Die Polizistin Keiko wird kurz nach ihrer freiwilligen Versetzung zur Mord-Kommission in eine merkwürdige Selbstmord-Serie verwickelt, bei der sich zwei Personen unabhängig voneinander mit Messern oder Scheren zu Tode gehackt haben. Das Bizarre an der Sache: Die Opfer befanden sich während der Tat allem Anschein nach im Tiefschlaf. Eine Verbindung ergibt sich, als man die Handys der Toten überprüft, denn dort findet sich jeweils unter dem Namen "0" eine abgespeicherte Nummer, die kurz vor den Gemetzeln gewählt wurde. Keiko sieht da einen Zusammenhang und wendet sich an den "Nightmare Detective" Kagenuma, der über die Fähigkeit verfügt, sich in die Alpträume anderer Menschen zu versetzen und diese dort von ihren Ängsten zu befreien... eine Gabe, die ihn selbst allerdings langsam zugrunde richtet. Klar, dass sich sein depressiver Gemütszustand nicht gerade verbessert, als er auf der Traum-Ebene mit "0" konfrontiert wird, denn dieser entpuppt sich als Serienkiller, der es auf suizidal Veranlagte abgesehen hat, die er durch seine übersinnlichen Fähigkeiten dazu bringt, sich selbst zu zerfleischen. Die Sache wird auch beileibe nicht einfacher, als Keiko die Nummer von "0" wählt, um ihn auf sich aufmerksam zu machen und so in eine Falle zu locken... Rein oberflächlich betrachtet handelt es sich bei dem japanischen "Nightmare Detective - In deinen Träumen lauert der Tod..." um ein Derivat bekannterer Genre-Vertreter, denn der geübte Fan erkennt hier zahlreiche Motive aus "Nightmare - Mörderische Träume", "Dreamscape", "Sieben" oder sogar "The Cell" wieder, die in einer mainstreamig anmutenden Crossover-Handlung verarbeitet werden... macht man sich dann allerdings die Mühe und gräbt ein wenig tiefer, entdeckt man, dass die Geschichte doch weit über die typische Serienkiller-Mentalität à la Hollywood hinausgeht (ohne dabei aber den Einfluss der besagten westlichen Vorbilder zu verleugnen!), denn was sich da zunächst als vermeintlicher Thriller-Plot anlässt, nimmt da schnell unerwartete Wendungen und bietet allemal genügend Raum, um solche von Regisseur Shin'ya Tsukamoto bevorzugten Themen-Gebiete wie emotionale Entfremdung, Todes-Sehnsucht und die Isolation des Individuums im Dschungel der Großstädte abzuhandeln (die im Entstehungsland beim heimischen Publikum natürlich noch mal auf einer ganz anderen Ebene resonieren). Von den immerzu beliebten Rubber-Reality-Movies hat man sich da einiges abgeschaut und in der nahtlosen filmischen Verbindung von Traum und Wirklichkeit sowie der Entwicklung einer Art inneren Logik innerhalb der bedeutungsschwangeren Traum-Sequenzen steht Tsukamoto dann auch noch nicht mal hinter einem Wes Craven zurück, zu dessem Freddy Krueger der hier präsentierte "0" eh so was wie ein entfernter Verwandter im Geist ist. Die Radikalität und der Irrsinn eines "Tetsuo - The Iron Man" sind da zwar verschwunden und die Angelegenheit gestaltet sich ergo auch auf jeder Ebene zugänglicher, geblieben ist allerdings die Derbheit der Splatter-Einlagen, die hier noch genauso hart rüberkommen wie in dem besagten Kult-Klassiker... und in denen dann auch freigiebig das Kunstblut verspritzt wird. Tsukamoto seziert das Innenleben seiner Protagonisten dabei ebenso chirurgisch präzise wie die kollektiven Neurosen der japanischen Gesellschaft, was dazu führt, dass "Nightmare Detective", was den Schock-Faktor der Selbstmord-Thematik anbelangt, sogar