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Wenn wir von Aufregungen in der Filmlandschaft 2006 sprechen, dann sind wir bei "James Bond 007: Casino Royale" an der richtigen Stelle. Selten ist eine Filmreihe so sehr an den Hauptdarsteller gekoppelt. Daniel Craig als James Bond ist schwer vorstellbar - optisch erinnert er eher an einen russischen Widersacher des 00-Agenten. Dazu Regisseur Martin Campbell, der in "Goldeneye" die Gesetze der Schwerkraft auf den Kopf stellte und Pierce Brosnan schneller als ein Flugzeug fallen ließ. Die Vorzeichen sind schlecht.

Getragen von Vorurteilen und Skepsis löst man sich allerdings schon bald von den festgefahrenen Vorstellungen. Dabei muss man sich im Nachhinein eingestehen, dass die Vorverurteilung einem Scheinprozess glich, denn es gibt durchaus Hinweise auf Qualität. Paul Haggis, der für die Drehbücher von "Crash" und "Million Dollar Baby" verantwortlich ist, reiht sich in die Gesellschaft der Autoren des neuen Bond-Films. Sein Einfluss muss zweifelsohne groß gewesen sein, denn "Casino Royale" führt Bond storytechnisch in irdische Regionen zurück, fernab des abstrusen Desasters, dass sich "Die Another Day" nennt. "Stirb an einem anderen Tag" war der Höhepunkt der Überzeichnung und daran wirkten unter anderem auch die beiden anderen Autoren des "Casino Royale"-Drehbuchs, Neal Purvis und Robert Wade mit. Ob beide wieder zur Besinnung gekommen sind oder dieser Neuanfang hauptsächlich durch Haggis' Einfluss zu erklären ist, kann man nicht klären, im Endeffekt entsteht dabei etwas, was in allen Belangen besser ist.

Inszenatorisch bleibt das Opening, um Bonds Ernennung zum Doppelnull-Agenten noch recht unspektakulär, aber interessant ist dieser Aspekt allemal. Langsam entwickelt sich "Casino Royale" zu einem hervorragend mitreißenden Agententhriller, der an die Anfänge von 007 anknüpft und mehr Tiefgang aufwartet, als man bisher gewöhnt war. Vermutlich ganz im Sinne von Gründervater Ian Fleming, der sich bei den zuletzt gezeigten, futuristisch absurden Ergüssen wahrscheinlich im Grabe umdrehte.

Es ist vieles da, was in der jüngeren Vergangenheit fehlte, auch wenn die Art eine neue ist. Mit Le Chiffre (Mads Mikkelsen), dem Bankier des Terrors, hat man endlich wieder einmal einen Bösewicht, der das Prädikat des charismatischen Widersachers verdient hat. Bond spürt seine Fährte an verschiedenen Schauplätzen aus und verhindert eine groß angelegte Börsenmanipulation, die Le Chiffre anzetteln wollte. Schließlich mündet alles in einem illegalen Pokerspiel im Casino Royale, in dem Bond das MI6 vertritt und verhindern soll, dass der Bankier des Terrors Unmengen Geld für sein Netzwerk verdient. Dazwischen findet man Action der feinsten Sorte - nicht zu viel, aber umso härter und vor allem realistischer, als selten zuvor. Die Schauplätze wechseln, Bond ist wieder global aktiv und nimmt seinen Beruf ernster denn je. Was Brosnan, der nach wie vor besser in das Bond-Schema passt, oftmals fehlte, wird Craig gegeben - ein hervorragendes, auf ihn zugeschnittenes Drehbuch.

Da Bond aufgrund seines Hauptdarstellers nicht mehr nur mit Oberflächlichkeit glänzen kann, geht man allgemein mehr in die charakterliche Tiefe. Craig ist ein klassischer Agent, mehr als seine Vorgänger. Sein Beruf nimmt er ernst und stößt dabei schon einmal Schönheiten von der Bettkante, wenn die Pflicht ruft. Bond wirkt härter, mitunter kaltblütiger und trotzdem zweifelt er an dem, was er macht. Die Lizenz zum Töten geht nicht mehr in Überzeichnung und Lässigkeit unter, man nimmt sie wörtlich. Der neue 007 ist ambivalent, er verkörpert die harte Schale und den weichen Kern - emotionale Kälte trifft Fürsorge. Im Rahmen der Möglichkeiten entwickelt Craig durchaus Charisma und kann die alten Posen gut umsetzen.

Besonders im Zusammenspiel mit Vesper Lynd (Eva Green), die das Bondgirl in brillanter Manier eloquent und schlagfertig intelligent verkörpert, blitzt der Facettenreichtum des neuen Bond auf. Die Dialoge zwischen beiden sind zwischenmenschliche Highlights, tiefgründig, bissig und intelligent im Sinne einer interessanten Hassliebe.

Zusätzlich imponiert die gelungene Mischung aus parodierenden und geschickten Anspielungen auf die Reihe. Felix Leiter lernt Bond am Pokertisch als CIA-Agent kennen und urplötzlich ist es im Eifer des Spielgefechts gar nicht mehr wichtig, ob der Wodka-Martini geschüttelt oder gerührt ist. Es ist eine neue Coolness, die Craig gut verkauft und zusätzlich sehr authentisch wirken lässt, weil er nicht mehr der fehlerlose, sondern vielmehr menschliche dekadent wirkende 00-Agent ist.

"Casino Royale" ist genauso konservativ und im gesunden Maße innovativ, dass man getrost von einem gelungenen Neuanfang sprechen kann. Martin Campbell setzt ein tiefgründiges und realistisches Drehbuch über zweieinhalb Stunden ohne Längen um und kann sich auf eine durchweg brillante Darstellerriege verlassen. Der neue Weg, anfängliche Skepsis weicht der Verblüfftheit über ein wirklich gelungenes Comeback. (8/10)

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