Review

Eher Michael Mann als Chubby Broccoli

Ich war nie ein Freund der frühen Bonds, bin nie des Nächtens vor dem Fernseher gesessen, um mir die Jagd nach Dr. No anzuschauen, und auch Roger Moore fand ich nur affektiert. Meine Sammlung von Bondfilmen beginnt als logische Konsequenz daraus mit Timothy Dalton. Daher war ich eher skeptisch, als es hieß, man besinne sich auf die einstigen Stärken der Bond-Serie, wobei die Abenteuer mit Pierce Brosnan auch eher eine Art „Indiana Jones“ mit Agentenflair waren…Bond, das hieß für mich großes Kino, viele Effekte, einen richtig miesen Schurken, ein wenig Humor und kein Blut. Unterhaltung also fast im Stil der Disneyfilme, die sich nicht unbedingt an ein erwachsenes Publikum richtet. Daher ist es auch zu erklären, daß beim neuesten Bond in einer Reihe hinter mir vier Jungs saßen, die die Grundschule noch nicht verlassen haben…doch die hatten bei diesem Film nun wirklich nichts verloren, denn der neue Bond geht ernsthaft und brutal zur Sache und hätte meiner unmaßgeblichen Meinung nach eine Freigabe ab 16 verdient.

Daniel Craig, über den man im Vorfeld reichlich Häme ausgeschüttet hat, macht seine Sache hier gut. Wir sehen James Bond am Anfang seiner Karriere in einem reichlich verzwickten Fall. Der Übelwicht heißt diesmal Le Chiffre, ein Banker für Terroristen, die ihm ihr ermeucheltes Geld zur Geldanlage reichen. Doch der Mann verspekuliert sich, und das ist bei seinen Klienten schlimmer als die Pleite der Berliner Bank. Also muß die Kohle wieder her, und so organisiert Le Chiffre ein Pokerturnier. Zehn Spieler, nur ein Sieger, Gewinn ist der gesamte Einsatz. Bond nimmt am Turnier teil, um Le Chiffre vom Gewinnen abzuhalten, das Geld stammt vom Schatzamt, begleitet von der Buchhalterin Vesper Lynd. Als alter Kenner der Materie Mensch übertölpelt Bond die Mitspieler, doch damit ist noch lange nicht genug, denn alle Beteiligten verfolgen noch ganz andere Ziele…und am Ende wissen wir, warum Bond so zynisch ist, wie er nun mal ist.

Kein actionreicher Vorspann, keine aberwitzigen Stunts, keine technischen Gimmicks, kein Q…man war gespannt, ob das gutgehen konnte, zumal Craig in der britischen Presse als Weichei verspottet wurde. Und so möchte ich den Film auch nicht als Bond-Movie bezeichnen, sondern eher als Agententhriller, dessen Hauptfigur zufällig den Namen Bond trägt. Wäre das nicht der Fall, würde man nicht wissen, einen Film mit langer Tradition zu sehen. Und genau das war auch nötig, denn nach den Sequenzen rund um Pierce Brosnan im Eispalast war klar, daß es so nicht weitergehen kann. Man hat Bond eine Frischzellenkur verpaßt, die ihm ungeheuer gut getan hat. Wenig Dialog, mehr Nahkämpfe in ruppiger Manier, Bond blutet, Bond leidet, und die Actionsequenzen wirken nicht überzeichnet, was schon gleich bei einer Verfolgungsjagd zu Fuß am Beginn des Films angenehm auffällt. Und so macht sich das Fehlen von ehernen Bestandteilen der Serie nicht bemerkbar, es geht eher in Richtung „Bourne“ als in Richtung Bond. Nur eines: für die Jüngeren ist das sicher nichts mehr, und da freuen sich die Älteren sicher darüber – zumindest mir ging es so. Kleine Schwächen hat er Film gegen Ende, da will er zu viele Drehbuchwirrungen unbedingt noch unterbringen, und die Liebesgeschichte ist zwar nett, löst sich aber ebenfalls etwas grobschlächtig auf. Dennoch ein guter Schwenk hin zu ernsthafter Unterhaltung und damit ein hoffnungsvolles Zeichen für die weitere Zukunft – 9/10.

Details
Ähnliche Filme