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Mr.Brosnan geht – Mr.Craig kommt!
Wieder einmal gibt es eine Blutauffrischung für die immerwährende James-Bond-Filmreihe, doch so oft man schon das titelgebende Gesicht ausgetauscht hat (Daniel Craig ist der sechste offizielle Darsteller des Bond), meist traute man sich nicht, am modus operandi der Reihe Wesentliches zu ändern.

Um so überraschender, dass man in diesem Fall erstmals signifikante Unterschiede ausmachen kann, mit denen das eingefleischte Bond-Publikum sich erst mal identifizieren muß.

Der Hauptdarsteller…
Rauh, kantig, herb – so kommt Daniel Craig daher, ein Unterschied wie Tag und Nacht, besieht man sich die letzten vier Brosnan-Bonds.
Brosnan schien stets die perfekte Quersumme der typischen Bondeigenschaften zu sein, ein stylisher Superman, stets nahe an der Perfektion, aber jenseits der Realität; nicht zu schön, nicht zu wild.
Dagegen wirkt Craig, als hätte man einen Schlagetot auf das Publikum losgelassen, denn in seinem ersten Fall ist auch Craig als 007 ein Neuling, die Pre-Title-Sequenz zeigt sogar seine Intitationsmorde und im Laufe des Films bewährt er sich erst richtig.
Dabei wird oft übersehen, dass man sich mit der neuen Schauspielerwahl ziemlich gut dem Flemingschen Vorbild des harten, gewissenlosen Knochen; der aus der knappen Badehose platzenden Virilität annähert.
Craig ist ein testosterongesteuertes Stück Klischeebimbo, was die Psychologen im Saal freuen wird, denn was früher unbemerkt analysiert werden musste, wird hier laut ausgesprochen, der frauenverachtende, gewissenlose Killermacho, der fürs Vaterland alles tut – ein Soziopath, der nur deswegen frei herumlaufen kann, weil er ständig die Welt rettet.

Aber, und das ist der große Vorteil, Craig ist perfekt in dieser Rolle und schafft es, diese negativen Vorgaben in die reine Sympathie umzuwandeln, so dass nicht wenige Frauen im Publikum schmachtend vor sich hin lechzen.

Das Drehbuch…
Hier saß Oscarpreisträger Paul Haggis am Griffel und wer die Blaupausen kennt, die für gewöhnlich mit dem vorhersehbaren 3-4 Wendungen als Bond-Skript auskommen, der wird verblüfft sein.
Denn erst mal heißt es, sich an das neue Gesicht gewöhnen – und bis es dann endlich mal um den Plot geht, ist schon fast eine Stunde rum.
So gerät „Casino Royale“ teilweise zur Leistungsschau für handfeste, wenig technisierte Action und teilweise zum guten alten Charakterbond, der mit Blicken und Charisma arbeitet.
Die Schwächen des Films liegen jedoch gerade im Auslassen der alten Erzählformeln, denn die Story um „Le Chiffre“ ist wenig mehr als ein dünner Aufhänger, denn ein groß angelegter Bond. Episodisch hangelt man sich durch die Story, deren größtes Problem ist, dass sie sich mehrfach nachträglich selbst erklären muß, anstatt dies dem Zuschauer auf dem Weg zu erklären.

Ein weiterer bemerkenswerter Punkt ist der Verzicht auf jegliche Form von „mass destruction devices“ – der vielleicht erste Bond ohne Atomwaffen oder eine andere Art der „Weltuntergangsmaschinen“, seit „Liebesgrüße aus Moskau“.
Hier muß ein Böser mit seinen eigenen Waffen geschlagen werden, am Pokertisch – und trotz vieler Gegner zentriert sich das Geschehen lange Zeit auf das Casino in Montenegro.
Davor jedoch zerfasert die Story in Einführung per Actionsequenzen, von denen es zwei intensive (die Verfolgung des Bombenlegers, die Flughafensequenz) in epischer Breite gibt.

