Review

Sich einem Werk wie „Roma, Citta aperta“ angemessen zu nähern ist äußerst schwierig.

Die Geschichte, die Rosselini hier erzählt, sollte ursprünglich ein Dokumentarfilm werden über einen katholischen Priester, der im Widerstand gegen die italienischen Faschisten und die Nazis, die Rom damals besetzt hatten, gekämpft hat.

Für die italienische „Resistenza“ war der Kampf in Rom besonders schwer geworden, da nach dem Sturz Mussolinis Nazi-Deutschland dem befreundeten Staat „zu Hilfe“ gekommen war (auch natürlich weil sich von allen Seiten die Aliierten näherten) und sie sich somit zwei Gegnern gegenüber sah – der Gestapo und den kollaborierenden Römern.

Als Rosselini diesen Film Anfang 1945 drehte waren die Erinnerungen an diese Zeit noch so jung, daß hier ein Werk entstand, daß an Authentizität nicht zu überbieten ist. Gleichzeitig stehen solche noch unter dem Eindruck der Besatzung gedrehten Werke immer unter dem Verdacht der mangelnden Objektivität, als ob es diese überhaupt geben kann...

Und so nimmt Rosselini zwar ganz deutlich Partei ein für die Resistenza, aber ohne den Fehler zu machen, einfach zu polarisieren oder mit gefühligen Übertreibungen, billig Stimmung zu erzeugen.

Der Film beginnt damit, daß mehrere Mitglieder der Gestapo ein Haus durchsuchen. Ingenieure Manfredi, Kommunist und eine führende Persönlichkeit des italienischen Widerstands ,kann gerade noch über die Dächer fliehen.

Trotz dieser Dramatik und Thematik hat der Film zuerst etwas überraschend Leichtes.

Rosselini zeichnet ein realistisches Bild des damaligen Lebens in Rom, in dem man ständig mit Schwarzmarktgeschäften und sonstigen Tricks für die tägliche Lebensmittelration sorgen mußte. Die Wohnungen sind überfüllt und so kommt es natürlich zu Spannungen zwischen den eng aufeinanderlebenden Menschen.

Im Mittelpunkt steht Pina (Anna Magnani), die sich zum Einen auf ihre kurz bevorstehende Hochzeit mit Francesco – ebenfalls ein Widerstandskämpfer – freut, andererseits sich um ihren herumstreunenden Sohn kümmern muß und sich ständig mit ihrer Schwester streitet. Diese wird von ihrer Familie als Flittchen angesehen, da sie sich im Umfeld von Schauspielern und Künstlern herumtreibt.

Dort haben natürlich auch die Offiziere der SS Zugang, die sich Menschen teilweise mit Drogen gefügig machen und so ein dichtes Netz von Spitzeln aufbauen können.

Manfredi flieht in Pinas Haus und kommt dort bei Francesco unter. Da er weiß, daß die Gestapo ihm auf der Spur ist, will er mit Hilfe des Priesters Don Pietro möglichst schnell an einen unbekannten Ort fliehen...

Rosselini schildert diese Ereignisse sehr abwechslungsreich und durchaus mit Humor. Zwar gibt es nie Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Situation, aber sämtliche Protagonisten bleiben immer menschlich nachvollziehbar und sind damit auch mit entsprechenden Schwächen versehen. Ingenieure Manfredi zum Beispiel hat eine große Schwäche für eine attraktive Varietekünstlerin, die auch mit Pinas Schwester befreundet ist...

Die SS wird vor personalisiert durch den Gestapochef Bergmann, der durch eine sehr kühl recherchierende Art auffällt. Ihm sind gute Umgangsformen sehr wichtig und er ist geprägt von der Überzeugung an die Überlegenheit der deutschen Rasse gegenüber der italienischen, immerhin sehr lange die Verbündeten Nazi-Deutschlands.

Er ist keineswegs ein überzogener Sadist. Folter ist für ihn nur ein Mittel zum Zweck und erst das letzte Mittel, wenn die vorherige Überzeugungsarbeit nicht ausgereicht hat.

In der zweiten Hälfte des Films wird der Film zunehmend härter und konfrontiert den Zuseher mit der Allmacht und Brutaliät der deutschen Besatzungsmacht. Und obwohl Rosselini das völlig schonungslos zeigt, bleibt er immer in einer menschlichen Dimension – es gibt keine Monster und keine heldenhaften Märtyrer, aber er zeigt, daß alle Menschen auch immer eine Wahl haben. So auch die deutschen Soldaten, die sich zum Schluß weigern, einen Schießbefehl auszuführen....

Rosselini gelingt ein schlüssiges, dem Realismus verschriebenes Werk mit hervorragenden schauspielerischen Leistungen, daß dazu noch – trotz der Thematik – unterhält und gleichzeitig konfrontiert.

Ein grandioses und ehrlich betroffen machendes Meisterwerk, daß auf Grund seiner Unmittelbarkeit, deutlichen Parteinahme und klaren Botschaft ein Kunstwerk darstellt, daß weit über den sonstigen Bewertungskriterien an Filmen steht (10/10).

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