Swinging Sixties, das heißt Liebe, Peace und Flowerpower.... von wegen Sylvia und ihre Schwester müssen bei ihrer Übergangspflegemutter durch die psychische und pysische Hölle gehen.
Inhalt: Weil ihre Eltern mit einem Jahrmarkt über den Sommer 65 auf Tour gehen bleiben Sylvia und Jenny gegen Bezahlung bei der - zunächst- netten Alleinerziehenden Getrude Baniszewski. Doch da Gertrude nicht recht mit ihren eigenen Kindern zurecht zu kommen scheint, sie Medikamente nehmen muss und das Geld an allen Ecken und Kanten fehlt, bildet sich eine Spirale aus Demütigung und Gewalt, der vor allem Sylvia zum Opfer fällt.
Puuuhhhh.... diesen Film in die passenden Worte zu fassen, fällt mir aufgrund des schockierenden Inhalts nicht gerade leicht, aber ich versuchs trotzdem.
Als Zuschauer sehen wir uns in einem Gerichtssaal im Frühjahr 1966 wieder, bei dem der Fall von Sylvia behandelt wird. Über die Zeugenaussagen, die in Rückblenden Sylvias Leidensweg zeigen, werden wir genau über den Tathergang auf dem Laufenden gehalten. Das ist stimmung und ermöglicht es dem Zuschauer ein wenig vom Erfahrenden Abstand zu nehmen, da wir ja nur Beisitzter eines Gerichtsfalls sind, der trotz alledem an die Nieren geht.
Zunächst wirkt alles perfekt. Die Geschwister verstehen sich super mit den Kinder Gertrudes, sie finden neue Freunde und gehen gerne in Kirche und Schule. Doch als Gertudes zweitälteste Tochter Paula von einem verheirateten Mann schwanger wird und Sylvia es aus einer Not heraus nicht für sich behalten kann, beginnt ihre Schreckenszeit.
Wegen ganz banalen Sachen oder sogar wenn sie gar nichts gemacht hat, wird Sylvia bestraft. Anfangs sind das "nur" Schläge, doch später nimmt Sylvias Martyrium noch schlimmere Ausmaße an. So werden ihr brennende Zigarettenstummel auf die Haut gepresst oder sie muss sich einen Colaflasche vaginal einführen, um nur wenige zu nennen und um nicht zu viel zu spoilern.
Gertuds Kinder scheinen dabei so von ihrer Mutter beeinflusst zu sein, dass sie gar nicht realisieren, was sie Sylvia damit antun. Ja, sogar die Nachbarskinder sind dabei und helfen mit wenn Sylvia gequält wird.
Genau wie in "Jack Ketchum's Evil" geht es in "An American Crime" um ein Mädchen das von ihrer "Ziehmutter" und deren Kindern gequält wird. Doch im Unterschied zu "Evil" wirkt alles noch um einiges profesioneller gefilmt und es basiert nicht auf Jack Ketchum's Buch, behandelt aber den gleichen Fall nur unter anderen Gesichtspunkten. Was mich persönlich milde gestimmt hat, ist die Tatsache das in "An American Crime" wenigstens der Leidensweg des Mädchens nicht ungesühnt bleit.
Was "An American Crime" sehenswert macht, sind die wirklich sehr guten schauspielerischen Leistungen. James Franco (Spiderman, Ananas Express) spielt den Geliebten von Getrude wirklich gekonnt und Ellen Page (Juno, Hard Candy) spielt die zierliche Sylvia so hingebungsvoll, dass man ihr wirklich jede einzelne Emotion abnimmt und mit ihr fühlt. Eine grandiose Leistung. Auch Catherine Keener, die mir vorher völlig unbekannt war, überzeugt als hilflose Mutter, die eigentlich nur das Beste für ihre Kinder will.
Der Anfang wirkt wie eine Postkartenidylle, eine traute Familie die je unterbrochen wird von der häuslichen Gewalt. Die Nachbarn hören zwar Sylvias Schreie und Hilferufe, überhören diese aber großzügig. "Wir sollten uns da besser raushalten!" Und das macht einen als Zuschauer schon wütend, das Motto ist feige sein und wegschauen. Gerade deshalb wirkt "An American Crime" auch wie ein Spiegel der Gesellschaft. Wie oft hört man in den Medien von Fällen bei dem Kinder misshandelt werden, Frauen geschlagen werden und keiner der Nachbarn oder Bekannten will davon gewusst oder gehört haben. Menschen werden auf offener Straße halb tod geschlagen und Leute stehen drum rum und schauen bloß zu. Die Sprung zwischen Realität und Film ist quasi kaum vorhanden. "An American Crime" will aufrütteln und schockieren und das gelingt ihm. Nicht mit blutigen Effekten und Splattereinlagen -die Gewalt an Sylvia geschieht nur im Off-, sondern mit Andeutungen bei dem einem mulmig wird im Magen. So etwas könnte auch in meiner Nachbarschaft passieren...
Das einzige was man dem Film wirklich negativ berechnen kann, ist die Tatsache, dass der Film keinen wirklichen Spannungsbogen besitzt. Spannung kommt eher vereinzelt auf.
Fazit: Glaubwürdige Charaktere, eine wirklich gute Story und eine begnadet agierende Ellen Page machen "An American Crime" zu einer wahren Dramaperle und eine Odyssee des Leidens. Aber er ist wahrlich nichts für schwache Gemüter.
Wertung: 8,2/10
Topfilmzitat: Sylvia: "Revenant Bill hat einmal gesagt: Egal in welcher Situation, Gott verfolgt stets einen Plan... Ich versuche immer noch herauszufinden, was sein Plan war."