Leider ist hier nicht Feinarbeit am Werk, sondern mehr Masse als Klasse, wenn man knochenbrecherische Extreme nicht automatisch als „Klasse“ einstuft. Bond teilt aus und steckt ein, allerdings fehlt es an ikonenhaften Szenen, wie etwa die Prügelei mit Robert Shaw oder den Fahrstuhlkampf in „Diamantenfieber“.
Bemerkenswert ist nur Bonds gnadenlose Härte, doch mangelt es etwas an Feinschliff.

Die Franchise und ihre Elemente…
Auch sonst fehlt vieles, was man in einem Bond erwarten kann oder wenn es enthalten ist, kommt es an scheinbar falscher Stelle.
Die Abwesenheit Q’s ist zu verschmerzen, die einzigen Gadgets sind ein paar versteckte Extrasachen im Auto, wobei der Einsatz eines medizinischen Notfallpacks konfuserweise die fast spannenste Szene des Films ergibt.
Der berühmte Martini wird geradezu ironisch eingesetzt, der „Aston Martin“ augenzwinkernd.
Es fehlt die große Bedrohung und der Bösewicht ist auch nur ein Handlanger einer größeren Organisation, wie es scheint. Es wäre begrüßenswert, wenn man diesen Trend, der nach alten Connery-Zeiten schnuppert, beibehält.
Auch muß man sich damit anfreunden, das der Hauptgegner recht überraschend schon knapp eine halbe Stunde vor Schluß abtritt, hier schlägt das Skript noch einmal einen Bogen, der ein wenig Bonds Persönlichkeit erhellen soll und fügt ein wenig menschliches Drama hinzu, was antiklimatisch aber nicht misslungen wirkt.
Der finale Schlußfight in einem in Venedigs Lagune versinkenden Haus ist dabei ein optisches Highlight, leidet aber daran, dass Bond hier gegen namenlose Gegner fightet, die keinerlei Seite beim Zuschauer anschlagen.
Und erst mit dem letzten Satz, der berühmten Vorstellungsfloskel, versöhnt man sich mit dem Die-Hard-Fan.

Schauspieler…
Der Film ist komplett auf Craig zentriert, viel Platz bleibt da kaum für andere.
Mads Mikkelsen als Bösewicht hat das Glück, in seinem gequält wirkenden Gesicht viel Charisma anzuhäufen, ist aber Craig optisch in seiner Herbheit so ähnlich, das kaum Gegensätze entstehen.
Dagegen muß Eva Green als Gefährtin und „Love Interest“ fast den halben Film auf ihren ersten Auftritt warten, erledigt dann aber ihren Part recht stilvoll, obwohl die anfängliche Bissigkeit ihr am besten steht.
Judi Dench leistet als „M“ Arbeit von der Stange und nur Giancarlo Giannini hat ein paar hübsche Szenen, kann aber nicht so glänzen, wie man es sich vielleicht wünscht.
Der Gesamteindruck ist also positiv, jedoch verblasst alles vor der Hauptfigur.

Die Zukunft ist Bond…
Der Gesamteindruck ist aus meiner Sicht recht positiv, wenn auch nicht gänzlich makellos.
Bond riecht wieder nach Agenten und nach Handwerk, nicht mehr nach Technobombast rund um das Millenium.
Diesen Trend beizubehalten und vielleicht einen neuen tragenden Bogen in die Bond-Reihe einzufügen (wie damals mit Blofeld) ist für mich wünschenswert.
Dazu gehören jedoch raffiniertere Skripts für die Zukunft, die nicht nur auf Kraftmeierei setzen, sondern vielleicht auch auf eine Entwicklung der Hauptfigur, deren Statik hier manchmal aufgeweicht wird, was immer erfreulich war.
Und die Distanzlosigkeit zu dem „menschlichen“ Bond kann sich auch sehen lassen.
Die Rückkehr vertrauter Elemente im nächsten Bond ist sicher unvermeidlich, eine weniger rumpelige narrative Struktur sogar wünschenswert.
Aber aller Neuanfang ist schwer und die ersten, schweren Schritte sind getan.
Insofern kann die Welt wieder mit ein wenig Nägelkauen mehr gerettet werden – dieser Bond ist einer, um den man auch mal zittern muß. (7,5/10)

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