Ich wollte diesen Film nicht mögen, aber ich mag ihn. Fürwahr, ich gestehe, ich habe im Vorfeld in den Kanon der Hollywoodisierungsgegner eingestimmt. Das ist doch in. "Nachts im Museum": Komödie aus den USA? Ben Stiller in der Hauptrolle? 100-Millionen-weißichwas Dollar Produktionskosten? Pfui. So etwas muss man, suggeriert jedenfalls die Erwartungshaltung aller Cineasten, die glauben, welche zu sein, als verpopcornten Mainstream brandmarken. Und wenn dieser Film dies auch ist, ein wummerndes Unterhaltungskino voller Schauwerte, dann ist er meinethalben eben eine kleine Magnolie des Unterhaltungskinos.
Central Park West, Ecke 79. Straße, NY 10024. Dorthin nun wurde ein Kinderbuch verlegt, mit etwas Handlung ausstaffiert und unter Zuhilfenahme digitaler und traditioneller cinematographischer Illustrationskunst in abenteuerliche, bewegte Bilder übersetzt, dorthin ins Naturkundemuseum von New York. Sicherlich speist die Story ihren Sauerstoff aus der attraktiven Grundidee, Exponate über Nacht lebendig werden zu lassen, als dass sie selbst von sich Reden machen könnte. Sie versteht es schon artig, sich am Budenzauber aufzuhängen, immer wieder eine neue Führung durch die pompöse Kulisse zu bieten (und die Kamera wiederum versteht sich eindrucksvoll darin, sie pompös einzufangen) und die Attraktionen darin einfach wild umherrennen zu lassen. Vielleicht ein wenig wie eine Rundschau durch Disneyland, vorbei am aufgedrehten Goofy, Mickey, den Sieben Zwergen. Und weil sie alle so putzig sind, statten wir ihnen auf Ehrenrunden noch ein paar Besuche ab.
Doch in der ganzen Einfachheit gibt es neben den drolligen Ausstellungsstücken und kreativen Einfällen, kaugummikauenden Osterinselfelsbrocken oder apportiergeilen Tyrannosaurus-rex-Skeletten zum Beispiel, und einigen durchaus humorvollen Einlagen, etwa wenn Ben Stiller sich wie beiläufig und doch ganz choreografisch kleine, lebende Miniaturmenschen von der Schulter schnippt, andere Details zu entdecken, die, man glaubt es kaum, der Zeit auf den Zahn zu fühlen vermögen. Denn in der Verwinkelung des Tohuwabohus dieses Familienentertainments selbst findet sich schon gar keine traditionelle Familie mehr, sondern die Konstellation eines geschiedenen Protagonisten, der die Situation akzeptiert hat und nicht, wie so oft, in Sorgerechtskonkurrenz zur Ex-Ehefrau steht oder mit ihrem jetzigen Lebensgefährten rivalisiert. Das Stadium des zerrütteten familiären Gefüges ist hier überhaupt kein Thema mehr, stattdessen ist ein vollkommen harmonisches Verhältnis zwischen Vater, Ex-Ehefrau und ihrem neuen Partner als Prämisse gesetzt und ein idyllisches Familienbild völlig neuer Art in den Mainstreamfilm integriert worden. Freilich gibt es ebenso, auch dies soll nicht unter den Tisch fallen, einen recht profanen Konflikt innerhalb der Familie: die aufgeraute Beziehung zwischen Vater und Sohn. Besser beschrieben ist es eigentlich das gerne verwendete Dilemma des schrulligen väterlichen Taugenichts, der nichts auf die Reihe kriegt. Hier hat Larry Daley (Stiller) dem Sohnemann etwas zu beweisen, die Enttäuschung durch Verwegenheit und Vertrauen wieder wett zu machen.
Zweifellos ist "Nachts im Museum" außerstande, ein kompliziertes inhaltliches Charakterdesign zu entwerfen. Dessen ungeachtet wurde aber nicht mit Pappmaché gearbeitet. Vor allem die Figuren der drei kauzigen alten Nachtwächter fallen auf, die sich ausdrücklich dem klassischen Gut-und-Böse-Schema entziehen, indem sie munter zwischen den Fronten pendeln (man beachte den Abspann). Sie haben ausgedient, weil sie der Rationalisierung, wie es in der Ökonomie bekanntlich kühl heißt, zum Opfer fallen. Die Folge: Sie lassen sich zum Raub verleiten. Was zugegeben nach kindergerechter Kausalität klingt und nach keiner motivischen Meisterleistung des Drehbuchs riecht, verweist trotz allem ganz nebenbei auf das Problem gestiegener Alterskriminalität.
Da kann es an allen Ecken vibrieren und pulsieren, dank Steinzeitmenschen mit Feuerzeugen oder lebhaften Mini-Sidekicks (wunderbar: Owen Wilson als Mountain Man Jedediah Smith und Steve Coogan als Römer Gaius Octavius), doch einige gesellschaftskritische Beobachtungen sind dieweil nicht zu verhehlen. Nicht zuletzt ist es ja auch ein Stück Museumskultur und Geschichtsinteresse, das "Nachts im Museum" ohne jedwede Bildungsbürgerei wiederzubeleben versucht. Am Ende führen die Kapriolen der ausgebüxten Exponate, die für Marketinggags des American Museum of Natural History gehalten werden, zu einem regelrechten Besucheransturm. Und tatsächlich nimmt diese finale Szene, eigentlich wenig verwunderlich, die Realität vorweg, in der - lässt sich in der englischen Wikipedia nachlesen - das New Yorker Naturkundemuseum als Reaktion auf den Film postwendend einen Besucheranstieg von fast zwanzig Prozent verzeichnen konnte. Ganz abgesehen davon, ob das American Museum of Natural History diese Werbung überhaupt nötig hatte, ganz abgesehen von Qualität und Aufmachung der Stätte, in der ich noch nie war; aber dieses Werk der Unterhaltungsindustrie kann - und das können nicht viele - wirklich von sich behaupten, etwas bewegt zu haben. Und solange ich Museumsbesuche noch für bereichernder halte als die Teletubbies, solange muss ich diesen Film einfach mögen.