die kruden Splatter-Späße von Sion Sonos vergleichbarem, aber wesentlich kryptischer verschachtelten (und deshalb unzugänglicheren) "Suicide Circle" weit hinter sich lässt. Die letzte halbe Stunde ist dann auch ein einziger, surrealer Horror-Trip voller berauschender Bilder und verrückter Einfälle, der sich tief in die eigene Psyche bohrt und von dem man so schnell nicht mehr loskommen dürfte. Die Inszenierung ist derweil ausgefeilt bis aufs I-Tüpfelchen, da ist die Kamera-Führung geradezu als frenetisch zu bezeichnen und das Sound-Design absolut stimmig, was die Schocks auch auf tonaler Ebene gut funktionieren lässt. Die perfekt durchgestylten Bilder mit ihrer monochromen Farb-Ästhetik rufen einem da übrigens mehr als nur einmal Brad Andersons nicht minder tiefschürfenden und verstörenden "The Machinist" ins Gedächtnis... ein Umstand, der auch den westlichen Sehgewohnheiten sehr entgegenkommen dürfte, während gewisse Story-Parallelen dann aber doch eher in Richtung von Kiyochi Kurosawas lethargischem "Cure" weisen. Im Vergleich zu diesem gestaltet sich "Nightmare Detective" jedoch als das in jeder Beziehung wesentlich befriedigendere Film-Erlebnis, auch wenn einige ausschweifende Dialog-Passagen sicherlich immer noch nötig sind, um die inhärenten Botschaften durch die vordergründige Thriller-Handlung zu transportieren. Angenehmerweise verkörpern die Darsteller ihre Parts dabei "schlafwandlerisch" sicher (sorry) und lassen auch die typische Aufgedrehtheit asiatischer Akteure völlig vermissen. Der Auftritt des schauspielerisch ungeübten, zierlichen Pop-Sternchens Furura Hitomi als Keiko wirkt sich dabei paradoxerweise nicht negativ auf den fertigen Film aus, denn die Dame bringt alleine mit ihren Augen mehr Intensität rüber als das Gros der überbezahlten Hollywood-Starlets. Tsukamoto selbst spielt den Serienkiller "0", was "Nightmare Detective" je nach Betrachtungsweis für mannigfache Interpretationen öffnet, zumal der Mann hier auch keine selbstverliebte Personalityshow à la Kevin Costner oder M. Night Shyamalan abzieht. Bei der Ausgestaltung einiger bizarrer Effekt-Sequenzen in der zweiten Hälfte stand aber wohl ganz offensichtlich John Carpenters "Die Mächte des Wahnsinns" Pate, denn hier wie dort beschränkt man sich auf kurze Moment-Aufnahmen, die dann auch noch so flott montiert sind, dass sie erst im Kopf des Zuschauers ein fertiges Bild ergeben (in dem Zusammenhang kann man sich ja mal das auf der DVD enthaltene Making Of anschauen, aber doch bitte erst nach dem Film!). Also, auch 22 Jahre nach Freddy Krueger liefern Alpträume immer noch den besten Stoff für Horrorfilme, wahre Meisterwerke kommen immer noch aus den Ecken, aus denen man sie am wenigsten erwartet hat und trotz der dezenten Kurs-Korrektur hin zum Massen-Appeal hat Tsukamoto sich nicht von der J-Horror-Welle und den schwarzhaarigen Geistermädels vereinnahmen lassen, sondern fertigt immer noch Originale mit deutlich erkennbarer, eigener Handschrift... und damit wird "Nightmare Detective - In deinen Träumen lauert der Tod..." zu einem der ultimativsten, intelligentesten und verstörendsten Schocker der letzten Zeit, der glücklicherweise (mal abgesehen von der sehr ironischen Eingangs-Sequenz) völlig auf die mittlerweile überstrapazierten ikonographischen Elemente der zahllosen "Ringu"-Klone verzichtet. Für mich das Kronjuwel im Schaffenswerk seines Regisseurs.
10/10