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Back to the roots. Die Rückbesinnung auf alte Tugenden ist wieder modern geworden. Comic-Helden beginnen von Neuem, eine boxende Leinwandikone findet auf ihre alten Tage zu ihren Wurzeln zurück, auch ein gewisser Spion im Geheimdienst ihrer Majestät will sich nach seinem peinlich verpatzten Jubiläum „Die Another Day“ rehabilitieren und wieder für das stehen, wofür der Name James Bond einmal stand: Qualität.
Aller Unkenrufe im Vorfeld zum Trotz gelingt „Casino Royale“ nach vierjähriger Pause mit kleineren Makeln der Neustart der Franchise mit seinem von der Presse und den Hardlinern gescholtenen Neuling Daniel Craig („Lara Croft: Tomb Raider“, „Munich“) ganz vortrefflich. Es ist der beste Bond-Film seit „Licence to Kill“ und nebenbei einer der gelungensten Thriller des Kinojahres 2006. Die Rückbesinnung auf Ian Flemings Original soll sich als Schlüssel zum Erfolg herausstellen.

Die 21. Mission des britischen Geheimagenten hat in den ersten Minuten allerdings mit Startschwierigkeiten zu kämpfen, bevor „Casino Royale“ richtig in Fahrt kommt und in 140 Minuten erzählt, warum James Bond so ist, wie wir ihn seit nunmehr 24 Jahren schätzen.
„GoldenEye“ – Regisseur Martin Campbell („No Escape”, „Vertical Limit”) war noch nie ein herausragender Filmemacher und wird es auch nicht mehr, hat aber ein ganz starkes Drehbuch von Neal Purvis („The World Is Not Enough“, „Die Another Day“), Robert Wade („The World Is Not Enough“, „Die Another Day“) und Paul Haggis („Crash“, „Million Dollar Baby“) an dem er gar nicht scheitern kann. Trotzdem vermag er Bonds noch vor den Opening Credits stattfindende Beförderung zum Doppelnullagenten nicht als DEN elektrisierenden Moment zu inszenieren und auch der aller ersten, verpatzten Mission, die Festnahme des Bombenlegers Mollaka (Sebastien Foucan), mangelt es noch an der rechten Dynamik. Die spektakuläre Parkour-Hatz quer durch / über eine Baustelle auf Madagaskar erinnert mit ihren unmöglich ausschauenden Sprungeinlagen leider an einen Comic denn an einen um Realitätsnähe bemühten Agententhriller. Aber dann bekommt Campbell seine Inszenierung in den Griff und der Spaß kann beginnen.

Der neue Bond ist rauer, nüchterner und weniger Gentleman. Genauso wird er auch in seiner aller ersten Szene im Halbdunkel eingeführt. Emotionen scheint der abgebrühte Killer zu Beginn nicht einmal zu kennen.
Daniel Craig interpretiert seine Rolle ganz anders als sein Vorgänger Pierce Brosnan. Er nähert sich Sean Connery, ohne freilich dessen einmaliges Charisma bieten zu können. Sein viel zu großes Ego steht dem durchtrainierten Agenten im Weg, liebend gern geht er mit der Brechstange zu Werk und er fackelt auch gar nicht lang, wenn es brenzlig wird. Die Selbstironie der Figur, der trockene Humor und die Unerfahrenheit des Doppelnullfrischlings kommt Craig sehr entgegen. Mit seiner sturen, kantigen Mimik gebärt er einen lange Zeit sehr rationellen Agenten, der nach einer Standpauke von M gar nicht daran denkt sich zu verkriechen, sondern auf eigene Faust seinen Fehler wett zu machen versucht. Er verfolgt die verbliebenen Hinweise und trifft dabei auf den vernarbten Le Chiffre (Mads Mikkelsen, „King Arthur“, „Pusher II“). Der globale operierender Investmentbänker verwaltet das Vermögen höchst zwielichtiger Organisationen, handelt aber auch damit an der Börse, verspekuliert sich dank James Bonds Intervention total und ruft deswegen im Casino Royale (Montenegro) zum großen Pokerabend. Er will das verlorene Vermögen auf einen Schlag wieder reinbekommen, bevor seine Klienten Wind von der Sache bekommen. Bond wird vom MI6 dort hin geschickt, um Le Chiffre endgültig in den Bankrott zu treiben, damit er gezwungen wird im Austausch gegen Informationen in den Schutz des britischen Geheimdienstes überzusiedeln.

„Casino Royale“ behält sich einen überraschend harten Grundton vor, der schon die Grenze der Altersfreigabe auslotet und deswegen auch in Großbritannien nur gekürzt in die Kinos entlassen wurde. Ein Film für Erwachsene ohne Q, ohne Moneypenny, ohne technische Gimmicks und ohne viel Action sollte es werden und die Macher halten Wort. „Casino Royale“ lebt zum ersten Mal seit langem wieder von seinen hervorragenden Dialogen, seinen überzeugenden Darstellern und einer spannenden Geschichte. Viel Zeit verbringt der Film am Pokertisch, der nervenaufreibenden Zockerei und noch mehr mit seinen Charakteren. Dort im Kasino tritt auch Ludger Pistor als Schweizer Bankier Mendel auf seine typische Weise auf und sorgt für vereinzeltes Schmunzeln.
Die liebenswert knurrige wie zynische Judi Dench („The Chronicles of Riddick“, „Mrs Henderson Presents”) darf Bond als M schon früh den Kopf waschen und unmissverständlich erklären, was sie von ihm hält. Im Gegenzug treibt er sie fast zur Weißglut. Die Abneigung, oder besser die Hassliebe der beiden ist legendär, Craig und Dench scheinen sie jedoch mehr zu genießen, als es Brosnan jemals möglich war.
Der eigentlich Clou des Films ist aber Eva Green („The Dreamers“, „Kingdom of Heaven“). Die noch am Anfang ihrer Karriere stehende, bildhübsche Französin stellt als vielschichtige Vesper Lynd das beste Bond-Girl seit Diana Rigg in „On Her Majesty's Secret Service“ dar. Vom Schatzamt wird sie James Bond zugewiesen, um über die Millionen zu wachen, die er beim Kartenspielen verpulvern könnte. Anfangs hat sie nur Verachtung für den forschen Spion übrig, später soll sie ihn für ewig verändern. Craig und Green hauen sich die Dialoge in allerbester Screwball-Manier um die Ohren, können gar keine Angelegenheit auslassen, dem anderen seine Unprofessionalität vorzuwerfen und kommen sich schließlich doch näher als sie sollten. Ihre Beziehung soll eigentlich auch den Kern der Geschichte bilden, weil sie Bond formt und aus ihm einen völlig neuen Menschen macht beziehungsweise seinen harte Schale aufweicht. Daraus resultiert übrigens ein sehr emotioneller Moment unter der Dusche.

