Die Welt braucht Superlative, für das Mittelmaß interessiert sich niemand. Dementsprechend gibt es filmisch nicht nur Orson Wells, sondern auch Edward D. Wood Jr. (Johnny Depp), der von dem Buch „The Golden Turkey Awards“ zum schlechtesten Regisseur aller Zeiten ernannt wurde. Ein Denkmal aus Zelluloid baute ihm Regisseur Tim Burton, wodurch man im Rahmen von Lebensabschnitten die Entstehung von Trashgranaten á la „Glen or Glenda“, „Bride of the Monster“ oder „Plan 9 from Outer Space“ zu sehen bekommt.
Daraus resultiert der emotionale Mix aus Komik und Dramaturgie, wenn man sich auf die Perspektive des Films einlässt. Burton reduziert die Hauptfigur nicht nur auf seine Talentfreiheit, Wood Jr. bekommt Facetten, die ihn mit dem Regisseur selbst und Orson Wells gleichstellen. Da sind zwei oder doch drei Männer, die mit den Konventionen Hollywoods überhaupt nicht klarkommen und Probleme, wenngleich auch auf einer qualitativ anderen Ebene, teilen. Das Ringen um Geld, Schauspiel und die Fürsorge um Bela Lugosi, dem gefallenen Star aus „Dracula“, lässt Wood Jr. dramatisch sympathisch entscheiden.
Die Filme sind Schrott und trotzdem gibt der Protagonist, dessen spätere Alkoholsucht kein Thema des Films ist, nicht auf und glaubt an sich und seine Vision, die er mit Orson Wells bei einem zufälligen Treffen teilt. Parallelen tun sich auf. Er will seinen Weg gehen und der Ansatz ist kein schlechter. Der Einsatz ist sowieso vorhanden, auch wenn das Talent schmerzt. Für Wood sind Filme ein Teil von sich selbst. Er opfert sein Privatleben und lässt peinliche Details mit in die „Werke“ einfließen. Rosa Angorapullis sind so uninteressant wie ein Betonpfeiler von Gebäude X in Peking, aber im Leben von Wood ist das Kleidungsstück ein Fetisch, den er mit den Betrachtern seiner Filme teilen möchte. Der kommerzielle Gedanke ist bei ihm Staffage, das Medium ist seine Leidenschaft.
Dementsprechend ist er auch Liebhaber und Betrachter der Historie, kennt und bewundert Bela Lugosi, den vergessenen Star der alten Zeit. An diesem Punkt spielt Talent keine Rolle, es geht um einen Menschen, der sehr wohl weiß, was gut ist und es nur nicht umsetzen kann. Die Beziehung zwischen dem Ur-Dracula und Wood wird vertieft und durchleuchtet, weil sie viel über den Hauptcharakter aussagt. Markant wird die Szenerie vor allem durch Martin Landau, der den Toten im wahrsten Sinne des Wortes eindrucksvoll weckt, und Johnny Depp, dessen eigene Exzentrik und unvergleichbare Gabe fremde Charakteristiken aufzusaugen, Burton in die Karten spielt.
So wird die Geschichte eines Verlierers zum informativen Spektakel, das dramatische Züge mit Humoreske vereint und wegen der darstellerischen Kollektivleistung Unterhaltung transportiert. Es ist merkwürdig, wie sehr sich Bilder verzehren, wenn man sich von der üblichen Denkweise verabschiedet. Burton dreht und wendet, manipuliert aber nicht in dem Sinn, dass er Verehrung oder Veralberung betreibt. Wood bleibt ein talentfreier Regisseur, der aber mehr Seele hat, als alle, die lieblos Sehnsüchte nach kommerziellen Aspekten bedienen. Der Mann war real, dekadent und unfreiwillig komisch. Die charismatische Aura und den Glauben an seine Vision hat er dennoch in der filmisch beleuchteten Zeit nicht verloren. Völliger Schwachsinn kann begeisternd wirken, wenn Johnny Depp ambitioniert seinen Plan erzählt und unbekannte, amüsant dilettantische Flugobjekte zu irdischen Grabräubern macht.
Burton nutzt die Biographie auch ein wenig, um Kreise zu schließen. Er selbst ist mit Sicherheit niemand, der Konvention Hollywoods abnickt und annimmt. Darauf basiert auch vermutlich die Motivation eine respektvolle, filmische Verneigung vor dem formal schlechtesten Regisseur aller Zeiten zu machen. Das Urteil ist kein Dogma, Wood wird nicht verklärt, aber auch nicht lächerlich gemacht. Der genaue Blick offenbart Facetten, die man im nüchternen Kontext nie wahrgenommen hätte. Da wären wir wieder bei Superlativen und einer Polarisierung, die durch Burtons ambivalente Darstellung des Charakters demontiert wird. Genie und Wahnsinn. Wir wissen ja wo oder wo eben nicht die klare Grenze liegt. Schlecht und gut schließen jedenfalls Leidenschaft und Parallelen zu wahren Künstlern nicht aus. Da erinnert man sich wieder an jene Bar, wo sich der Dilettant mit Orson Wells über Probleme des Business beklagt. Beide haben damals ihren Glauben noch nicht verloren.
„Ed Wood“ vermittelt biographischen Nährwert, der gut tut und dem Genre zeigt, was möglich ist, wenn man wirklich an Lebensgeschichten interessiert ist und nicht nur an der Oberfläche und den verliehenen Titel von irgendwelchen Printmedien kratzt. (8,5/10)