Mel Gibsons nächste Schlachtplatte.
Sein neues Brachialepos widmet sich nun einem Kampf innerhalb der ältesten Hochkulturen, nachdem bereits ein schottischer Freiheitskämpfer und der Sohn Gottes einen langen Leidensweg auf sich nehmen mussten.
Aufgrund der überaus bildgewaltigen Brutalität werden sich diejenigen abwenden, die sein „Passion Christi“ nur bis zur Hälfte durchgehalten haben, die anderen hoffen, dass Gibson als nächstes einen Film über Hexenverfolgungen bringen wird.
Aber letztlich ist sein „Apocalypto“ eher ein rasanter Abenteuerfilm, als ein historisch genaues Zeitdokument, denn die Kultur der Mayas wird uns hier nur in Ansätzen näher gebracht.
Angesiedelt im frühen 16. Jahrhundert, kurz bevor die Spanier in Mexiko eintreffen, begleiten wir den jungen Krieger „Pranke des Jaguar“.
Jaguar und sein Stamm führen ein zufriedenes Dasein, man freut sich über den erlegten Tapir, über die mal wieder schwangere Frau und über den Stammesgenossen, der auf schmerzhafte Weise zu seiner Männlichkeit findet.
Doch eines Tages überfallen Krieger aus der Stadt den Stamm, Jaguars hochschwangere Frau gelingt gerade noch das Abseilen in ein Erdloch, während der Rest der Leute entweder getötet oder in die Stadt verschleppt wird. Hier sollen die Männer bei einem Ritual geopfert werden, doch das Schicksal gibt Jaguar noch eine weitere Chance zu fliehen und sich gegen seine Verfolger zu behaupten.
Über zwei Stunden Dialoge in Mayathan, lediglich mit schwer lesbaren Untertiteln?
Das kennt man ja bereits aus dem Jesus-Film, aber spätestens nach 20 Minuten stört das nicht weiter und man hat die Zeit genutzt, um Jaguar als Sympathieträger in sein Herz zu schließen.
So baut sich die Spannung aus Sicht des Helden auf, denn man weiß eigentlich nichts, man wird in eine undurchdringbare Bedrohung gestoßen und alles was fremd ist, kann nur böse sein.
Angst ist das Kernthema und es gilt, sich dieser zu stellen, indem man sich seinen Feinden gegenüber zu behaupten versucht.
Geschickt gliedert Gibson seine Geschichte in drei Teile: Erst das alltägliche Beisammensein, dann die Verschleppung und Folter und am Ende die Verteidigung gegen die Peiniger, - könnte auch der Stoff für ein modernes Survival-Drama sein.
Aber es läuft trotz einiger ruhiger Momente im hohen Erzähltempo ab, stets behält man Jaguar im Auge und die Kamera, notfalls mit Close up seiner Augen, ihn.
Gebannt folgt man seinem Weg, der zunächst ins Ungewisse führt.
Da sind er und seine Stammesgenossen an einer Stange gefesselt und müssen, schwer gezeichnet vom Überfall, einen langen Marsch bis ins Lager der Wilden hinlegen.
Da wird ein Schwacher die Klippen herab gestoßen, ein scheinbar krankes Mädchen stößt eine apokalyptische Prophezeiung gegenüber dem Gefangenenkonvoi aus und in der Stadt angekommen, werden die Gefangenen blau angemalt, die Frauen verkauft, während die Menge grölt und jubelt, weil von einer Stufenpyramide ein Mächtiger predigt und massenweise Köpfe rollen.
Ein ebenso beeindruckendes, als auch beklemmendes Szenario.
Das letzte Drittel widmet sich der Flucht Jaguars, mit einem Tier gleichen Namens, Sprung in den Wasserfall, eintauchen im Moorloch und deftigen Auseinandersetzungen mit der Truppe grimmiger Jäger, die nach und nach dezimiert werden.
Spannend ist das bis zum Schluss, auch wenn das Eintreffen der spanischen Flotten etwas konstruiert wirkt.
Storytechnisch ist es also ein 08/15-Abenteuer mit Dschungelhatz und barbarischem Treiben?
Gibson belässt es nicht dabei und bietet eine detailversessene Ausarbeitung seiner Inszenierung, - in Sachen Make-up genauso, wie innerhalb authentischer Gewaltdarstellung.
Sämtliche Figuren wurden einer ausgiebigen Maske unterzogen, mit Ohrringen, die die Läppchen vergrößern, genauso wie mit Piercings aller Art und Tattoos, die jeden Knastbruder neidisch machen könnten.
Und dann die explizite Form von Gewaltdarstellung, hieran werden sich mal wieder die Gemüter scheiden.
Vordergründig muten einige Szenen schon an, etwa, wenn der Held durch ein Meer von nackten Leichen stolpert, was fast an ein KZ-Szenario erinnert oder einige Male ein Herz herausgeschnitten wird, während im Hintergrund aufgespießte Köpfe in Massen zu entdecken sind.
Keine Frage, das ist brutal und manchmal auch nahezu unerträglich, doch Gibson überschreitet nie die Grenzen des Zumutbaren, die gezeigte Gewalt ist angemessen, denn schließlich sind Splatter-Effekte keine Erfindung von Fulci, sondern Teil einer manchmal sehr blutigen Historie.
Und da ging es eben härter zu, als manche bunte Filmchen der 50er uns das weismachen möchten.
Nicht zu verachten ist ferner noch die Kameraarbeit, bei der man durchaus zu dem Schluss gelangen könnte, der Mann dahinter sei mindestens ein Zehnkämpfer.
Selten zuvor hat man eine Flucht durch ein Maisfeld so beweglich erlebt und nur selten wirkt das zuweilen so getrieben, als sei der Teufel persönlich hinter einem her.
Dazu sehr gut getimte Zeitlupen, Kamerafahrten über Strom und Wasserfall und nicht zuletzt Nahaufnahmen, die den Gemütszustand der Protagonisten verdeutlichen, als sei man ein Teil von ihnen, obgleich es sich ausschließlich um Laiendarsteller handelt, insofern doppeltes Lob an die Regie Gibsons.
Der Mann mag im Privatleben jeden Australier unter den Tisch saufen, aber kontroverse Filme bringt er immer noch zustande und dabei fällt das sagenumwobene Alkoholproblem in der Tat nicht auf
Die Inszenierung ist bildgewaltig und emotionsgeladen, die dargestellte Gewalt zuweilen erschreckend drastisch, doch ein flottes Tempo und einige spannende Momente lassen „Apocalypto“ durchweg unterhaltsam erscheinen.
Ein Abenteuerfilm, der sich mal wieder sämtlichen Konventionen entgegenstellt und vielleicht deshalb nach einiger Zeit neugierig auf den weiteren Verlauf macht.
8 von 10