Nichtsdestotrotz überzeugt auch der wirklich spannende Plot mit zahlreichen Überraschungen und kompromissloser Action. Bond fehlt mehrmals der Durchblick, auch weil nicht jeder das ist, was er vorgibt, ihm noch die Erfahrung fehlt und im Hintergrund noch eine dritte Partei ihre Fäden zieht, die niemand auf der Rechnung stehen hat. Gigantomanie liegt „Casino Royale“ trotzdem fern. Die sehenswerte Zerstörungsorgie auf dem Flughafen von Miami hat es zwar in sich, ansonsten regiert aber Mann gegen Mann im schmerzhaften Nahkampf mit viel Blut, Schweiß, Folter und blauen Flecken – archaisch, kompromisslos, hässlich und direkt.
Die Poker-Runden im Casino Royale stehen unter einem ganz besonderen Stern, weil Le Chiffre längst weiß, wer Bond ist und dem wiederum längst klar ist, das seine Tarnung aufgeflogen ist, Le Chiffre aber sein Geld braucht. Die Poker-Partien mit ihren Höhen und Tiefen zwischen den beiden sind wahnsinnig spannendes Kino und zeigen einen Bond, der alles, nur nicht unfehlbar ist.
Mads Mikkelsen gibt einen ebenbürtigen Part. Die Serie hatte zwar schon bessere Bösewichter, aber als an die Aktualität geknüpfter Banker von Terror-Organisationen besitzt der Mann schon seine Möglichkeiten und schließlich auch Bond. Das Zusammentreffen der beiden ist wohl der Höhepunkt des Films. Le Chiffre schwankt zwischen Nervenbündel und hartgesottener Geschäftsmann, stiehlt seinem Widersacher allerdings nie die Show. Das durfte er aber hier wohl aber auch nicht, denn dieser Film gehört James Bond ganz allein.


Die traditionell exotischen Schauplätze geizen, wie es sich für einen Bond-Film gehört, auch hier nicht mit ihren Reizen, Chris Cornells „You know my name“ wird allerdings als eher schwächerer Bond-Song in die Analen eingehen. So schrecklich eingehend hört er sich leider nicht an.
Darüber gibt es einen Aston Martin DB S zu begutachten, der auch seine Ausstattungsmerkmale besitzt, an außergewöhnlichen Einbauten aber nur ein Überlebensset für den Notfall besitzt. Die traditionellen Standards der Franchise werden also alle erfüllt, obwohl „Casino Royale“ mit seiner Neuausrichtung nicht mehr den typischen Bond-Flair versprüht, sondern eindeutig, düster und rauer, damit aber auch sehr viel realistischer rüberkommt. Gleichzeitig werden auch liebgewonnene Elemente teilweise sehr ironisch erklärt. Wer also wissen will, warum Bond Wodka-Martini bevorzugt, dem wird geholfen.

Am Ende sehen wird schließlich den Bond, den wir alle schon vorher kannten und seit vielen Jahren lieben gelernt haben. Der Weg dorthin unterscheidet sich von allen Filmen zuvor. Bond begeht Fehler, lernt dazu, stolpert über sein eigenes Ego und erkennt schließlich seine Berufung. In „Casino Royale“ gibt es keine Auswege für ihn in letzter Sekunde, hier muss er sein schmutziges Handwerk verrichten und er tut es mit tödlicher Professionalität ohne mit der Wimper zu zucken. Den tragischen Ausgang kann man sich ungefähr vorstellen, aber sicherlich nicht so. Zum Schluss bleibt nur Bond, James Bond. Und wir wollen wissen, wie es weitergeht.

Fazit:
Keine Frage, „Casino Royale“ hat Stil und zwar mehr als ich Martin Campbell zugetraut habe. Nach Startschwierigkeiten zu Beginn mausert sich der Neubeginn zu einem Highlight der Reihe. Die spannende Geschichte, überzeugende Schauspieler und der treffsichere Humor kulminieren zu einem Kino-Hit, der den hohen Ansprüchen gerecht wird. Der neue Bond-Film ist weitaus grimmiger und realistischer geworden, verfügt aber immer noch über traumhafte Kulissen, Traumfrauen und Traumautos, so wie es sich auch für ihn gehört. Die Überlänge bemerkt man nicht, die Dialoge sind wahnsinnig gut und der Score von David Arnold („The World Is Not Enough“, „Die Another Day“) ein Genuss. Inklusive des dramatischen Ausgangs passt hier alles so zusammen, wie es zusammenpassen soll. Unverbraucht, spannend, humorig, spektakulär, sehenswert.

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