Das Gezeter war groß, als die Welt erfuhr "Daniel Craig wird der neue Bond sein". Doch nach der Premiere hatten sich selbst die größten Kritiker davon überzeugt, dass der Mann seine Sache wirklich gut macht und frischen Wind in die Agentenreihe bringt.
James Bond hat gerade seinen Doppel-Null-Status erlangt, da wird er auf den Finanzier Le Chiffre angesetzt. Der wird von Terroristen unter Druck gesetzt, durch die er sein Geld verdient. Bei einem nervenaufreibenden Pokerspiel in Montenegro soll Bond Le Chiffre gehörig ins Schwitzen bringen ...
Schwitzen ist genau das Strichwort. Seit Roger Moores Einstand mit "Leben und sterben lassen" (1973) erlebten wird James Bond in Actionszenen ohne Scheißflecken. Mit Timothy Daltons "Lizenz zum Töten" wurde dann die Kehrtwende zur härteren Gangart versucht und in der Pierce Brosnan-Ära setzte man auf Dauerfeuer aus allen Rohren.
Für Craigs Erstversuch haben sich die Produzenten eher an Connerys und Daltons Filmen orientiert. Hier darf James Bond sogar bluten, fast sterben und brutal gefoltert werden (eine Szene, die vor allem beim männlichen Publikum Schmerzen verursachen dürfte). Realismus also, wie man ihn lange nicht mehr bei 007 erleben konnte. Den technischen Sci-Fi-Schickschnack der Vorgänger (wie noch in "Die Another Day") sucht man hier genauso vergebens, wie den ultimativen Action-Overkill (siehe "Tomorrow Never Dies").
Das heißt natürlich nicht, dass man als Fan der Reihe auf klasse gemachte Action verzichten muss. Nur weniger ist es diesmal geworden. Es gibt drei große Höhepunkte, die diese Bezeichnung auch verdient haben: Eine unglaublich spektakuläre Verfolgung zu Fuß auf einer Baustelle, die Vereitelung eines Anschlags und das furiose Finale, welches perfekt getrickst wurde!
Damit es zwischendurch nicht langweilig wird, bekommt man eine spannende Story mit vielen Wendungen präsentiert, die die Überlänge ("Casino Royale" ist der längste Bond) rechtfertigt und den Zuschauer bis zum Schluss bei der Stange hält.
Man mag es kaum glauben, aber Daniel Craig, der nun so gar nicht nach Bond ausschaut, erweist sich als echter Glücksgriff. Ein glatt gebügelter Schönling hätte in diesem Thriller wie ein Fremdkörper gewirkt und sicher vieles zunichte gemacht. Zudem ist Craig ein erfahrener Charakterkopf, der mit seinen Vorgängen mithalten kann bzw. sie sogar aussticht!
Ein paar Schlauköpfe (u.a. auch in der ofdb) haben festgestellt, dass die hier gezeigten Anfänge von Bond in die Gegenwart verlegt wurden und dass das chronologisch irgendwie nicht passt. Haben die Betroffenen eigentlich auch gemerkt, dass Bond innerhalb von vierzig Jahren nie älter wurde? Ist doch auch irgendwie unlogisch oder?
Bevor man sich mit solchem Blödsinn die Laune verdirbt, sollte man einfach das Gesetz der Reihe beachten: Jedes neue Abenteuer unseres Agenten steigt in der Gegenwart! Ich persönlich fände es da deutlich unpassender, 2006 das Zeitkolorit und die Technik von 1962 vorgeführt zu bekommen. Denn genau das würde die Kontinuität der Serie zerstören, auch wenn es paradox klingt.
Fazit:
Aufregender Einstand für den neuen Bond! Daniel Craig jedenfalls hat meinen Segen.
"Casino Royale" ist sicher nicht das Highlight der Reihe (Platz 1 teilen sich "On Her Majesty's Secret Service" und "Licence To Kill"), aber verdammt nahe dran! 9/10 Punkten.