Apocalypto - Die Passion der Maya
Mel Gibson zeigt erneut, dass er nichts zu sagen hat. Sein durchaus interessanter Ansatz, die Maya-Kultur darzustellen, mündet in ermüdende 140 Minuten belangloser Dschungel-Action aus der inszenatorischen Retorte - ein in jeglicher Hinsicht überbewertetes Machwerk.
Die Passion
Es finden sich zahlreiche geradezu offensichtliche Parallelen, ob gewollt oder ungewollt, zu Gibsons Jesus-Orgie in "Apocalypto" wieder. Doch während Gibsons letzter Film "The Passion of Christ" noch für Aufsehen und scharfe Kritiken hierzulande sorgen konnte (weniger aufgrund seiner künstlerischen Brisanz, sondern, weil damals wie heute der aggressive religiöse Fundamentalismus im Blickfeld von Politik und Öffentlichkeit lag), ist die Feuilleton-Diskussion um "Apocalypto" recht unspektakulär verlaufen. So recht viel lässt sich über den Film auch gar nicht sagen. In Amerika warfen einige Kritiker Gibson rassistische Tendenzen und EIndimensionalität vor, während die meisten anderen den Film als Actionspektakel feierten. Der Vorwurf des Rassismus ist eindeutig eine Übertreibung. Eindimensionalität trifft es da besser, wenngleich das nicht unbedingt ein Vorwurf sein muss, da sie in einer Weise praktiziert wird, wie man es von einem plumpen Actionstreifen nicht anders erwarten darf. Mehr ist "Apocalypto" eben nicht, wie an der dünnen Klischee-Handlung ersichtlich:
Zu Beginn sehen wir das biblische Paradies im Dschungel. Pranke des Jaguar, der Held, lebt friedlich in einer idyllischen Dorfgemeinschaft. Wie alle Männer, jagt er, während seine Frau sich artgerecht um Kinder und Küche kümmert. Da wird sich über Potenzprobleme lustig gemacht, viel gelacht, alte (biblisch gefärbte) Legenden werden am Feuer erzählt, man tanzt, zeugt Kinder, usw. Kurzum, das Abziehbild einer idealen Lebensgemeinschaft. Das alles ändert sich, als plötzlich eine Gruppe von Flüchtlingen vorbeizieht. Schnell wird klar, wovor sie fliehen, und der Film schaltet auf Action. Die Menschenjäger aus der Tempelstadt überfallen das Dorf, bringen zahlreiche Bewohner um und verschleppen die anderen für ihre Massen-Menschenopferungen in die Maya-Metropole. Pranke des Jaguar, dessen Vater vor seinen Augen hingerichtet wird, versteckt Frau und Kind in einem Erdloch. Genug moralische Rechtfertigungen also, um den unerbittlichen Kampf gegen seine Peiniger zu motivieren. So kommt es, dass die Opferung durch eine Sonnenfinsternis unterbrochen wird, woraufhin Pranke des Jaguar flieht. Der Rest des Filmes ist eine eintönige Hetzjagd quer durch die Landschaft, bei der die Bösen einer nach dem anderen abtreten dürfen und der Held des Films allerlei physische Zermarterung über sich ergehen lassen darf. Natürlich rettet er seine Familie, und im letzten Moment landen die Spanier und bringen alles in Ordnung.
