Mit Daniel Craig übernimmt in „Casino Royale“ der bereits sechste Darsteller die Rolle des berühmten Agenten mit der Lizenz zum Töten. Letztere erwirbt er aber erst zu Beginn dieses Films, denn „Casino Royale“ ist inhaltlich (aber nicht zeitlich) als Erstling der Filmreihe konzipiert. Nicht der einzige Punkt, in dem der Film neue Wege im Bond-Universum beschreitet.
Bond beschattet den Bankier Le Chiffre, der für reiche Kriminelle an den Börsen spekuliert. Als es Bond gelingt, ein Attentat in Miami zu verhindern, steht Le Chiffre ohne das Geld seiner Klienten da und muss ein Pokerspiel auf dem Balkan ausläuten, um seine Schulden zu bezahlen. Bond ist natürlich dabei…
Erstmal ein paar Worte zu den Hauptfiguren: Bond selbst erleben wir hier in seinem (technisch gesehen) ersten Einsatz auf einem schmalen Grat zwischen Härte und Sensibilität, er besticht durch Skrupellosigkeit wie auch durch Menschlichkeit, und war nie weiter von der Figur entfernt, die ein Sean Connery einst so brilliant ausfüllte. Parallelen zum damaligen Revolutions-Bond „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ werden offenkundig, wenn sich Bond gar entscheidet, den Dienst zu quittieren und mit seiner Geliebten den Lebemann zu spielen. Insgesamt verleiht all diese Charakterfindung dem Film eine gewisse inhaltliche Tiefe, die den letzten Brosnan-Bonds äußerst gut getan hätte. Leider legt Daniel Craig die Rolle noch härter und trockener aus als Timothy Dalton, sein immergleicher durstiger Blick geht irgendwann doch auf die Nerven, genau wie seine Steven-Seagal-Mimik.
Eva Green als Bond-Girl Vespa bringt zwar alles mit, was man von einem Bond-Girl erwartet (hübsch, sexy, schlau und willig), leider muss ihre an sich routiniert angelegte Figur für einen Handlungsstrang herhalten, der den Film völlig zerbricht. Bösewicht Le Chiffre ist ein totaler Rohrkrepierer, den man in eine Reihe mit Nieten wie Kamal Khan („Octopussy“), Hugo Drax („Moonraker“) oder den unsäglichen Nick-Nack stellen muss. Pokerface und Blutstränen allein sind dann doch etwas wenig…
Nach dem (überflüssigerweise) schwarz-weiß-Rückblick auf Bonds ersten Kill kommt die erste Actionsequenz, und die ist so genial, wie sie schlecht ist. Hut ab vor den Stuntmen, die da von Kränen und Dächern hüpfen, selbst Konsolen-Jump´n´runs haben da nicht mehr zu bieten, aber das Ganze ist so abartig unglaubwürdig, dass man sich fragen muss, ob die Produktion nichts von der Kritik an abgehobener Action der Vorgänger gelernt hat.
Schlagartig besser wird es mit Bonds Ankunft auf den Bahamas. Hier setzt ein altbekannter, doch gut eingesetzter Bond-Mix aus Ermittlung, Flirten und Beschatten ein, der nichts hat, was ein „Feuerball“ nicht viel besser hatte, aber dennoch gefällt. Auch die Action auf dem Flughafen beeindruckt mit ihrem fulminanten Tempo. Der Schauplatzwechsel auf den Balkan tut dem guten Eindruck keinen Abbruch, wenngleich nun ein immer deutlicher erkennbares Ungleichgewicht zwischen Härte und Witz entsteht. Auf der einen Seite bemüht sich der Film zwanghaft, hyperbrutal rüberzukommen, auf der anderen ziehen die ebenso zwanghaft coolen Sprüche Bonds nicht immer, sodass man mit schwankenden Stimmung des Films nicht viel anfangen kann. Insbesondere in der Macheten-Passage und den folgenden Minuten wird dieser Zwiespalt augenfällig.
Natürlich zieht Bond Le Chiffre über den Tisch, und mit dem Ende des Pokerspiels erfährt der Film einen gigantischen Bruch in der Handlung. Während man meinen könnte, Bond wird dem Schurken nun bald den Rest geben, kommt plötzlich alles ganz anders. Um die Kohle zurückzubekommen, foltert Le Chiffre den nackten (!) Bond, nur um Momente später von einem namenlosen Killer erschossen zu werden. Was für ein beeindruckender Abgang – aber nun beginnt die große Vespa-Story, die selber die Kohle abgreifen wollte, und dafür Bonds innige Liebe ausnutzt. Bond folgt ihr durch Venedig und enttarnt irgendwelche (zum ersten Mal im Film auftretende) Handlanger, sowie deren Hintermann – ein namenloser, unbekannter Typ, der nur zum Sterben im Film auftritt. Leider geht die süße Vespa mitsamt einem Palazzo in der Lagune unter, sodass auch Bond geläutert ist und Frauen nur noch als Stück Fleisch behandeln kann. Dieser Nachklapp auf die eigentliche Handlung zieht den Film nicht nur um eine halbe Stunde länger, sondern auch sehr weit runter, da der Film schon so gut wie abgeschlossen war. Offenbar wussten sich die Autoren keines rechten Mittels, um sich Vespas zu entledigen – Bond mit fester Freundin dürfte auch etwas schwierig werden.
Außerdem erwähnenswert ist die penetrante Produktplatzierung eines gewissen Herstellers technischer Geräte. Die Titelmusik ist verglichen mit dem letzten Madonna-Gequäke eine Wohltat, wenn auch nicht auf einer Stufe mit früheren John-Barry-Stücken. Obwohl der Film sich höchst brutal gibt, ist er es eigentlich nicht – „Lizenz zum Töten“ bleibt hier der Maßstab.
Fazit:„Casino Royale“ bietet einen miesen Auftakt, einen guten Mittelteil und ein mieses Ende. Anfang und Ende bleiben aber meist besonders in Erinnerung – das zum Schluss hin wenig durchdachte Drehbuch sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Film deutlich in der Tradition klassischer Connery-Werke schippert, und damit auf dem richtigen Kurs. Viele kleine ärgerliche Sachen kommen hinzu, Sachen, die kein Mensch sehen will (Folter- und Machtenszene), sodass eine höhere Wertung nicht drin ist.
5,5 Punkte – runde ich als Dankeschön für die Schleichwerbung ab.