erbitterte Kämpfe um Macht, während die Zivilbevölkerung leidet und instrumentalisiert wird. Rote Erde steht sinnbildlich für ein Land, das in Blut getränkt ist. Millionen Zivilisten sind auf der Flucht, während Diamanten über Liberia geschmuggelt, an europäische Unternehmen verkauften werden, damit neuartige Waffen mehr Schlagkraft erzielen können. Wir befinden uns in Regisseur Edward Zwicks „Blood Diamond“.
Nach wenigen Minuten entsteht der erste eindringliche Eindruck, was bzw. wie wenig der Mensch als Ware reduziert, bedeutet. Rebellentruppen fahren auf Lastwägen durch ein Dorf und töten alles, was rennt und flüchtet. Es ist konsternierend. Die Truppen umfassen keine Klischeesoldaten, sondern wenige Führer, die viele Kinder als Kampfmaschinen rekrutieren. Partyähnliche Musik aus den Boxen der rebellischen LKW’s deutet zunächst nicht auf den folgenden Gewaltakt hin. Die Stimmung schwenkt über, wenn das Dorf erreicht ist. Grausame Freude am Töten und Exekutieren tritt nun zum Vorschein. Übrig bleiben nur Leute, die man noch für den eigenen Vorteil nutzen kann. Kinder und Männer, wie Solomon Vandy (Djimon Hounsou) und dessen Sohn. Das Kind wird zum gnadenlosen Soldat für die Rebellenarmee erzogen. Vandy selbst wird zum Sklaven, der nach Diamanten suchen muss, damit afrikanische Schmuggler wie Danny Archer (Leonardo DiCaprio) das Geld für neue Waffen bereitstellen. Das Endziel sind europäische Ladentheken in Schmuckgeschäften. Über internationale Kanäle wird das Schmutzige sauber, aber das Blut klebt tief in der harten Kohlenstoffverbindung. Auf der Spur dieser Machenschaften ist die amerikanische Journalistin Maddy Bowen (Jennifer Connelly).
Verschiedene Zufälle und Umstände führen die Protagonisten zusammen. Jeder verfolgt sein eigenes Ziel. Der Schmuggler will den Pracht-Diamanten, den Vandy bei seiner alltäglichen Zwangsarbeit entdeckt und sicher versteckt hat. Der Rebellengefangene möchte zurück zu seiner Familie und die Reporterin braucht Archers anrüchiges Know-how, um die Hintergründe der dunkeln Geschäfte journalistisch beleuchten zu können. Es entstehen Zweckgemeinschaften, die eine zwischenmenschliche Dynamik erzeugen. „Blood Diamond“ wird sukzessiv zum Abenteuerfilm mit politischem Kontext. Dabei geht im Zweck nichts abenteuerlich den Bach runter, so dass der Film auf narrativ inhaltlicher Ebene funktioniert.
Zwick geht kompromisslos vor, lässt die Geschehnisse des Bürgerkriegs nicht außer Acht und erzeugt schreckliche Impressionen. Die Abläufe und Auswirkungen der Machenschaften werden sehr personenbezogen erklärt. Vom Kleinen schließt man auf das Große und umgekehrt. Vandy und seine Familie stehen für die zivilen Opfer des Krieges – seine Frau und die Töchter müssen in einem gigantischen Flüchtlingslager verweilen, während der Sohn, als Ausdruck der Perversion, in rebellischer Uniform zu einem Werkzeug des Krieges geformt wird. Archer ist einer von denen, die ökonomisches Kapital aus der Situation schlagen. Trotzdem steht seine Figur nicht als plakativer Unmensch dar. Zynismus und trockener Humor dokumentiert seinen persönlichen Umgang mit den Praktiken, um das eigene Gewissen zu säubern. DiCaprio interpretiert seine Rolle sehr markant und setzt auf betonte Ausdrucksformen – was nicht schlecht ist und der herrschenden Dramaturgie in die Karten spielt. Djimon Hounsou erfüllt den funktionalen Zweck, stellvertretend das Leiden der Zivilbevölkerung authentisch zu transportieren, sehr eindrucksvoll. Auch Jennifer Connelly verblasst nicht im Schatten ihrer Kollegen, als charmant souveräne, idealistische Journalistin. Überhaupt macht das Ensemble die Identifikation, trotz ambivalenter Charakterzüge, leicht. Zwick bezieht zwar politisch klar Stellung, allerdings wird augenscheinlich klischeehaftes in Bezug auf Charaktere und Plot schnell im Keim erstickt. Immer wenn man glaubt das Ultimo gesehen bzw. erlebt zu haben, übertrumpft ein Schuss oder Ereignis die eigene Vorstellungskraft. Niemand wird verschont. Das Ganze erweckt auch nicht den Verdacht der Übertreibung, wenn man die geschichtlichen Hintergründe prüft.
Die allgemeine Skrupellosigkeit steht dabei im krassen Gegensatz zu den herrlichen Panaromabildern und Landschaftsaufnahmen, die klar auf die naturalistische Schönheit der Region hinweisen. Der Score im Hintergrund, durch den sinnlich afrikanische Töne in die Ohren dringen, ändert ebenso wenig am Hier und Jetzt – in dem Rebellen, Regierung und materiell interessierte Außenstehende auf Kosten der Zivilbevölkerung den Kampf auf blutigen Sand ausfechten.
Mit dem Hintergrund des Kriegsgeschehens wendet sich „Blood Diamond“ am Ende klar in Richtung klassisches Abenteuer, ohne dabei den Grundtenor zu vernachlässigen. Die Jagd nach dem etwas größeren Diamanten entpuppt sich als lebendiges, konservativ inszeniertes Unterhaltungskino mit Nährwert, frei von CGI-Overkill. Plötzlich weichen auch die eigenen Interessen auf und machen Platz für Menschlichkeit, die man im Moloch der Auseinandersetzungen lange vermisst hat. Schließlich mündet das Abenteuer in Symbolik und Bildkraft, um in Folge dessen noch einmal auf die idealistisch politische Note zurückzuführen. Der Film maßt sich aber keineswegs an, Patentrezepte anzubieten. Stattdessen rüttelt das Werk an den Schultern des Betrachters durch die Verknüpfung von Unterhaltungswert mit ernsten, anspruchsvollen Themen. So findet man letztendlich einen filmischen Diamanten auf der roten Erde, die an das Land erinnert, in dem ein kompromissloser Bürgerkrieg stattfand. Dabei schallen die zynischen Worte eines Protagonisten in den Ohren – „das ist Afrika“. Leider. (8/10)