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Nachdem letztes Jahr Batman einen Neubeginn spendiert begam, um das schon beerdigt geglaubte Franchise aufzufrischen, wurde nun auch der dienstälteste Film-Agent ihrer Majestät einer Generalüberholung unterzogen, da die letzten Abenteuer der Doppelnull nicht gerade das Gelbe vom Ei waren und zudem mit zu viel CGI-Glasur überzuckert worden waren. Das sollte sich nun ändern, um auch der immer ernster zu nehmenden Bourne-Konkurrenz entgegenzuwirken. Ein neuer Bond musste her. Brosnan war den Produzenten zu alt geworden und wollte angeblich selber nicht mehr. Viele wetteiferten um den leeren Posten, um der Welt zu beweisen, was für ein toller Hecht sie wären, wenn sie eine Walther P99 in den Griffeln hätten. Die Bewerberliste reichte dementsprechend von aussichtsreichen Kandidaten wie Eric Bana, Clive Owen (mein Favorit) und Ewan McGregor bishin zu Möchtegerns a'la Orlando Bloom, Justin Timberlake (und das als Ami) und Heath Ledger. Umso überraschender war dann das Ergebniss. Ausgerechnet Daniel Craig (Tomb Raider), mit dem fast keiner gerechnet hatte, erhielt die begehrte Stelle des OO7-Agenten mit der Lizenz zum Umnieten. Doch es bedurfte natürlich mehr als nur eines neuen Gesichtes, um das Franchise wieder nach oben zu bringen und Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Das Konzept wurde radikal geändert, man entfernte sich vom überheblichen CGI-Zirkus und ging nicht nur inhaltlich, sondern in Sachen Inszenierung und Atmosphäre zurück an den Anfang. Als Vorlage nahm man darum Ian Flemmings Casino Royale, das bisher nur für eine Parodie herhalten durfte.

Gerade erst mit der Lizenz zum Töten ausgestattet, führt James Bond (Daniel Craig) seine erste OO7-Mission ins Casino Royale von Montenegro. Dort will Le Chiffre (Mads Mikkelsen), Bankier einer weltweit operierenden Terrororganisation, beim Pokern eine Millionensumme für die Verbrecher erspielen, denen durch Bond ein gewinnträchtiges Attentat misslang. Bond soll gegen ihn antreten, um die Terroristen abermals zu ruinieren und die Schlinge enger um Le Chiffres Hals zu ziehen. Doch nicht nur am Spieltisch werden schmutzige Tricks angewandt. Schon bald geht es um weit mehr als schwindelerregend hohe Geldbeträge...

Mehr Connery und Dalton, weniger Moore und Brosnan! So schien die Einstellung der Produzenten gewesen zu sein, als ihre Wahl auf Daniel Craig fiel. Denn genau das trifft auf Craigs Performance als OO7-Agent zu. Der Feinschliff findet zwar erst ganz am Ende statt und er ist noch mehr Schläger als Gentleman, doch besitzt er schon die rohe und weniger gentlemanhafte Vorgehensweise, wie sie Sean Connery und Timothy Dalton (speziell in Lizenz zum Töten) zeitweise an den Tag gelegt haben. Somit stellt Craig für mich nicht die absolut perfekte Wahl (das ist immer noch Clive Owen) da, aber auch nicht den von vielen vorlauten Kritikern erhoffte Schuss in den Ofen. Fehlen darf selbstverständlich auch nicht das Bond-Girl. Und da Eva Green (Königreich der Himmel) vielerorts bekundete, dieses Wort (Bond-Girl) nicht zu mögen, ist sie auch nicht ein Bond-Girl im klassischen Sinne. Zwar beweißt sie in jeder Szene locker mehr IQ als Denise Richards und Halle Berry zusammen, doch ist sie im Endeffekt auch kein richtiges Bond-Girl, da ihr die entsprechende Aura völlig abhanden geht. Wirklich schlecht ist sie damit immer noch nicht, nur halt eine Art Kompromiss-Lösung, weil Charlize Theron keinen Bock hatte. Talent ist jedoch bei ihr vorhanden. Und ein Bond wäre arbeitslos und würde längst Hartz IV beziehen, wenn es nicht auch hier einen Finsterling gäbe, den es (im wahrsten Sinne des Wortes) auszuspielen gilt. Mads Mikkelsen (King Arthur) ist bei weitem nicht der schlechteste Bond-Schurke, aber auch einer der unscheinbarsten Gegenspieler. Denn der Obermacker persönlich ist er in dieser Handlung nicht, sondern darf für seine Schuldner lediglich die Kohle scheffeln. Somit kann er Philip Seymour Hoffman in M:I-3 bei weitem nicht das Wasser reichen, auch wenn er genauso unspektakulär ins Jenseits befördert wird. Wieder mit von der Partie ist dann auch Judi Dench (Riddick) die erstaunlicherweise mit Craig eine bessere Chemie entwickeln kann, als es ihr mit Brosnan möglich war. Als Felix Leiter gibt dann noch Jeffrey Wright (Shaft) einen soliden Einstand. Giancarlo Giannini (Mann unter Feuer) gibt einen passablen Nebenpart ab, und Caterina Murino (Nowhere) scheint schon eher die klassische Bond-Schnitte zu sein, hat aber zu wenig Screentime, weshalb es nur bei einem One Night Stand bleibt.