Die Maya
Was hat das alles mit den Maya zu tun? Herzlich wenig, denn sie sind nur der optische Rahmen für eine stockkonservative, völlig belanglose Holzhammerhandlung, wie man sie aus Action-Mainstream der Marke Bruckheimer, Schwarzenegger und Konsorten kennt. Das Problem an "Apocalypto" ist jedoch, dass er vorgibt mehr als das zu sein. So sagte Gibson, dass sein Film das Thema Angst behandele. Das tut er ungefähr in der Tiefe, wie Tarantino das Thema Rache in "Kill Bill" auslotete: Als Aufhänger, kurz und oberflächlich angerissen, und als recht fragwürdige Rechtfertigung für explizite Gewaltdarstellung. Während jedoch Tarantino Gewalt als Unterhaltungsform sieht, ist es bei Gibson das gute alte Katharsis-Prinzip: Gewalt reinigt Gewalt. Auge um Auge. Nachdem uns der Film also breit in Braveheartschem Unterdrückungspathos schildert, wie die Dorfbewohner gepeinigt werden, nachdem die Opferungen mit Herzherausreißen und Kopfabhacken ausführlich zelebriert und die Stadtbewohner mit ihrer Dekadenz, ihren derben Grimassen und ihrem Kriegsschmuck deutlich genug als das monströse Böse gezeichnet werden, verlangt es die Gerechtigkeit, dass jene Brutalität zurückgegeben wird. Trotzdem wird "Apocalypto" hinsichtlich der Brutalität oft überbewertet. Mitgefühl oder Intensität sucht man vergebens, war vor allem an der fehlenden Tiefe in Handlung und Charakterzeichnung liegt. Da hilft auch die ganze Pseudo-Authentizität nichts. Der Film ist in der Maya-Sprache gedreht und gibt sich möglichst naturalistisch. Doch Authentizität heißt nicht nur, dass man korrekte Kulissen und Requisiten verwendet, sondern es schließt eine differenzierte Darstellung und ein Interesse für die Sache mit ein. So wie Gibson beispielsweise die Maya-Stadt als eine Art Sodom und Gomorrha vollgepackt mit Bizarrerien zeigt, merkt man, dass ihm eine differenzierten Sichtweise völlig fehlt. Die Rolle der christlichen Invasoren wird auch praktisch vernachlässigt.
Die Inszenierung
Optisch kann der Film sein inhaltliches Versagen kaum aufwiegen. Zu sehr zitiert Gibson bereits dagewesenes. Man hat ständig das Gefühl, alles schon irgendwie einmal gesehen zu haben. Gelegentlich fühlt man sich wie in einem Vietnamfilm (brennende Dschungeldörfer), dann wiederum gibt es Anleihen vom Sport- insbesondere Baseballfilm. Die bösen Menschenjäger haben Ähnlichkeit zu den Herr der Ringe-Uruk-Hais, und überhaupt sind viele Actionsequenzen uninspiriert. Selbst die zahlreichen Möglichkeiten, einen männlichen Körper zu malträtieren, hat Mel Gibson scheinbar schon alle durch. Aus der Passion übernimmt er u.a. den ewig in die Länge gezogenen Kreuzweg und die (selbstverständlich weibliche) Teufelsgestalt. Diese taucht als kleines Mädchen mit Pocken (Wundmale!) auf, welches den Untergang der Maya prophezeit. Diese Prophezeiung setzt der Film dann natürlich eins zu eins um, was ihn noch vorhersehbarer macht, als er sowieso schon ist. Symbolik für Wahrnehmungsgestörte. So quält man sich als Zuschauer durch die zweite Hälfte des Films in der Hoffnung auf ein baldiges Ende der repetitiven Action und amüsiert sich höchstens über unfreiwillig komische, weil überraschend unprofessionell abgefilmte Zeitlupen-Nahkämpfe. Am Schluss kann man die Großaufnahmen schmerzverzerrter Gesichter nicht mehr sehen und freut sich, dass das Happy-End wenigstens kurz ausgefallen ist.
Fazit
140 Minuten geballter Belanglosigkeit zermartern den Zuschauer. Wie schafft man es nur, so wenig Handlung und Sinn auf so viel Zeit aufzublasen? Die einzigen Botschaften, die der Film liefert, sind ein simples Gut-Böse-Schema, eine Zivilisations- bzw. Stadtfeindlichkeit und die üblichen Hollywood-Werte Familie, Eigentum und Gerechtigkeit. Aber das hat die Marlboro-Werbung am Anfang in einer Minute auch herübergebracht. Die hatte wenigstens nicht diese ärgerliche Indio-Ethno-Musik, die in Hollywoodfilmen über "Wilde" immer gespielt wird. Wer einen Film über die Kultur der Maya sehen will, sollte Apocalypto meiden. Wer einen halbwegs unterhaltsamen Actionfilm sehen will, auch. Eigentlich muss den Film niemand wirklich gesehen haben.