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Er ist Bond. James Bond. Von der Fangemeinde bereits lange im Vorfeld als ungeeigneter Nachfolger von Pierce Brosnan diffamiert, hatte Daniel Craig (”Layer Cake”) in seiner neuen Rolle als Geheimdienstler seiner Majestät nicht nur gegen Bösewicht Le Chiffre (Mads Mikkelsen, “Pusher II“) zu kämpfen, sondern in erster Linie den Beweis zu erbringen, dass ein James Bond auch ruhig mal blond sein und mit der Schwimmweste bekleidet über den Kanal schippern darf. Nun antwortet Craig auf diese ewigen Nörgeleien wie es sich für einen echten Doppel-Null-Agenten gehört: knallhart, ungerührt und so markant, dass es einen schon fast vor Freude schütteln kann.

In “Casino Royale“ begeben wir uns gemeinsam mit unserem Titelhelden zurück zu den Wurzeln: Nachdem sich James Bond bereits durch knallharte Auftragsmorde seine Meriten verdient hat und in die Riege der Doppel-Null-Agenten aufgenommen wurde, ruft auch schon der erste Auftrag im Dienste ihrer Majestät: er wird auf den Terroristen Mollaka (Sebastien Foucan) angesetzt. Doch der Auftrag läuft nicht wie geplant und Bond sieht sich der Verärgerung von M (Judi Dench) gegenübergestellt, die sich dadurch, dass Bond auf eigene Faust weiter ermittelt, noch verstärken soll. Doch seine Ermittlungen führen ihn auf die Fährte von Le Chiffre, dem Bankier einer internationalen Terror-Organisation, der durch ein Pokerspiel im “Casino Royale“ das Geld der Terroristen vermehren will. Nimm den Terroristen ihr Geld und Du nimmst ihnen ihre Macht… Getreu dieser Maxime soll Bond nun handeln und am Pokertisch gegen Le Chiffre gewinnen…

Erschienen die letzten Abenteuer der 007-Reihe nur noch als Panoptikum verschiedenster Spielereien des Erfinders Q, bietet Regisseur Martin Campbell (“The Legend of Zorro“) hier mit seinem zweiten Bond nach “GoldenEye“ einen überraschend bodenständigen, menschelnden 007. Wir erhalten einen ersten Einblick hinter die Fassade des smarten Agenten, erfahren, wie Bond eben zu dem Bond wurde, den wir über die Jahre hinweg kennen und lieben gelernt haben. Charakterliche Tiefe löst flaches Geschichtenerzählen ab, handgemachte Action tritt an die Stelle von überdrehter CGI-Action-Orgien. Neorealistisch könnte man diesen Schnitt in der Reihe der Bond-Filme nennen, im vollkommenen Gegensatz zu dem Weg, den die Reihe nach Lee Tamahoris “Die Another Day“ durch mangelnden Realismus einzuschlagen drohte. Und daran, dass neue Wege beschritten werden, scheint die Filmreihe auch merklich zu gesunden. Liegt das vielleicht daran, dass mit Paul Haggis (“Million Dollar Baby“, “L.A. Crash“) ein Drehbuchautor mit an Bord genommen wurde, der zu den Begnadetsten seines Handwerks zählt und für den die emotionale Nähe zu seinen Figuren im Vordergrund steht? Offensichtlich ist dem so, denn James Bond ist nicht mehr der James Bond, der als omnipotenter Übermensch in allen Lebenslagen brillieren kann. James Bond macht Fehler, ihm widerfahren Schicksalsschläge, die prägen und so erscheint er tatsächlich menschlicher als die Figur, die uns von Sean Connery bis hin zu Pierce Brosnan immer wieder vor dem Untergang der Welt rettete.

Und trotz aller Menschlichkeit erscheint Daniel Craig in seiner neu gewonnenen Paraderolle nicht als das Weichei, als das ihn viele Fans zuvor sahen: er offenbart nebenher eine schon fast unmenschliche Seite, wenn er als knallharter Killer auftritt, der vor nichts zurückschreckt, um mit einer Beförderung bedacht zu werden. Ein Mann, der über Leichen geht. Beide Seiten lotet Craig durch markantes, toughes Schauspiel gekonnt aus, hält sich in den – gemessen am Bond-Standard – spärlich gesetzten Action-Szenen keineswegs zurück und gibt gleichermaßen den Womanizer, den man seit jeher mit der Figur James Bond verbindet. Einfach brillant!

Die Zutaten „hervorragendes Drehbuch“ und „erstklassiger Hauptdarsteller“ packt Martin Campbell gemeinsam mit einer ordentlichen Prise Sex-Appeal in Form von Eva Green (“The Dreamers“) und einem charismatischen Bösewicht Mads Mikkelsen (, der zwar bei weitem nicht an die Klasse eines Gert Fröbe in “Goldfinger“ heranreichen kann, aber hier endlich auch einem größeren Publikum durch eine wieder einmal hervorragende Leistung auffallen dürfte,) in einen großen Shaker und schüttelt einen der besten Bond-Filme seit langem locker aus dem Handgelenk heraus… so wie ein guter Wodka Martini halt sein soll…

Ein neues Zeitalter in der MI6 ist eingeläutet. “Casino Royale" hat der Reihe frischen Wind in die Segel geblasen und eindeutig Lust auf mehr gemacht! 9/10

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