Regisseur Martin Campbell (Flucht aus Absolom) der mit OO7 - GoldenEye schon Brosnan in den Dienst ihrer Majestät einführte, hat scheinbar aus den Fehlern seiner Vorgänger gelernt, schraubt den CGI-Anteil nur auf das Allernötigste runter, läßt ein anständiges Drehbuch zusammenschreiben dessen Hauptaugenmerk auf der Charakterisierung und nicht der Action liegt, und wickelt den anfallenden Actionanteil in Old School-Manier ab. Will heißen, dass es weniger spektakuläre Zirkusnummern und stattdessen mehr harte Nahkämpfe zu sehen gibt. Der Opener nach den schicken Credits zu Chris Cornells Song You Know My Name gestaltet sich zwar in Sachen Akrobatik etwas zu übertrieben, wenn z.B. von Kran zu Kran gejumpt wird, hat aber jedoch was. Eine bessere Verfolgungsjagd zu Fuss konnte 2006 immerhin nicht geboten werden. Nichtdestotrotz ist der Actionanteil in OO7 - Casino Royale doch erstaunlich gering. Lediglich den spektakulären Verfolgungs-Opener, eine Terroristen-Hatz auf einem Flughafen, ein kurzes Gerangel im Treppenhaus und ein mäßiges Finale in Venedig spendiert man dem actionverwöhnten Zuschauer. Doch dafür sind die entsprechenden Szenen recht anschaulich, düster und roh geraten. Ähnlich wie in den Bourne-Filmen.

Der Hauptteil der lokalen Handlung liegt nämlich auf einer durchaus spannenden Pokerpartie im Casino Royale, in der allerdings nicht mehr Bakkarat (siehe GoldenEye), sondern das inzwischen populäre Texas Holdem gezockert wird. Hier nutzt der Film das vorhandene Spannungspotential voll aus und schafft es so, dass der Zuschauer wirklich mitfiebert, statt nur uninteressiert dabei zu sein. Zwischendurch gibt es natürlich auch Pausen mit diversen Morddrohungen und -anschlägen. Nebenbei werden noch Bündnisse (Bond und Leiter) geschlossen, und Bond kommt Vespa unter der Dusche näher. Und hier wird der zweite Hauptbestandteil der lokalen OO7-Handlung offenbart. Nämlich der Romanze zwischen James Bond und Vesper Lynd. Wie gewohnt wird sich anfangs gegenseitig angezickt und schließlich Bettakrobatik betrieben, da man doch einen Weg zueinander gefunden hat. Neu ist das in einem Bond-Szenario auf keinen Fall, aber unterhaltsam und mit den nötigen Charaktermomenten inszeniert. Außerdem wissen wir durch die Figur der Versper nun, warum Bond in den vorherigen Filmen ist wie er ist. Denn erst einer dramatischen Schicksalswendung bedarf es, damit Bond seine Berufung findet und der Agent ist, den wir kennen und lieben.
 
Geschmälert wird das Vergnügen jedoch ungemein, nach dem unerwarteten sowie vorzeitigen Ableben von Le Chiffre. Hier scheint Campbell plötzlich die Puste auszugehen und präsentiert uns ein zwar optisch schickes, aber dennoch unspektakläres und zügiges Finale. Hier wird ein Gebäude in Venedig ein paar Stockwerke tiefer gelegt und Bond darf auf recht unangenehme Art (Zweckentfremdung einer Nagelpistole) die unscheinbaren Handlanger einer dritten Partei umnieten, die noch zusätzlich in das Geschehen eingreift. Hätte es Campbell bei einem klassischen Showdown mit Le Chiffre belassen, so wäre das Ende vor dem Ableben eines bestimmten Hauptprotagonisten zwar minder origineller gewesen, doch hätte man das vorangegangene Tempo und die Atmosphäre beibehalten, und dem Zuschauer unnötige Verkomplizierungen erspart. 

Garniert wird das Szenario noch mit allerlei Oneliniern, die überwiegend zur Auflockerung dienen oder die zentrale Romanze zwischen Bond und Vesper vorantreiben. Überwiegend passen die Dialoge und die Oneliner werden auch recht geschickt eingesetzt. Für die Musikuntermalung sorgt mal wieder David Arnold, der nicht nur für die Mucke der drei letzten Brosnan-Einsätze verantwortlich zeichnet, sondern auch den Score zu Emmerich-Werken wie ID4, Godzilla und Stargate beisteuerte. Hier wirkt sein Score allerdings weniger auffallend wie in den vorherigen OO7-Werken mit seiner Beteiligung. Das liegt aber auch überwiegend an der auf Charaktere und nicht auf Effekte-Overkills angelegten Handlung. Somit herrschen hier vorwiegend ruhige Töne, die zwischenzeitlich von dramatischeren Klängen abgelöst werden.

OO7 - Casino Royale ist tatsächlich der Bond einer neuen Generation, obwohl man inhaltlich zurück zu den Wurzeln gekehrt ist. Glücklicherweise entfernt man sich vom überfrachteten CGI-Spektakel, das hübsch anzusehen ist, aber über wenig Inhalt verfügt, wie man es vor vier Jahren gemacht hat. Dies schien auch der Todesstoß für die Brosnan-Ära gewesen zu sein, weshalb dieser Tapetenwechsel nötig war. Aber er hat sich gelohnt, wenngleich mein Favorit, Clive Owen, die Stelle nicht erhalten hat.    

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