Review
von Leimbacher-Mario
Kannibalisierung einer Zivilisation
"Apocalypto" ist Mel Gibson pur - getränkt in Lebenssaft und geimpft mit einer unbändigen Energie. Mittendrin statt nur dabei. Und eine klare Weiterentwicklung nach "Die Passion Christi", ohne allzu weit weg von ihm zu rücken. Gibson geht keine Kompromisse ein und das ist gut so. Nie allzu angenehm, nie glatt, nie langweilig. "Apocalypto" ist da keine Ausnahme. Das Gegenteil von geschichtstreuem Historienkino, viel eher ein Blut spuckender Trip direkt in eine dem Untergang geweihte Zivilisation. Voller Wunder und Gefahren, Unbekanntem und Gefahr, Faszination und Brutalität. Wir verfolgen einem Mayastamm, der überfallen und verschleppt wird. Auf dieser Reise am Abgrund begegnen wir Pumas und Priestern, Phänomenen und Pyramiden, abgehackten Köpfen und herausgezogenen Gedärmen. "Apocalypto" geht in die Vollen und muss das auch. Selten hat mich ein Film derart in seine Welt gezogen. Dagegen wirken Pandora oder das Wunderland wie artifizielle Kinderspielplätze.
In der Originalsprache gesprochen, im echten Dschungel gedreht, mit lebensgroßen Bauten und praktischen Effekten, einem massiven Budget und einer klaren Vision - "Apocalypto" ist The Real Deal und war ein gigantischer Flop mit Ansage, dessen Eier bis auf den Boden baumeln. Das erinnert eher an Epen aus vergangenen Zeiten ala "Cabiria" oder "Cleopatra" als an heutige CGI-Orgien. They don't make 'em like this anymore. In der Tat! Nach dieser überlangen Dschungeltortur ist man fast so körperlich ausgelaugt, dass man ihm sogar seine letzten, ideologisch wie faktisch ziemlich bescheuerten Einstellungen verzeiht. Mel Gibson kennt nur eine Richtung - selbstbewusst nach vorne. Egal was da vor ihm liegt. Sei es ein Mammutbaum oder ein Wasserfall, eine Höhle oder eine Maya-Pyramide, eine Sonnenfinsternis oder ein Monsoon. Rigoros wie "Apocalypto" ist das Kino heutzutage viel zu selten. Und ich denke, das würde gerade Meistern der Grossspurigkeit und des latenten Wahnsinns von Lean bis Herzog sehr gefallen.
Fazit: Mel Gibson kann nur Epos - blutig, kitschig, inhaltlich zum Teil bedenklich aber immer mit voller Kraft und mächtig Karacho. Sogar im dicksten Dschungel, im grünsten Dickicht, im saftigsten Gemetzel. Nicht für die Massen, dafür viel zu hart an all seinen Ecken. Eher ein mutiger Tiefschlag, der einen mitten in eine verlorene Welt wirft und alleine zurücklässt. Kämpfe, fliehe oder gehe zu Grunde!