Review

Nach dem Ausfall "Stirb an einem anderen Tag" (inklusive dem miesesten Titelsong ever) machte das Franchise eine Pause. Vier Jahre später wurde alles auf Anfang gestellt, die Vergangenheit des Agenten und somit auch seine bereits verfilmten Abenteuer wurden wegradiert. Kaltstart.
Mit Daniel Craig wurde der inzwischen sechste (offizielle) Darsteller ins Rennen geschickt, der Ton veränderte sich spürbar und überhaupt ging es richtig von vorne los. Dabei ist Craig ein echter Glücksgriff, der sowohl den Ton von Ian Flemings Vorlage trifft, aber auch die ruhigen Passagen zu meistern vermag. Bond ist kein charmanter Alleskönner, er macht seine Arbeit auf die dreckige Tour und bezieht dafür auch ordentlich Prügel. So ist die Stimmung in "Casino Royale", der auf Flemings erstem Bond-Roman basiert, wesentlich rauer und realistischer als in den Vorgängern - etwas, das sich auch in den folgenden Filmen mit Craig wiederfindet. Ihm wird mit Eva Green als Vesper Lynd eine mehr als gut aussehende Dame auf Augenhöhe zur Seite gestellt; mehr als nur Beiwerk. Ihre Rolle trägt wesentlich zur Geschichte und auch zur charakterlichen Entwicklung Bonds bei. Die Lektionen, die er hier lernt, werden ihn zu dem machen, was wir schon kennen und dabei nimmt all dies hier erst seinen Anfang.

"Casino Royale" beginnt mit einem Agenten, der sich seinen Status erst noch verdienen muss, der als stumpfes Instrument funktioniert und geschliffen werden muss. Keine leichte Aufgabe für M, wieder verkörpert von Judi Dench.
Der vereinzelte Humor kommt aus den Dialogen, wenn beispielsweise Bond und Lynd aneinander geraten. Beide legen ein charismatisches Spiel an den Tag; gleiches gilt für Bonds Gegenspieler Le Chiffre (Mads Mikkelsen), einem seit langem mal wieder ernstzunehmenden Bösewicht. Auch der Rest des Cast ist durch die Bank passend besetzt und spielt ohne Ausfälle.

Die Inszenierung schafft es aufgrund der spannenden Geschichte und einwandfreien Actionszenen mit viel Handarbeit, die stattlichen 144 Minuten flott durch den Raum zu jagen. Regisseur Martin Campbell dreht nicht nur merklich an der Härteschraube (bis zur Schmerzgrenze), ihm gelingt dabei die Balance zwischen Krawall und ruhigen Passagen nahezu perfekt. Nicht nur die ausufernden Pokerszenen (im Buch wird noch Baccara gespielt) bergen Spannung, immer wieder setzt die Handlung auf Adrenalin.
Ein minimaler Hänger schleicht sich nur gegen Ende ein. So ist die Bonds Charakter weitreichend prägende Romanze mit ihrem Verlauf für die emotionale Weiterentwicklung unbestritten relevant, hätte aber auch etwas kürzer ausfallen können, ohne Tiefgang einzubüßen. Stellenweise störend fällt auch das Product-Placement ins Auge - das war's aber auch schon mit den Negativpunkten.

Der Titelsong von Chris Cornell gehört zum Besten, was die Bondfilme bis dato geboten haben - sowohl musikalisch als auch textlich. Selten wurde so treffend die Stimmung eines Films und des Protagonisten Inneres passender umgesetzt. David Arnolds Soundtrack gehört zum homogensten und besten der kompletten Serie und hat mit "Vesper" ein wunderschönes Thema in petto. Die Titelsequenz ist ansprechend gestaltet, die Kamera behält trotz ihrer Dynamik stets die Übersicht und von einem Schnittmassaker ist "Casino Royale" weit entfernt. Auch handwerklich wurde also exzellent gearbeitet und wie gewohnt bieten die Drehorte wieder allerlei Schauwerte, unter anderem die Bahamas, den Comer See und Venedig.

"Casino Royale" ist der beste Neustart, den die Reihe je erlebt hat. Craig macht seine Sache bemerkenswert gut, die Inszenierung bricht mit festen Traditionen und geht damit nicht baden und Eva Green ist das beste Bond-Girl, das keines ist. Kurzum: Der beste Bond-Film seit Jahrzehnten!

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