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Über Mel Gibson kann man gewiss trefflich streiten: Der Hollywood-Star, der mit Action-Streifen wie "Mad Max" und "Lethal Weapon" eine steile Karriere hinlegte, verbaute sich in den letzten Jahren eben diese durch wiederholte christlich-radikale, bisweilen sogar antisemitische Ausbrüche. Sein Blut-und-Heil-Spektakel "Die Passion Christi" dürfte einer der fragwürdigsten Beiträge Hollywoods seines Jahrzehnts sein. Aber was auch immer man von den öffentlich gewordenen Charakterzügen dieses Schauspielers, Regisseurs und Produzenten halten mag, künstlerisch schafft er doch immer wieder zu überzeugen. Das war Mitte der 90er so, als er mit seinem Historien-Epos "Braveheart" einen modernen Kultfilm - und einen seiner größten Erfolge - schuf; und das war im Jahr 2006 erneut so mit seinem weit weniger gefeierten, aber künstlerisch nichtsdestotrotz großartigen Urwald-Abenteuer "Apocalypto".

In diesem Nachfolgewerk von "Die Passion Christi" bleibt er sich als Regisseur der künstlerischen Radikalität seines Jesus-Porträts treu. Soll heißen: Um möglichst große Authentizität zu erreichen arbeitet er durchgehend mit unbekannten Darstellern, erschafft ein Höchstmaß an realitätsnahen Kulissen und Settings und lässt die Figuren konsequent in ihrer Muttersprache reden. In diesem Falle also ein alter Maya-Dialekt. Wo ihm beim Leidensweg Jesu der eigene Fundamentalismus im Weg stand, kann sich hier seine künstlerische Kreativität voll entfalten. Herausgekommen ist dabei einer der beeindruckendsten Filme über fremde Kulturen.

Vor allem visuell überwältigt "Apocalypto": Immer wieder gelingen ihm Bilder von archaischer Wucht. Die Aufnahmen des tiefen, undurchdringlichen Dschungels, in dunklen, kräftigen Grün- und Brauntönen gehalten, erzeugen ein Gefühl grundlegender Wildheit. Die Kamera arbeitet schnell, aber nur selten etwas zu hektisch, und der Soundtrack bleibt oft leise und hintergründig, was seiner bedrohlichen Kraft aber keinen Abbruch tut. Wenn dann Eskalationen auftreten, bleibt dem Zuschauer regelmäßig der Atem weg: Sequenzen wie der brutale Überfall der Maya-Krieger auf das friedliche Dschungeldorf der Hauptfigur oder die rituelle Opferung der Gefangenen auf der Maya-Pyramide sind in ihrer Intensität kaum zu überbieten. Und wer sich an der Untertitelung der fremden Sprache stört, kann ein klein wenig aufatmen: Besonders in der zweiten Hälfte gibt es zahlreiche lange Passagen, die ganz ohne Dialoge funktionieren. Das Grunzen und Keuchen der Jäger, ihre grimmigen Blicke, die langen, rasanten Verfolgungsjagden durch den Dschungel sprechen für sich selbst und verleihen dem Film eine urtümliche Kraft und Brutalität, wie sie dem Leben in der Wildnis so nah kommen wie in kaum einem Film zuvor.

Und dieses wilde Leben ist hart: Immer wieder brechen extrem brutale Szenen herein, etwa die blutige Opferung oder der knallharte Überlebenskampf der Hauptfigur, dessen ganzes Dorf zerstört wurde. Auch hier entzieht sich Gibson jeder platten Hollywood-Dramaturgie: Seine Hauptfigur wird nicht zum gnadenlosen Rächer, sondern bleibt der einfache, wenn auch starke und schlaue Kämpfer. Sein einziges Ziel ist Überleben und so sieht man ihn die meiste Zeit fliehen und erst gegen Ende mit der Kraft der Verzweiflung seine Peiniger angreifen.

Interessant auch die metaphorischen Aspekte der Geschichte: Die Hochkultur der Maya wird als brutales, gnadenloses Volk von Sklaventreibern dargestellt, die sich ihre höher entwickelte Kultur auf dem Rücken ausgebeuteter Urwaldvölker erbaut haben. Unter diesem Aspekt steckt in der Schlussszene ein sehr grimmiger Sarkasmus: Als die letzten beiden Maya-Krieger den Strand erreichen, erblicken sie die riesigen Segelschiffe der gerade eintreffenden spanischen Eroberer.

Mit "Apocalypto" hat Mel Gibson ein gewaltiges und gewalttätiges, visuell atemberaubendes Epos über die untergegangene Kultur der alten Maya-Zeiten geschaffen, das mit blutigen Kämpfen und äußerst dramatischen Szenen ein Höchstmaß an Spannung erzeugt. Durchsetzt mit mystischen Elementen, wie sie aus den Legenden der Naturvölker stammen könnten, verleiht er seinem Werk eine tiefgehende und beunruhigende Kraft, die den Zuschauer durchgehend zu fesseln weiß. Da fallen auch einige unglaubwürdige Storydetails nicht allzu sehr ins Gewicht. Ein in der heutigen Filmlandschaft Hollywoods einzigartiges Werk!

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