Nach „Wie ein wilder Stier“ und „GoodFellas“ vereint „Casino“ Martin Scorcese, Robert De Niro und Joe Pesci zum dritten Mal.
Sam ’Ace’ Rothstein (Robert De Niro) und Nicky Santoro (Joe Pesci) arbeiten beide für die Mafia, jedoch genießen unterschiedliche Stellungen. Nicky ist ein brutaler Geldeintreiber, der keine Skrupel kennt, aber aufgrund seiner Abstammung seinen Rang im Kreise der Familie sicher hat. Dies bleibt Ace aufgrund seiner jüdischen Wurzeln verwehrt, doch Ace ist ein brillanter Zocker mit scharfem Verstand und dies ist sein Kapital. Deshalb nimmt ihn die Mafia in ihre Reihen auf, während Nicky eher simple Brutalojobs abzieht.
Als die Mafiafamilie in den 70ern in Las Vegas Fuß fassen will, setzt man Ace als Verwalter ein. Dieser soll mit seinem Genie für klingelnde Kassen sorgen, Nicky als Mann fürs Grobe da sein. Tatsächlich klingelt die Kasse – zumindest vorerst...
Von der Grundstruktur her erzählt „Casino“ nichts, was nicht schon andere Mafiafilme erzählt haben: Aufstieg und Fall einer oder mehrer zentraler Figuren. So erinnert „Casino“ stellenweise auch an „GoodFellas“, schon wegen der ähnlichen Figurenkonstellation (kühler Denker, brutaler Hitzkopf), kann diesem jedoch übertrumpfen. Grund hierfür ist die Glitzerwelt Las Vegas, die als Schauplatz dem Genre noch neue Seiten abringt und für interessante Einblicke sorgt. Es wird gezeigt, wie im Zählraum Geld abgezweigt wird, wie das Casino systematisch kontrolliert wird, wie die Mafiosi mit Falschspielern umgehen usw.
Wie so häufig begleitet ein sehr interessanter Off-Kommentar der beiden Hauptfiguren Ace und Nicky das Geschehen, der für viel Stimmung sorgt, da vieles aus zwei verschiedenen Blickwinkeln zeigt. Anfangs noch dicke Freunde, so hält Ace Nicky bald für zu unbeherrscht, Nicky ihn hingegen für zu weich. So verdichtet „Casino“ auch auf filmischer Ebene den Konflikt der beiden Freunde, der bald zu einem zentralen Thema des Films wird, denn neben Problemen mit Behörden und der Streit von Ace mit seiner Frau, der Zockerin Ginger (Sharon Stone) usw. gehört der Bruch zwischen den beiden zu jenen Punkten, der schließlich den Fall der Familie besiegelt.
Natürlich spielen bei Aufstieg und Fall große Gefühle eine Rolle, die das Schicksal der Figuren zum Großteil besiegeln – z.B. Ace’ fanatische Liebe zu Ginger, obwohl diese nicht ehrlich zu ihm ist, sich nach einer Weile andauernd mit Drogen berauscht und ihm immer wieder in sein Leben pfuscht. Jedoch hat das Drama um Loyalität und Freundschaft jenes wunderbar epische Feeling, das die großen Mafiaepen auszeichnet. In der Mafia entlädt sich derartige Anspannung gelegentlich dann auch in harten Gewaltakten, die aber nie spekulativ eingesetzt werden, sondern immer ins Bild passen (z.B. die Bestrafung der Falschspieler).
So unterhält „Casino“ über drei Stunden auch sehr gut, kann aber nicht ganz an die Klasse von einem Film wie „Der Pate“ anschließen. So lässt der Film im letzten Drittel nach, wo er gerade das vernachlässigt, was ihn so besonders interessant macht: Das Milieu von Las Vegas. Doch im letzten Drittel erfährt man deutlich weniger über das Schicksal des titelgebenden Casinos, stattdessen erfolgt der handelsübliche Fall der Mafiosi mit Ehestreitigkeiten, Verhaftungen und Exekutionen. Die dramatischen letzten Minuten sorgen zwar noch für einen würdigen Abschluss, aber insgesamt läuft das letzte Drittel ein wenig zu sehr nach bekannten Mustern ab.
Tadellos sind dagegen mal wieder die Schauspielleistungen, gerade Robert De Niro und Joe Pesci beherrschen die Mafiarollen aus dem FF, verkörpern sie aber lebendig ohne in Routine zu verfallen. Sharon Stone als moderne Version der Femme Fatale überzeugt ebenfalls auf ganzer Linie und herrlich schmierig als ihr Ex-Freund kommt James Woods daher. Ebenfalls toll, aber mal wieder nur in einer kleinen Rolle ist Kevin Pollak.
„Casino“ ist ein packender Mafiastreifen, der trotz Überlänge durchweg fesselt, mit überzeugenden Schauspielern aufwartet und sich durch das Milieu von Las Vegas von anderen Gangsterepen absetzen kann. Das letzte Drittel könnte etwas mehr Schwung vertragen, doch großes, spannendes Kino ist Martin Scorcese auch mit diesem Film gelungen.